Jo Nesbø – (Harry Hole: 11) „Durst“

Freitag, 6. Oktober 2017

(Ullstein, 624 S., HC/eBook)
Um mehr Zeit für seine Familie zu haben, hat sich Spezialfahnder Harry Hole aus dem aktiven Dienst zurückgezogen und einen Job als Dozent an der Polizeihochschule Oslo angenommen, wo er als prominenter Spezialist für Serienmorde den Polizeinachwuchs in seinen Vorlesungen und Seminaren an die Ermittlungsarbeit heranführt. Doch dann wird Holes Jagdinstinkt geweckt, als er von den Vampiristenmorden erfährt, die schnell die nationalen, dann auch internationalen Schlagzeilen bestimmen.
Der Täter scheint seine weiblichen Opfer über die Dating-Plattform Tinder kennenzulernen und sie mit Hilfe eines Metallgebisses nicht nur tödlich zu verletzen, sondern auch ihr Blut zu trinken. Unter den Opfern befindet sich auch die Kellnerin Marte Ruud aus Harry Holes Stammkneipe.
Da Polizeichef Mikael Bellman kurz davor steht, Justizminister zu werden, will er den Fall schnell gelöst haben und lässt er eine Sondereinheit gründen, die unter Leitung von Harry Hole parallel zu der Truppe von Kriminalkommissarin Katrine Bratt ermitteln soll. Vor allem der in Akademikerkreisen belächelte Vampiristen-Experte Hallstein Smith entwickelt sich zu einer großen Hilfe bei der Jagd auf den Killer, dessen Vorgehen Hole an Valentin Gjertsen erinnert, der vor vier Jahren auf spektakuläre Weise aus dem Gefängnis ausgebrochen war und sich diversen plastischen Operationen unterzogen hatte, weshalb er bis heute untertauchen konnte.
„‚Ich glaube nicht, dass es nicht Valentin Gjertsen ist. Obwohl mir dieser Gedanke tatsächlich auch schon gekommen ist. Ein Mörder begeht zwei Morde, ohne auch nur eine Spur zu hinterlassen. Das erfordert Planung und einen kühlen Kopf. Und dann überfällt er plötzlich jemanden und verteilt wie nichts Spuren und Beweise? Das ist auffällig, als legte der Betreffende es darauf an, seine Identität preiszugeben. Und das weckt dann natürlich den Verdacht, dass uns da jemand manipulieren und auf eine falsche Fährte führen will.‘“ (Pos. 3557) 
Auch in dem elften Band seiner populären Reihe um den charismatischen Spezialermittler Harry Hole gelingt es dem norwegischen Bestseller-Autor Jo Nesbø, den Leser von Beginn an mit einem faszinierenden Fall zu fesseln, der mit ungewöhnlicher Prämisse ausgestattet ist. Durch den Vampiristen-Experten Hallstein Smith erhalten wir einen kurzen Abriss über die Vampir-Mythologie und die psychische Disposition von Vampiristen, darüber hinaus bekommen wir Einblicke in das komplexe Beziehungsgeflecht, in das Hole mit seiner Frau Rakel, ihrem Sohn Oleg, der nun auch an der Polizeihochschule studiert, und seiner Kollegin Katrine Bratt vertrickt ist, die sich gerade von ihrem Kollegen, den Kriminaltechniker Bjørn Holm, getrennt hat.
Die Ermittlungen nehmen mit jedem weiteren Mord an Fahrt auf. Dabei verdichten sich die Hinweise, dass die Polizei und die Sondereinheit an der Nase herumgeführt werden. Zum Ende hin schlägt der Plot einige schon irrwitzig anmutende Kapriolen, die sicher für dramaturgische Spannung sorgen, aber auch zu konstruiert wirken, um wirklich überzeugen zu können.
Was „Durst“ neben dem an sich interessanten Thema besonders auszeichnet, sind eher die persönlichen Aspekte, die allerdings oft nur angerissen werden, aber im Vergleich zu anderen Reihen im Thriller-Genre sind Nesbøs Figuren gut gezeichnet und verleihen dem Werk eine angenehme psychologische Tiefe.
Leseprobe Jo Nesbø - "Durst"

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