Tess Gerritsen – „Der Anruf kam nach Mitternacht“

Dienstag, 29. August 2017

(HarperCollins, 304 S., Pb.)
Sie ist gerade mal zwei Monate mit Geoffrey verheiratet gewesen, da erhält die Mikrobiologin Sarah Fontaine von Nick O’Hara, einem Mitarbeiter des US-Außenministeriums, die Nachricht, dass ihr Mann bei einem Hotelbrand in Berlin bis zur Unkenntlichkeit in seinem Bett verbrannt sei. Die unscheinbare Sarah ist fest davon überzeugt, dass es sich um ein Irrtum handeln muss, da Geoffrey sich in London aufhalte. Nachforschungen ergeben allerdings, dass er aus seinem Stammhotel mit unbekanntem Ziel ausgecheckt hat. Auch der mit seinem Job unzufriedene Nick O’Hara beginnt an der offiziellen Geschichte zu zweifeln, als sein Kumpel aus der IT-Abteilung, Tim Greenstein, herausfindet, dass Geoffrey Fontaine bis vor einem Jahr überhaupt nicht existiert hat und nur bei der CIA eine Akte über ihn existiert.
Sarah nimmt das nächste Flugzeug nach London, um ihren Mann zu finden, den sie noch am Leben glaubt. Und Nick, der bei seinem Chef Ambrose längst unten durch ist und ihm eine ‚längere Auszeit‘ verordnet hat, reist ihr hinterher, weil er nicht nur herausfinden will, was wirklich hinter der Sache steckt, sondern weil der seit vier Jahren geschiedene Mann Gefallen an Sarah gefunden hat. Beide müssen in Europa sehr schnell feststellen, dass Geoffrey Fontaine nicht nur ein Doppelleben mit einer anderen Frau geführt hat, sondern dass sie selbst zur Zielscheibe eines mysteriösen Mannes namens Magus geworden sind …
„In der Dunkelheit war ihr die Erkenntnis gekommen: Sie würde sterben. Mit dieser Sicherheit hatte sich ein seltsamer Frieden über die gelegt, die finale Akzeptanz, dass ihr Schicksal unausweichlich und es hoffnungslos war, sich dagegen wehren zu wollen. Ihr war zu kalt, und sie war zu müde, um sich noch groß darum zu scheren. Nach Tagen des Terrors sah sie ihren eigenen Tod näher kommen und sie wurde ganz ruhig.“ (S. 268) 
Bevor Tess Gerritsen ab 2001 ihre bis heute erfolgreiche Thriller-Serie um Detective Jane Rizzoli und die Pathologin Dr. Maura Isles begann, schrieb sie zunächst eine Reihe von romantischen Thrillern, bevor sie 1996 zu Medizin-Thrillern wechselte. Mit der Wiederveröffentlichung ihres Debütromans „Der Anruf kam nach Mitternacht“ aus dem Jahre 1987 wird deutlich, warum Gerritsen gut daran tat, nach ein paar Jahren das Genre zu wechseln. Zwar ist der Spionage-Thriller flüssig in leicht verständlicher Sprache geschrieben, doch kann sich die Autorin offensichtlich nicht entscheiden, ob sie eine Liebesgeschichte oder einen Spionage-Thriller erzählen will. Der Spionage-Plot ist dabei nur rudimentär ausgeprägt und folgt bis zum vorhersehbaren Finale sämtlichen Genre-Konventionen, ohne interessante Wendungen oder Themen zu verarbeiten. Sehr schnell wird aber die nicht wirklich überzeugende Liaison zwischen Sarah und Nick konstruiert und so sehr in den Vordergrund gerückt, dass die Spionage-Story nur als spannungstreibendes Element fungiert.
Für Gerritsen-Fans dürfte dieses unausgegorene Romantic-Thriller-Debüt nur zur Vervollständigung der Sammlung dienen, aber es lässt zumindest erahnen, dass die examinierte Internistin durchaus Talent zum Schreiben besitzt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen