Fabio Volo – „Lust auf dich“

Dienstag, 8. April 2014

(Diogenes, 301 S., Pb.)
Eigentlich hat Elena alles, was sich eine Frau nur wünschen kann: Nach dem Studium hat sie sich in einer Mailander Firma zur Leiterin der Marketingabteilung hochgearbeitet und mit Paolo einen Mann geheiratet, den sie bis zum Ende ihres Lebens lieben könnte, wie sie glaubte. Doch als sie bei einer Präsentation die Blicke eines attraktiven Mannes auf sich spürt und diesen in London näher kennenlernt, beginnt sie ihre Ehe zu hinterfragen und lernt eine ganz andere Frau in sich kennen.
Je mehr sie sich diesem Fremden hingibt, mit dem sie sich ausschließlich in dessen Wohnung trifft, je mehr sie die Lust und Leidenschaft zu schätzen weiß, die diese Affäre ihr bereitet, desto mehr ist sie sich dem öden Eheleben bewusst, in das sich die einst so intensive Liebe verwandelt hat. Elena hasst die Fahrten zu ihrer Schwiegermutter, die ihren Sohn immer noch so verhätschelt, als sei er ein Kind, und Elena mit mehr oder weniger versteckten Vorwürfen attackiert. Noch mehr aber hasst sie das, was die Ehe aus ihr selbst gemacht hat. Sie stört sich an dem fehlenden Interesse, das ihr Paolo entgegenbringt, der nach der Arbeit nur noch müde aufs Sofa fällt und vor der Glotze abhängt, während er Elenas Wünsche nach Gesprächen nicht ernst nimmt. Gespräche sind nicht unbedingt das, was Elena mit ihrer Affäre verbindet, aber aus dem sinnlichen, zärtlichen, leidenschaftlichen und experimentellen Sex, den sie nun erlebt, erwächst ein ganz neues Selbstvertrauen.
„Ich denke, dass meine Lust bei ihm so intensiv und tief ist, weil mein Körper in seinen Händen zum ersten Mal erhört wird. Er beherrscht das Spiel und weiß, wie er meine Lust immer mehr steigern kann, so dass ich mich so stark fühle wie er. Wenn wir miteinander schlafen, sind wir eins, und ich habe nie das Gefühl, passiv zu sein, auch wenn mir bewusst ist, dass er die treibende Kraft ist. Ich habe gelernt, dass es Teil eines Spiels ist, das auch ich lenke. Meine Unterwerfung ist ein Geschenk, das ich ihm bereite, keine Niederlage. Mit ihm zu schlafen ist eine geheimnisvolle Reise. Er führt mich, er reißt mich mit, geleitet mich an Orte, die ich nicht kenne und nie besucht habe.“ (S. 122) 
Allerdings scheint sich Elenas Ekstase in eine Verliebtheit zu wandeln, die die ungeschriebenen Grenzen ihrer Beziehung überschreitet. Das Objekt ihrer Begierde ist von Elenas Drang, immer mehr Kontrolle über das zu übernehmen, was sie miteinander verbindet, gar nicht begeistert …
Der italienische Schriftsteller, Schauspieler, Fernseh- und Radio-Moderator Fabio Volo, der sowohl in Mailand als auch in Rom, Paris und New York zuhause ist, hat in seinen bisherigen Romanen „Einfach losfahren“, „Noch ein Tag und eine Nacht“ sowie „Zeit für mich und Zeit für dich“ stets die Lebens- und Liebesgeschichten von jungen Männern beschrieben. In „Lust auf dich“ nimmt er erstmals die Perspektive einer Frau ein, die sich nicht nur durch Tagebuchaufzeichnungen vorstellt, sondern auch die darüber hinaus erwähnenswerten Ereignisse und Gedanken aus der Ich-Perspektive schildert. Sukzessive beschreibt Volo die Metamorphose einer Frau, die sich durch eine aufregende Affäre zu spiegeln beginnt, wie sich die Ehe mit Paolo gestaltet und welch neue Seiten die Beziehung zu einem neuen Mann in ihr zum Vorschein bringt.
Der Titel „Lust auf dich“ deutet schon an, dass Volo dabei recht freizügig zu Werke geht, doch lässt er dem Leser durchaus genügend Spielraum, die erotischen Szenen mit eigenen Phantasien aufzufüllen. Letztlich dient der Sex wie so oft nur als Mittel zum Zweck, als Schlüssel zu einer Tür, hinter der Elena ganz neue Seiten ihrer Persönlichkeit zu entdecken beginnt, die in ihrer Ehe nie zum Vorschein gekommen sind. Auf seine typisch leichte, doch packende Art beschreibt Volo die vielschichtigen Konsequenzen, die die Begegnung zweier Menschen nach sich ziehen kann – in positiver wie negativer Hinsicht.
Leseprobe Fabio Volo - "Lust auf dich"

2 Kommentare:

  1. Ich fange heute mit der Lektüre an. Deine Meinung macht mich zumindest neugierig auf das Buch.
    P.S. schönes Bücherblog

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  2. Ich habe das Buch mittlerweile gelesen und ich fand es großartig. Auch auf die Gefahr hin, dass dich meine Meinung zu der Geschichte nicht interessiert, hier ist sie.

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