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David Lagercrantz (nach Stieg Larsson) – (Millennium: 6) „Vernichtung“

Mittwoch, 4. September 2019

(Heyne, 430 S., HC)
Als ein Obdachloser tot unter einem Baum im Stockholmer Tantolunden aufgefunden wird, nimmt die Rechtmedizinerin Fredrika Nyman Kontakt zum prominenten Journalisten Mikael Blomkvist auf, denn in der Jackentasche des Toten befand sich ein Zettel mit der Telefonnummer des „Millennium“-Autors. Interessanter als diese Tatsache erscheint Nyman allerdings die DNA-Analyse, der zufolge der Verstorbene ein sogenanntes Super-Gen besaß, das in einer bestimmten Ethnie in Nepal vorkommt. Und tatsächlich weisen das Fehlen mehrerer Finger und Zehen und andere Zeichen von Erfrierungen und arg strapazierter Muskelfasern darauf hin, dass der Tote als Sherpa Expeditionen zum Mount Everest begleitet hat. Um an weitere Informationen zu kommen, muss Blomkvist wieder auf die ganz speziellen Fähigkeiten der hochintelligenten Hackerin Lisbeth Salander zurückgreifen. Die hat gerade erst ihre Stockholmer Wohnung verkauft und ist nun in Moskau nicht nur Waldimir Kusnezow auf der Spur, der als Eigentümer mehrerer Trollfabriken, die Fake-News mit oft antisemitischem Unterton verbreiten und Wahlen beeinflussen, sondern auch ihrer verhassten Schwester Camille, mit der sie eine dunkle Vergangenheit teilt und die nun in russischen Gangsterkreisen verkehrt.
Eigentlich hatte Blomkvist vor, etwas Urlaub zu machen, doch als Nyman ihm von der Menge an schmerzstillenden Stoffen im Körper des Toten erzählt, ist sein Interesse geweckt, zumal der Obdachlose offensichtlich kurz vor seinem Tod Kontakt zur erfolgreichen Kolumnistin Catrin Lindås gehabt hat. Von ihr erfährt Blomkvist, dass der Tote den Namen des schwedischen Verteidigungsministers Johannes Forsell erwähnt hat. Der hatte im Mai 2008 an einer Everest-Expedition teilgenommen, bei der Klara Engelman, die glamouröse Frau des legendären Industriemagnaten Stan Engelman, tödlich verunglückt ist. Mit Lisbeths Hilfe nimmt Blomkvist Kontakt zu einem mutmaßlichen Verwandten des Sherpas in den USA auf und kommt allmählich einem komplizierten Drama auf die Spur …
 „War dort oben vielleicht irgendetwas geschehen, was hatte vertuscht werden müssen? Möglich. Es mochte aber auch ganz anders gewesen sein. Dennoch spürte er, wie seine Lebensgeister zurückkehrten. Sein Urlaub war definitiv vorbei, und er würde der Geschichte auf den Grund gehen müssen. Doch zuerst schickte er eine SMS an Lisbeth: Warum musst du immer so verdammt clever sein??“ (S. 237f.) 
Der schwedische Autor und Journalist Stieg Larsson schuf mit der auch mehrfach erfolgreich verfilmten „Millennium“-Trilogie moderne Klassiker der skandinavischen Kriminalliteratur, ehe er 2004 unerwartet einem Herzinfarkt erlag. Stieg Larssons schwedischer Verlag und seine Familie traten schließlich 2013 an David Lagercrantz („Allein auf dem Everest“) heran, der die Reihe um die charismatischen wie unterschiedlichen Ermittler Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander fortsetzen sollte. Nach „Verschwörung“ und „Verfolgung“ legt Lagercrantz mit „Vernichtung“ nun seinen dritten und den insgesamt sechsten und wohl auch letzten Band der „Millennium“-Reihe vor. Allerdings gibt er sich wenig Mühe, der Auflösung des offensichtlichen Mordes an dem exotischen Obdachlosen die psychologische Tiefe zu erreichen, mit der Stieg Larsson das Duo Blomkvist und Salander zu so faszinierenden Figuren hat werden lassen. Stattdessen wird die Beziehung zwischen den beiden auch aufgrund der meist räumlichen Trennung zwischen ihnen nicht weiter vertieft. Blomkvist lässt sich etwas überraschend auf eine Affäre mit Catrin Lindås ein und verfolgt mehr oder weniger zielstrebig seine Nachforschungen, während Salander sich ihre gemeinsame Vergangenheit mit Camilla in Erinnerung ruft.
Durch die stückweise Enthüllung der Ereignisse während der dramatischen Everest-Expedition wird zwar die Spannung aufrechterhalten, doch wirkt der Plot allzu schablonenhaft konstruiert, um wirklich packen zu können. Vor allem das unglaubwürdig zugespitzte actionreiche Finale hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack einer so famos von Stieg Larsson initiierten Krimi-Reihe, die sein Kollege David Lagercrantz nicht auf diesem hohen Niveau fortsetzen konnte. Im Gegensatz zu seinem berühmten Kollegen vermag Lagercrantz seinen Figuren leider nicht die emotionale Tiefe zu verleihen und handelt gesellschaftspolitische Themen wie hier die wachsende Zahl von Obdachlosen oder die Produktion und Verbreitung von Fake-News nur nebenbei ab.
Leseprobe David Lagercrantz - "Vernichtung"

