James Lee Burke – (Hackberry Holland: 4) „Vater und Sohn“

Sonntag, 20. November 2016

(Heyne, 640 S., Pb.)
Auf der Suche nach seinem Sohn Ishmael, zu dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, gerät der ehemalige Texas Ranger Hackberry Holland 1916 im Norden Mexikos in die Gewalt von mexikanischen Revolutionssoldaten, die ihn beschuldigen, bei einem Angriff auf einen ihrer Züge auch mexikanische Zivilisten ermordet zu haben. Hackberry kann sich weder verzeihen, tatsächlich für diese Taten mitverantwortlich gewesen zu sein, noch sich von seinem Sohn wegen seiner manipulierenden, von Neid zerfressenen Ehefrau Maggie abgewendet zu haben.
Mit Hilfe der geheimnisvollen wie schönen Prostituierten Beatrice DeMolay kann Hackberry seine Suche fortsetzen und gelangt dabei in den Besitz einer Reliquie, auf die es vor allem der skrupellose österreichische Waffenhändler Arnold Beckmann abgesehen hat. Der schreckt auch nicht davor zurück, Hackberrys gerade schwer verletzt aus dem Ersten Weltkrieg in Frankreich zurückgekehrten Sohn festzuhalten. Zusammen mit dem furchtlosen Chauffeur der Prostituierten und einem befreundeten Deputy setzt Hackberry alles daran, seinen Sohn aus den Fängen des Waffenhändlers zu befreien, mit dem Maggie mittlerweile gemeinsame Sache zu machen scheint.
„Welchen Wert hatte die Ehre, wenn sie verhandelbar war? Welchen Wert hatte das Leben, wenn man seine Prinzipien aufgab, um den nächsten Sonnenaufgang zu sehen? Entscheide dich endlich, Holland!, sagte er zu sich selbst. Nimm doch den einfachen Weg und sieh zu, wie du damit leben kannst!“ (S. 608) 
Bereits 1971 schrieb James Lee Burke mit dem bislang in deutscher Sprache nicht erhältlichen „Lay down my sword and shield“ den ersten Roman, in dem der ehemalige Texas Ranger Hackberry Holland die Hauptrolle spielte. Nachdem er anschließend mit der Reihe um den in New Iberia, Louisiana, wirkenden Detective Dave Robicheaux zu internationalem Ruhm gekommen war und 1997 eine neue Reihe um Billy Bob Holland ins Leben gerufen hatte, kehrte er erst 2009 mit „Regengötter“ zu Hackberry Holland zurück und präsentiert nun mit „Vater und Sohn“ den mittlerweile vierten, wiederum episch angelegten Roman um den charismatischen Mann mit ebenso vielen Fehlern wie Frauengeschichten.
Burke entführt den Leser in die Zeit der mexikanischen Revolution, in eine Zeit, in der der amerikanische Präsident Wilson Pazifisten, Wehrdienstverweigerer und Kriegskritiker verhaften ließ und Butch Cassidy und Sundance Kid an ihrer Legende strickten. Indem Hackberry Holland sich mit seinem Sohn ebenso wie mit dessen Mutter Ruby Dansen zu versöhnen versucht, will er zumindest einen Teil der Schuld sühnen, die er im Laufe seiner Jahre angehäuft hat. Insofern kommt der gestohlenen Reliquie in der Geschichte eine besondere Bedeutung zu.
Schließlich ist die Ähnlichkeit zwischen Beatrice DeMolay und dem letzten Großmeister des Templerordens, Jacques de Molay, zu frappierend, um bloßer Zufall zu sein, und so fragt sich Holland nicht von ungefähr, ob es sich bei in seinem Besitz befindlichen Reliquie tatsächlich um den Kelch handeln könnte, aus dem Jesus getrunken und an seine Jünger weitergereicht hatte.
„Vater und Sohn“ ist nicht nur ein epischer Familienroman, der einen Abgesang auf den Wilden Westen darstellt und das 20. Jahrhundert mit raffinierter Waffentechnik, wachsenden Telekommunikationsmöglichkeiten und Automobilen einläutet, sondern eine Reise auf der Suche nach Vergebung, Erlösung und Wiedergutmachung, ein Roman über Ehre, Verrat und (Vater-)Liebe. Burke erweist sich dabei einmal mehr als fachkundiger Autor, der die Odyssee von Vater und Sohn Holland auch atmosphärisch stimmig zu erzählen versteht. Dass dabei auch einige Längen zu überwinden sind, lässt man Burke bei seiner geschliffenen Sprache gern durchgehen.
Leseprobe James Lee Burke - "Vater und Sohn"

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