John Grisham - „Die Begnadigung“

Samstag, 1. August 2009

(Heyne, 480 S., HC)
Nach einer desaströsen Wahlniederlage scheidet der nach William Henry Harrison wohl unbedeutendsten Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Arthur Morgan, nach vier Jahren aus dem Amt. Zu seinen letzten Amtshandlungen zählt eine Liste von Begnadigungskandidaten, auf der sich unter anderem mit Joel Backman der wohl skrupelloseste Lobbyist befindet, der für seine wirtschaftkriminellen Aktivitäten zwanzig Jahre Einzelhaft aufgebrummt bekam. Nun drängt der verkrüppelte, doch bereist seit 18 Jahren die CIA führende Direktor Teddy Maynard auf Backmans Begnadigung.
Der politikmüde Präsident gibt Maynards Drängen nach, nur um dem politischen Establishment in Washington eins auszuwischen. Backman, der über brisante Informationen über die von pakistanischen Computerfreaks entwickelte Software „JAM“ zum geheimen Satellitensystem „Neptun“ verfügt, wird von der CIA mit einer neuen Identität versorgt und nach Italien transportiert, wo ihm ein neues Leben geschenkt wird. Doch die Nachricht von der überraschenden Begnadigung macht schnell die internationale Runde, die Jagd auf Backman ist eröffnet. Dass der Broker, der das Satellitensystem einst verschiedenen Regierungen zum Kauf anbot, sein neues Leben nicht mehr lange genießen wird, ist dem CIA durchaus bewusst. Maynard und Co. interessiert nur, wer den ungeliebten Backman aus dem Weg räumt ... Grisham, der bereits mit seinen Justiz-Thrillern das moderne Amerika kritisierte, bewegt sich mit seinem neuen Roman auf der großen Bühne der Geheimdienste und ihrer verschwörerischen Machenschaften. Klar, dass bei einem meisterhaften Geschichtenerzähler wie Grisham dabei wieder ein äußerst packender Plot herausgekommen ist, der geradezu nach einer weiteren Verfilmung schreit.

John Grisham - “Die Bruderschaft”

(Heyne, 448 S., HC)
In der Regel leben die spannenden Romane des ehemaligen Anwalts John Grisham von dem aussichtslosen Kampf, den junge, unerfahrene Rechtsanwälte mit ihren unterprivilegierten Mandanten gegen mächtige Konzerne und ihrer Skrupellosigkeit führen und der Gerechtigkeit letztlich doch zum Sieg verhelfen. Mit seinem neuen Werk “Die Bruderschaft” entwirft er einmal ein anderes Szenario. Nachdem bereits “Das Testament” eine ungewöhnliche Schadenfreude über die bemitleidenswerten Erben eines Multimilliardärs zum Ausdruck brachte, wirft Grisham mit “Die Bruderschaft” einen zynischen Blick sowohl hinter die Gefängnismauern als auch hinter die Kulissen der ganz großen Politik.
Unter den Insassen von Trumble, einem fast paradiesischen Gefängnis in Florida, befinden sich neben Kleinkriminellen auch drei ehemals angesehene Richter, die sich “Die Bruderschaft” nennen und in der Gefängnisbibliothek regelmäßig die Rechtsangelegenheiten der Mitinsassen gegen Bezahlung regeln. Lukrativer wird allerdings das Geschäft, als die drei Richter über einen Anwalt in der Welt da draußen Erpresserbriefe an hochstehende Persönlichkeiten schicken. Als sie eines Tages allerdings einen mächtigen Politiker am Haken haben, setzt dieser alles in Bewegung, um sein Saubermann-Image auch weiterhin zu bewahren. Grisham hat diese Geschichte wieder mit sehr viel Witz und Raffinesse erzählt und dabei gleich die Mechanismen der Macht bloßgelegt.

John Grisham - „Die Farm“

(Heyne, 464 S., HC)Von John Grisham ist man bereits so viele hochkarätige, meist auch noch erfolgreich verfilmte Justizthriller wie „Die Firma“, „Die Akte“, „Die Jury“ oder „Der Regenmacher“ gewohnt, dass man kaum je etwas anderes von ihm zu lesen erwartet hätte. Dabei hat sich Grisham ja bislang nicht nur durch seine Anwaltspraxis als fachkundiger Kenner seiner Materie, sondern auch als hervorragender Erzähler erwiesen. Warum sich also nicht mal mit einem anderen Stoff befassen? Für seinen neuen Roman „Die Farm“ hat sich Grisham also mal nicht von Gerichtsprozessen und Anwaltskanzleien inspirieren lassen, sondern von seinen eigenen Kindheitserlebnissen im ländlichen Arkansas: Das Leben des siebenjährigen Luke Chandler ist von der sommerlichen Baumwollernte und Baseball geprägt. Er hilft bei der Ernte ebenso wie die aus den Bergen rekrutierte Familie Spruill und mexikanische Wanderarbeiter.
Als Luke Zeuge einer tödlichen Auseinandersetzung zwischen dem verhassten Jerry Sisco und dem kräftigen Hank Spruill wird, verändert sich sein ganzes Leben. Aus Angst vor der Rache der Spruills, auf die seine Familie bei der Ernte angewiesen ist, verschweigt Luke, was er gesehen hat. Aber es geschehen noch weitere Dinge in diesem Sommer des Jahres 1952. Luke verguckt sich etwas in die 14-jährige Tally, die sich aber mit einem älteren Jungen trifft, dann erfährt er auch noch Ungeheuerliches von seinem Bruder Ricky, der in Korea kämpft. Grisham hat mit „Die Farm“ auf jeden Fall bewiesen, dass er nicht nur Spannungsliteratur schreiben kann. Hier ist ihm eine wundervolle Geschichte über das Ende einer Kindheit gelungen.