David Lagercrantz (nach Stieg Larsson) – (Millennium: 5) „Verfolgung“

Montag, 16. Oktober 2017

(Heyne, 480 S, HC)
Nachdem Lisbeth Salander sich in das Drama um die Ermordung eines Professors eingemischt, daraufhin einen achtjährigen autistischen Jungen bei sich versteckt und schließlich die Zusammenarbeit mit der Polizei verweigert hatte, wurde sie zu zwei Monaten Haft im Gefängnis von Flodberga verurteilt. Dort hat selbst der Leiter des Sicherheitstrakts, Alvar Olsen, Angst vor der herrischen Gefangenen Benito Andersson, die es mit ihrer Gang vor allem auf die junge Muslimin Faria Kazi abgesehen hat. Doch erst als Benito ihrem Opfer lebensbedrohlich nahekommt, greift Lisbeth ein und weist die skrupellose Benito ebenso brutal in die Schranken.
Durch diesen Zwischenfall gelingt es ihr, an den Computer des eingeschüchterten Olsen zu kommen und Nachforschungen in eigener Sache zu betreiben: Bei einem seiner seltenen Besuche im Krankenhaus hat Lisbeths alter Mentor, der mittlerweile schwerkranke Holger Palmgren, Unterlagen erwähnt, die darauf hindeuten, dass Lisbeth in ihrer Kindheit Opfer des Missbrauchs durch die Behörden geworden ist.
Zusammen mit Mikael Blomkvist, der durch seine Story über die Verbindung der NSA-Führungsebene mit dem organisierten Verbrechen in Russland die „Millennium“-Zeitschrift wieder populär gemacht hat, versucht sie herauszufinden, welche Verbindung zwischen ihr und dem erfolgreichen Finanzanalysten Leo Mannheimer besteht. Das geplante freie Wochenende vor dem Druck der neuen „Millennium“-Ausgabe fällt für Blomkvist also aus, doch zwischen seinen nur langsam vorankommenden Nachforschungen findet er immerhin noch Zeit, sich mit seiner alten Geliebten Malin Frode zu treffen, die ebenso wie Mannheimer bei der Investmentgesellschaft von Alfred Ögren gearbeitet hatte und nun Pressesprecherin im Außenministerium ist.
„Er war hin- und hergerissen und wusste nicht, was er als Nächstes tun sollte. Lisbeth eine verschlüsselte Nachricht schicken? Ihr berichten, worauf er gestoßen war? Leo Mannheimer konfrontieren, um herauszufinden, ob er auf der richtigen Spur war?
Er trank noch einen Espresso und fühlte plötzlich, wie sehr er Malin vermisste. Wie eine Naturgewalt war sie in null Komma nichts in sein Leben gewirbelt.“ (S. 265) 
Mit seiner auch sehr erfolgreich verfilmten, posthum ab 2005 veröffentlichten „Millennium“-Trilogie hat der schwedische, 2004 an einem Herzinfarkt verstorbene Schriftsteller Stieg Larsson die skandinavische Krimi-Szene ordentlich aufgemischt. Dass von den immerhin zehn geplanten Bänden letztlich nur ein knappes Drittel erscheinen konnte, nahm sich David Lagercrantz der Herausforderung an, die „Millennium“-Reihe fortzusetzen. Zwar konnte der 2015 veröffentlichte vierte Band „Verschwörung“ kaum an das Niveau von Larssons packenden Erzählungen heranreichen, aber doch die dem Publikum ans Herz gewachsenen Figuren von Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist mit glaubwürdigem Leben erfüllen.
Im nunmehr fünften Band „Verfolgung“ verknüpft Lagercrantz wieder verschiedene Erzählstränge. Es geht um eine Jagdgesellschaft bei Alfred Ögren, bei der der Psychologe Carl Seger ums Leben gekommen ist, um die Trennung von eineiigen Zwillingen, die zu Forschungszwecken bei gänzlich verschiedenen Adoptiveltern aufwuchsen, um die Qualen, die Faria Kazi in ihrer Familie erleiden musste, weil sie sich mit einem Jungen verabredet hatte, und natürlich um Lisbeths Kindheit, deren Geheimnis nun aufgeklärt wird.
Zwar springt der Autor mit Rückblicken immer mal wieder anderthalb Jahre zurück und schlägt überhaupt recht viele Haken in seinem vielschichtigen Plot, doch bleibt die Spannung dabei stets auf einem hohen Niveau. Leider bleiben bei so vielen Erzählsträngen die Figuren etwas blass. Sowohl Lisbeth Salander als auch Mikael Blomkvist sind immer irgendwie beschäftigt, ihre emotionalen Tiefen werden dabei kaum ausgelotet. Dennoch bietet „Verfolgung“ packenden Thrill, der das „Millennium“-Erbe durchaus würdig fortführt. 
Leseprobe David Lagercrantz - "Verfolgung"

