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Adam Davies – „Froschkönig“

Freitag, 22. Juli 2016

(Diogenes, 384 S., HC)
Statt in die Anwaltskanzlei seines Vaters in Connecticut einzutreten, zieht es Harry Driscoll nach seinem Abschluss an einer Eliteuniversität nach New York, wo er im Verlag Prestige als Assistent im Lektorat strandet. Da seine ihm anvertrauten Projekte wie der „Kalender und Jahrbuch für Marathonläufer“ regelmäßig im Verzug ist, weshalb er bei seinem Chef Andrew Nadler regelmäßig vorsprechen muss. Wie viele seiner oft hochqualifizierten Kollegen sehnt sich Harry nach einer kaum realisierbaren Beförderung zum Lektor und davon, ein eigenes Buch zu schreiben und zu veröffentlichen.
Um mit seinem kümmerlichen Gehalt überhaupt über die Runden zu kommen, hat er sich als illegaler Untermieter in Alphabet City, einem der heruntergekommensten Viertel Manhattans, bei einem Freund eingenistet, der seine Werbejingles ohne Kopfhörer komponiert. Und da er sich keine Bücher leisten kann, hat Harry angefangen, im Wörterbuch zu lesen und sich ungewöhnliche Begriffe zu merken.
Den einzigen Lichtblick in seinem Leben bildet die auch bei Prestige arbeitende Evie Goddard, mit der der Sechsundzwanzigjährige eine leidenschaftliche, auch auf die Liebe zu Buchstaben und Wörtern basierende Beziehung unterhält. Doch weil er die an einer schweren Unterleibserkrankung leidenden Evie nicht sagen kann, dass er sie liebt und zudem eine Affäre mit Judith Krugman unterhält, die bereits ihr eigenes Imprint-Label im Verlag besitzt und durch die er eine bessere Position im Verlagswesen zu ergattern hofft, setzt Harry diese einzigartige Beziehung aufs Spiel.
„Wie habe ich mich verändert? Wie konnte aus so einem Menschen jemand werden, der das einzige existierende Exemplar eines wichtigen Manuskripts verliert, der in eine verachtenswerte Affäre mit einer Frau verwickelt ist, die ihm nichts bedeutet, während die Frau, die er liebt, allein und leidend dahockt und darauf wartet, dass er nach Hause kommt und mit ihr die Kanonenkugel macht?“ (S. 263) 
Mit seinem 2002 veröffentlichten Debütroman „Froschkönig“ ist dem amerikanischen Autor Adam Davies („Goodbye, Lemon“) ein Liebesroman gelungen, der wie sein Ich-Erzähler eigentlich jedes Klischee zu vermeiden sucht, dabei aber selbst nicht ohne auskommt. Allein die Tatsache, dass Harry seine große Liebe durch eine Affäre riskiert, ist fraglos eines der größten Klischees des Genres. Doch Davies gelingt es nicht nur, seinen an sich durch und durch unsympathischen wie unfähigen Protagonisten ansatzweise liebenswürdig und bedauernswert erscheinen zu lassen, sondern auch der im Fokus seiner Geschichte stehenden Love Story einzigartige Aspekte zu verleihen. Das beginnt bei skurrilen Details wie den Fruchtfliegen unter Harrys Bett, setzt sich bei der maßlosen Unfähigkeit in seinem Job fort und gipfelt in seinen verzweifelten Versuchen, es zu Höherem in der Verlagsbranche zu bringen.
Doch bei allem durchaus schwarzen Humor versteht es der Autor, seine Figur eine Läuterung durchmachen zu lassen, die fraglos erstrebenswert, aber nicht unbedingt glaubwürdig ist. Nichtsdestotrotz bietet „Froschkönig“ eine erfrischend andere Liebesgeschichte mit herrlich unkonventionellen Figuren und humorvollen Einblicken in die Verlagsszene.

