„Lexikon des internationalen Films 2017“

Sonntag, 15. April 2018

(Schüren, 560 S., Pb.)
Auch wenn die Digitalisierung in immer weitere gesellschaftliche Bereiche vordringt und auch – man denke nur an die wachsenden Streaming-Angebote von Netflix, Amazon & Co. - die Art der Filmrezeption verändert, hat sich die Situation des Kinos nachhaltig stabilisiert, was sowohl die Zahl der Kinos (mit dem höchsten Stand seit zehn Jahren und die Anzahl der Besucher (bei über 122 Millionen mit einem leichten Plus gegenüber dem Vorjahr) betrifft.
Erfreulich bleibt für lesefreundliche Cineasten die Tatsache, dass das „Lexikon des internationalen Films“ weiterhin als Printausgabe erhältlich ist, während der Herausgeber des Jahrbuchs, die Katholische Filmkommission, den Filmdienst Ende des Jahres 2017 als Printpublikation eingestellt hat und nun als Online-Magazin filmdienst.de weiterführt.
Wie gewohnt vereint das „Lexikon des internationalen Films“ auch in diesem Jahr nicht nur in Kurzkritiken alle Filme, die 2017 im Kino, Fernsehen oder auf DVD/Blu-ray zu sehen waren – immerhin mehr als 2000 Titel -, sondern blickt in einer monatlich eingeteilten Chronik auf das vergangene Filmjahr zurück, in dem vor allem die durch die sexuellen Übergriffe von Harvey Weinstein in Gang gesetzte #MeeToo-Bewegung ein Umdenken in Hollywood initiiert hat. Darüber hinaus werden verstorbene Filmschaffende und besondere europäische Filme gewürdigt.
Überhaupt bildet der europäische Film den thematischen Schwerpunkt in diesem Jahr: Während der „Brexit“ die EU erschüttert und gerade in Osteuropa der Nationalismus auf dem Vormarsch ist, kommt gerade dem europäischen Kino die bedeutende Rolle zu, Geschichten von der Gemeinsamkeit der Völker zu erzählen, ohne ihre spezifischen Eigenheiten und Mentalitäten zu nivellieren.
„Kein touristischer oder folkloristischer Blick im Spiel- und Dokumentarfilm bringt uns Europa näher, sondern nur ein wahrhaftiger und authentischer. Ein solcher Blick darf auch die negativen Seiten nicht aussparen und soll vermitteln, wie die Menschen vor Ort mit Krisen und Konflikten umgehen, wie sie auf ihre Umwelt reagieren. Der Vielfalt der europäischen Kultur lässt sich dann am besten gerecht werden, wenn sie durch die Vielfalt an Meinungen und Perspektiven ergänzt wird.“ (S. 63) 
Die Redaktion des Filmdienstes hat in diesem Zusammenhang nicht nur 60 herausragende europäische Filme zusammengestellt, sondern würdigt in Hommagen den Filmemachern François Ozon („Frantz“), Pedro Almodóvar („Alles über meine Mutter“, „Fliegende Liebende“), Jean-Pierre und Luc Dardenne („Das Versprechen“, „Rosetta“), Lars von Trier („Dogville“, „Melancholia“) und Michael Haneke („Das weiße Band“, „Liebe“).
Das nach wie vor einzigartige, von Horst Peter Knoll und Jörg Gerle redaktionell bearbeitete Nachschlagewerk wird durch den Kinotipp der katholischen Filmkritik, die besten Kinofilme des Jahres 2017, die herausragenden DVD- und Blu-ray-Editionen und eine Übersicht über die wichtigsten Filmpreise abgerundet. Filmfreunde werden so mit Sicherheit noch auf etliche sehenswerte Filme stoßen, die in dem dem spannenden Kinojahr 2017 bislang an ihnen vorbeigegangen sind.

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