David Lagercrantz (nach Stieg Larsson) – (Millennium: 4) „Verschwörung“

Sonntag, 20. September 2015

(Heyne, 605 S., HC)
Als mit Frans Balder einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz in seiner Wohnung erschossen wird, kreuzen sich nach langer Zeit wieder die Wege von „Millennium“-Redakteur Mikael Blomkvist und der brillanten Hackerin Lisbeth Salander, denn unabhängig voneinander haben sie vor Balders Tod mit ihm zu tun gehabt. Der promovierte Wissenschaftler hatte erst vor kurzem seine Anstellung im Silicon Valley gekündigt und war nach Schweden zurückgekehrt, um seinen autistischen Sohn August zu sich zu holen. Während Salander vor einiger Zeit eine Hackerattacke auf die Forschungsergebnisse von Balder und seinem Team untersucht hatte, trat Balder direkt vor seinem Tod an Blomkvist heran, um ihm zu erzählen, warum er sich in Gefahr befand.
Der einst gefeierte Star des investigativen Journalismus, dessen Kollegen und Konkurrenten schon seinen Niedergang kommentierten, hatte gerade noch überlegt, ob er noch eine Zukunft bei „Millennium“ hat, nachdem die Investoren Serner und Levin entgegen ihres früheren Bekenntnisses nun doch Veränderungen an der Ausrichtung des Magazins in Gang setzen wollen, da wird er von seinem Assistenten Andrei Zander auf die Informatikprofessorin Farah Sharif angesetzt.
Von Balders ehemaligen Studienkollegin erfährt Blomkvist, dass Balder an einer Artificial General Intelligence gearbeitet hat, an Maschinen, die die gleiche Intelligenz wie ein Mensch besitzen, woraus schließlich eine Artificial Superintelligence entstehen wird, die den Menschen letztlich überflüssig zu machen droht. Salander fand vor zwei Jahren heraus, dass einer von Balders Mitarbeitern, die sich aus Sharifs Studenten zusammensetzten, der Dieb gewesen ist, der Balders Forschungsergebnisse an Solifon verkauft hatte, wo der Konkurrenzanalyst Zigmund „Zeke“ Eckerwald die Fäden zog.
Doch auch die NSA hatte dabei ihre Finger im Spiel. Sobald der NSA-Sicherheitsexperte Ed Needham die Identität von Wasp gelüftet hat, haben es Mikael und Lisbeth nicht nur mit den schwedischen Behörden zu tun, sondern auch mit finsteren Typen, die zwar Frans Balder ausschalteten, aber das Leben seines autistischen Sohnes verschont haben. Als Lisbeth den Jungen unter ihre Fittiche nimmt, kommt sie mit seiner mathematischen Begabung den Zusammenhängen zwischen Balders Forschungen, der dunklen Vergangenheit ihrer russischen Familie und der NSA auf die Spur …