Adam Davies – „Goodbye Lemon“

Sonntag, 29. November 2015

(Diogenes, 345 S., HC)
Dexter Tennant war gerade mal sechs Jahre alt, als er im Lake George ertrunken ist, wofür Jack, Dexters älterer Bruder, sein Leben lang ihren gemeinsamen Vater, Colonel Gil Tennant, verantwortlich gemacht hat, weil dieser statt auf Dex aufzupassen lieber seinem täglichen Whiskey-Konsum frönte. Folglich brach Jack vor fünfzehn Jahren mit seiner Familie und zog nach Georgia, wo er nach zwei Studienabschlüssen an einer drittklassigen Provinzuni als Dozent für Amerikanische Literatur arbeitet und eine glückliche Beziehung mit Hahva Finn unterhält.
Die Nachricht, dass Vater Tennant einen heftigen Schlaganfall erlitten hat und nun unter dem seltenen Locked-in-Syndrom leidet, was ihn quasi bewegungsunfähig macht, lässt Jack nach Hause zurückkehren, obwohl er einen tiefen Hass seinem Vater gegenüber empfindet. Schließlich hat dieser nicht verhindern können, dass der geliebte Dexter ertrunken ist, sondern – so Jack – auch das Leben seines älteren Bruders Pressman und Jacks Traum von der Karriere als Konzertpianist zerstört. Und nun soll ausgerechnet Jack seinen Vater pflegen …
„Alle anderen schlafen, und hier bin ich, allein mit meinem aufgezogenen Vater. Er sieht mich an. Ich sehe ihn an. Und mir wird etwas klar: Mein Vater ist nicht mehr der Herr des Schweigens in diesem Haus, sondern ihr Opfer. Er stürzt jetzt auf das Große Schweigen, das Ewige Schweigen zu, während ich hier so lange sitzen kann, wie ich will. Ich kann reden oder nicht. Ich kann die Wortlosigkeit verordnen. Er kann das Zimmer nicht verlassen. Er kann mich nicht ignorieren. Er kann nicht verweigern, widersprechen, fortschicken, verschmähen oder vorenthalten.“ (S. 136) 
Allerdings muss Jack nach seiner erzwungenen Rückkehr in sein Elternhaus auch feststellen, dass er seinen Vater nie richtig kennengelernt hat. Hahva hält es nicht mehr aus, wie sich Jack in seinem ehemaligen Zuhause aufführt, und reist wütend ab. Jack versucht derweil, über seinen Kumpel sein altes Auto zu verkaufen, um für Hahva einen kleinen Verlobungsring kaufen zu können. Und immer wieder hängt ihm sein Bruder Press in den Ohren, dass die Pflege ihres Vaters ihr Erbe auffrisst, dass es nur gerecht wäre, Vater von seinem Dasein zu erlösen, doch eher scheint sich Jack selbst in die ewigen Jagdgründe schicken zu wollen …
Der in Louisville, Kentucky geborene und als Dozent für Englische Literatur an der University of Georgia und am Savannah College of Art & Design tätige Adam Davies hat mit „Goodbye Lemon“ einen wunderbar leichtfüßigen wie humorvollen, dabei aber auch tief berührenden und vielschichtigen Roman über das Schweigen und die daraus resultierenden Missverständnisse geschrieben. Es ist aber auch eine Geschichte über das Erinnern und Vergessen, über Schuld und Vergebung, um die Sprach- und Verständnisbarrieren zwischen Eltern und Kindern, aber auch zwischen Liebenden, und schließlich ist es ein Roman über den Mut, das Leben in die eigene Hand zu nehmen.
Leseprobe Adam Davies - "Goodbye Lemon"

Adam Davies – „Dein oder mein“

Freitag, 12. Juli 2013

(Diogenes, 366 S., HC)
Otto Starks ist ein recht unscheinbarer, aber hochspezialisierter Sicherheitsbeauftragter, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, Kunstdiebe davon abzuhalten, die kostbaren Objekte ihrer Begierde an sich zu nehmen. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit kommt ihm ein nahezu übernatürliches Wahrnehmungsvermögen ebenso zugute wie seine jahrelang erfolgreich praktizierte Immunisierung gegen jedwede Art von Nervengiften. Allerdings läuft es in letzter Zeit überhaupt nicht gut für den Guardian bei Janus Security. Die sogenannte „Ratte“ hat es in den vergangenen neun Monaten gleich dreimal geschafft, ein zu bewachendes Kunstwerk aus Ottos Obhut zu stibitzen, was dem jungen Mann zwei Abmahnungen in den letzten acht Wochen eingebracht hat.
Während dieser schwierigen Zeit will Otto seiner langjährigen Lebensgefährtin, der Kunsthistorikern Charlie Izzo, die Frage aller Fragen stellen und ihr beichten, dass er kein Talentsucher für die New York Mets ist. Doch gerade als er sein Geständnis vor der K’plua-Maske einübt, schlägt die „Ratte“ erneut zu. Am Ende seiner Karriere angelangt sieht Otto nur noch eine Möglichkeit, seinen Chef von seinen Fähigkeiten zu überzeugen, nämlich bei der einwöchigen Bewachung eines Kunstwerks für den Japaner Nakamura. Mittlerweile hat Detective Cheryl Nunes die Ermittlungen im „Ratte“-Fall übernommen und fühlt Otto mächtig auf die Zehen. Wenn er auch nicht selbst der raffinierte Kunsträuber ist, so hegt Nunes doch den starken Verdacht, dass Otto durchaus der Komplize der „Ratte“ sein könnte. Und als wären das nicht noch genügend Probleme, schuldet Otto dem Gauner Deke noch eine ganze Stange Geld, um sein Boot „Auf und davon“ abzubezahlen.
„Ich wünschte, ich hätte Freunde, zu denen ich fliehen könnte. Ich wünschte, ich hätte eine Familie. Ich wünschte, ich könnte den K’plua anrufen und um Rat bitten. Er wüsste, was zu tun ist. Wenn ich ein Amischer wäre, könnte ich mit einer Pferdekutsche in ein abgelegenes Dorf fahren, wo man mich vor fiesen Räubern und Gendarmen verstecken würde. Vielleicht sogar vor meiner eigenen Vergangenheit. Genau das bräuchte ich jetzt. Ein völlig neues Leben. Ein Auslöschen meines gesamten Erinnerungsschatzes. Zuerst nehme ich das nicht ernst. Zuerst albere ich nur mit der Vorstellung herum, während ich mir die zahlreichen Arten von Unheil ausmale, die mich erwarten, doch dann …“ (S. 258) 
Otto Starks entwickelt tatsächlich eine Art von Plan, all seine Probleme in den Griff zu bekommen, doch stößt er sehr schnell auf einen nicht unerheblichen Gewissenskonflikt …
Der 1971 geborene amerikanische Schriftsteller Adam Davies hat mit „Dein oder mein“ ein äußerst unterhaltsames Gaunerstück abgeliefert, das wie eine Mischung aus Soderberghs „Ocean’s“-Trilogie und einer sehr komplizierten Love-Story wirkt. Bei allen kuriosen Wendungen und Entwicklungen bildet der durchweg sympathisch gezeichnete Ich-Erzähler Otto Starks den Dreh- und Angelpunkt der aberwitzigen Geschichte, die mit vielen amüsanten Fußnoten gespickt ist und herrlich witzig geschrieben ist. Das ist filmreife Unterhaltung, wie sie kurzweiliger nicht sein könnte.