John Grisham „Die Liste“

(Heyne, 480 S., HC)
Nachdem sich John Grisham mit „Die Farm“ und „Der Coach“ eine kleine Auszeit von seinen Justiz-Thrillern genommen hatte, kehrt er nach „Die Schuld“ mit „Die Liste“ zu seinem klassischen Thema zurück, der Frage nach Schuld und Sühne, Rache und Gerechtigkeit. Willie Traynor übernimmt 1970 in Clanton, Mississippi die bankrotte Kleinstadtzeitung Ford County Times, nachdem der 23-jährige Student das dafür nötige Geld von seiner reichen Tante erhalten hatte. Als die dreißigjährige Witwe Rhoda Kassellaw vor den Augen ihrer beiden Kinder vergewaltigt und ermordet wird, ist der mutmaßliche Täter schnell gefasst.
Danny Padgitts Name ist mit das letzte, was der sterbenden Frau noch von den Lippen geht, wenig später wird der von Rhodas Blut besudelte und betrunkene Verdächtige von der Polizei gestellt. Die Jury, in der erstmals eine Schwarze sitzt, befindet den Angeklagten zwar für schuldig, verhängt aber nur eine lebenslange Haftstrafe, nicht wissend, dass „lebenslänglich“ in Mississippi gerade mal zehn Jahre ausmachen. Bereits vor seiner Verurteilung versprach Danny Padgitts, die Mitglieder der Jury im Falle eines Schuldspruchs persönlich umzubringen, und bereits während des Verfahrens spart seine mächtige wie kriminelle Familie nicht an Einschüchterungsmanövern. Als Danny Padgitt nach neun Jahren wieder auf freien Fuß kommt, muss vor allem Willie Traynor um sein Leben fürchten, nachdem er mit seiner effektheischenden Berichterstattung maßgeblich zur Vorverurteilung des Angeklagten beigetragen hatte... „Die Liste“ schreit wie „Die Akte“, „Die Jury“, „Der Klient“ oder zuletzt „Das Urteil“ nach einer Verfilmung!

John Grisham „Die Schuld“

(Heyne, 448 S., HC)
Der wie viele andere Pflichtverteidiger stark überlastete Clay Carter kann es kaum fassen, dass ihm schon wieder ein Mordfall aufgedrückt wird. Der junge Schwarze Tequila Watson hat offensichtlich ohne erkennbares Motiv den Drogendealer Pumpkin erschossen und wurde dabei eindeutig von Zeugen identifiziert. Bevor sich Carter überhaupt richtig mit der Verteidigung befassen kann, wird er von dem mysteriösen Max Pace aufgesucht, der von einem Pharma-Unternehmen als Troubleshooter engagiert wurde und Carter ein unglaubliches Angebot unterbreitet: Der Konzern hatte ein ungenehmigtes Präparat an Drogensüchtigen getestet, das die Abhängigkeit heilen sollte. Erst spät wurde entdeckt, dass einige der Patienten grundlos anfingen zu morden. Um diesen Umstand nicht bei einem Gerichtsverfahren publik zu machen, strebt das Unternehmen einen großzügigen Vergleich an.
Carter nimmt das Angebot an, kündigt beim Office of the Public Defender, bekommt seine eigene Kanzlei in der nobelsten Gegend Washingtons und stellt eigene Anwälte ein. Schon schanzt ihm Pace die nächste Schadensersatz-Geschichte zu. Carter gibt die Millionen-Honorare allerdings auch schneller aus, als das Geld wieder in die Kassen strömt. Er hofft auch, mit seinem neuen Reichtum seine Freundin Rebecca zurückzugewinnen, die ihn vor kurzem auf Druck ihrer reichen Eltern verlassen hat. Doch dann ziehen dunkle Wolken am Horizont auf. Max Pace verschwindet spurlos, das FBI ermittelt wegen Handel mit Insiderwissen, sich übervorteilt fühlende Mandanten klagen gegen Carter... Grisham schildert sehr anschaulich die Problematik überhöhter Schadensersatzvergleiche, doch wirkt die Story längst nicht so spannend wie die meisten seiner früheren Werke.

John Grisham – „Das Testament“

(Heyne, 512 S., Tb.)
Dem exzentrischen Milliardär Troy Phelan ist die Vorstellung, dass sein Imperium den geldgierigen Erben zufällt, so zuwider, dass er vor seinem Freitod sein Testament zugunsten seiner unehelichen Tochter Rachel ändert.
Während die entrüstete Phelan-Familie versucht, die Änderung des Testaments anzufechten, macht sich der ehemalige, seit längerem sich aber schon auf dem absteigenden Ast befindende Staranwalt Nate O’Riley auf die Suche nach der legitimen Erbin. Als er sie nach einer abenteuerlichen Reise endlich im brasilianischen Regenwald findet, zeigt sie sich wenig interessiert an dem Erbe, dafür aber an Nate. Wenn dieser aber Rachel nicht umstimmen kann, das Erbe anzutreten, verfällt es letztlich doch der habgierigen Familie, die bis dato noch nichts von der Existenz von Troys unehelicher Tochter gewusst hat. Grisham versteht es dabei sehr gut, den Wettlauf gegen die Zeit im Strudel der interessanten Begegnung zwischen Rachel und dem Rechtsanwalt darzustellen, deren Verhalten zunächst von ganz unterschiedlichen Motivationen geprägt ist.