„Mikael wusste besser als jeder andere, dass man auf alle möglichen Zusammenhänge stieß, wenn man nur tief genug wühlte. Das Leben hielt immer und überall merkwürdige Korrespondenzen bereit. Die Sache war nur … Wenn es um Lisbeth Salander ging, glaubte er nicht an Zufälle. Wenn sei einem Chirurgen die Finger brach oder sich im Zusammenhang mit einem Diebstahl bahnbrechender KI-Technologie engagierte, hatte sie nicht nur genau darüber nachgedacht. Sie hatte auch einen Grund, ein Motiv. Lisbeth vergaß kein Unrecht und keine Kränkung. Sie übte Vergeltung und sorgte für Gerechtigkeit. Ob ihr Engagement in dieser Geschichte etwas mit ihrem eigenen Hintergrund zu tun hatte? Undenkbar war es nicht.“ (S. 385) 
Als der schwedische Journalist und Schriftsteller Stieg Larsson 2004 an einem Herzinfarkt starb, waren gerade erst drei Manuskripte seiner auf zehn Bände angelegten „Millennium“-Reihe fertiggestellt, die ab 2005 posthum veröffentlicht wurden und sich sofort als internationale Bestseller entwickelten. Nun ist seinem Kollegen David Lagercrantz von Stieg Larssons Verlag und Familie angetragen worden, die auch erfolgreich verfilmte Reihe fortzuführen.
Lagercrantz meistert diese schwere Herausforderung erstaunlich souverän. Seine immerhin 600 Seiten umfassende Fortsetzung der mit „Verblendung“, „Verdammnis“ und „Vergeltung“ begonnenen Reihe erreicht zwar nicht ganz die epische Qualität von Larssons packenden Kriminalfällen, die gleichzeitig tief in die schwedische Geschichte hineinreichen, aber er versteht es, mit einer ähnlich schnörkellosen Sprache vor allem die ikonischen Figuren Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander wieder als äußerst charismatische Kämpfer für die Wahrheit und Gerechtigkeit auftreten zu lassen. Dabei verbindet er geschickt einen Mordfall mit spannenden Themen wie der Meinungsfreiheit in den Medien, der Überwachungskultur und fadenscheinigen Sicherheit im Internet und Industriespionage.
Wie sich Blomkvist und Salander durch kryptische Daten, verhängnisvolle Beziehungen und Missbrauchsfällen in Familien wühlen, ist ebenso berührend wie packend geschrieben und lässt nach einem versöhnlichen Finale auf weitere Abenteuer der beiden ambivalent angelegten Protagonisten hoffen.
Leseprobe David Lagercrantz - "Verschwörung"