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Dennis Lehane – (Kenzie & Gennaro: 5) „Kalt wie dein Herz“

Mittwoch, 25. Mai 2022

(Diogenes, 512 S., Pb.) 
Auch wenn Dennis Lehane hierzulande vor allem wegen seiner erfolgreich verfilmten Romane „Mystic River“ (Clint Eastwood, 2003), „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ (Ben Affleck, 2007) und „Shutter Island“ (Martin Scorsese, 2009) bekannt geworden ist, gingen seine Bücher in seiner US-amerikanischen Heimat schlagartig häufiger über den Ladentisch, als Bill Clinton dabei gesehen wurde, wie er beim Aussteigen aus der Air Force One Lehanes Roman „Prayers for Rain“ in der Hand hielt. Es war der bereits fünfte, 1999 veröffentlichte Roman in der Serie um die Privatermittler Patrick Kenzie und Angela Gennaro, der hierzulande erstmals im Jahr 2001 unter dem Titel „Regenzauber“ erschien und nun in neuer Übersetzung von Peter Torberg als „Kalt wie dein Herz“ im Diogenes Verlag vorliegt. 
Im Februar empfing Patrick Kenzie zusammen mit seinem Kumpel Bubba die Klientin Karen Nichols, die sich von einem Stalker namens Cody Falk belästigt fühlte. Kenzie und sein schlagkräftiger Kumpel statteten Falk, der bereits einige Anzeigen wegen Körperverletzung und Vergewaltigung auf seinem Konto aufwies, einen Besuch ab, der zur Folge haben sollte, dass Falk Karen Nichols in Ruhe ließ. Alles schien in Ordnung zu sein, doch nach ungefähr vier Wochen hinterließ Nichols eine Nachricht auf Kenzies Anrufbeantworter, auf die sich der Privatermittler nicht zurückmeldete, weil er mit seiner gerade angesagten Liebschaft, der Rechtsanwältin Vanessa Moore, auf die Bahamas fliegen wollte. Monate später erfährt Kenzie aus dem Radio, dass seine frühere Klientin nackt von der Aussichtsplattform des Costum House in den Tod gesprungen ist. 
Als sich Kenzie vor allem aus Schuldbewusstsein mit den näheren Umständen von Nichols’ Tod befasst, stößt er auf die Nachricht, dass ihr Freund David Wetterau in der Rushhour bei Rot über eine Straße ging, stolperte und von einem Auto so unglücklich erfasst wurde, dass er seitdem im Koma liegt. Karen Nichols fiel anschließend in ein tiefes seelisches Loch, verlor erst ihre Arbeit, dann ihr Auto und schließlich auch ihre Wohnung, danach schien sie wie vom Erdboden verschluckt, mietete sich ein Motelzimmer und verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Prostituierte. 
Für weitere Ermittlungen schließt sich Kenzie mit seiner alten Partnerin und Lebensgefährtin Angie Gennaro zusammen, die nach dem letzten desaströs verlaufenden Fall aus Kenzies Wohnung und Leben verschwunden ist, aber offenbar hängen die beiden noch sehr aneinander. Als sie Nichols‘ Mutter Carrie und Stiefvater Christopher Dawe aufsuchen, entfaltet sich allmählich das ganze Ausmaß der Tragödie, die mit einem Kindestausch begann und über den Tod von Karens Schwester über Erpressung führte. Dabei scheint auch Nichols‘ Psychiaterin Dr. Diane Bourne nicht ganz unschuldig gewesen zu sein, die nicht nur Beziehungen zu ihren Patienten und ihrem Sekretär Miles Lovell unterhielt, sondern auch vertrauliche Informationen durchsickern ließ. Schließlich stoßen Kenzie und Gennaro auf einen Psychopathen, der vor wirklich nichts zurückschreckt, um die Dawe-Familie zu vernichten. 
„Ich wusste nicht viel über ihn – wusste nicht, wie er hieß oder wie er aussah -, aber so langsam bekam ich ein Gespür für ihn. Es handelte sich, da war ich mir sicher, um den Mann, den Warren Martens im Motel gesehen und als denjenigen beschrieben hatte, der die Fäden in der Hand hielt. Er hatte Karen Nichols vernichtet, und nun hatte er Miles Lovell vernichtet. Seine Opfer einfach nur umzubringen schien ihn zu langweilen – stattdessen zog er es vor, sie in einem Zustand zurückzulassen, in dem sie sich selber wünschten, tot zu sein.“ (S. 249) 
Lehanes 1994 begonnene und sechs Bände umfassende Reihe um Kenzie und Gennaro zählt zu den besten Krimi-Serien überhaupt. Mit „Gone Baby Gone“ wurde der vierte und damit der „Kalt wie dein Herz“ direkt vorangegangene Roman von Ben Affleck mit Casey Affleck und Michelle Monaghan in den Hauptrollen auch erfolgreich verfilmt. An diese Qualität knüpft „Kalt wie dein Herz“ nahtlos an. Der Thriller thematisiert nicht nur die berufliche und vor allem private Annäherung der langjährigen Partner Kenzie und Gennaro, sondern auch einen besonders komplizierten Fall, in dem nicht nur munter mit falschen Identitäten gespielt wird, sondern Lügen, Mord, Entführung, Erpressung und Folter die Aufklärung des Falles in die Länge ziehen. 
Wie das aus Kenzie, Gennaro und dem skrupellosen Kriegsveteran Bubba Rogowski bestehende Trio die komplexen Zusammenhänge um Karen Nichols‘ Tod aufdröselt und den psychopathischen Täter systematisch in die Enge treibt, ist nicht nur packend mit sehr lebendigen Charakteren geschrieben, sondern auch mit der richtigen Portion Humor gewürzt. Das ist auch Peter Torbergs gelungener Neuübersetzung zu verdanken, der „Kalt wie dein Herz“ wie im Rausch durchlesen lässt. Besser kann Kriminalliteratur nicht sein! 

Dennis Lehane – (Kenzie & Gennaro: 4) „Gone Baby Gone“

Samstag, 2. Mai 2020

(Diogenes, 572 S., Pb.)
Lionel und Beatrice McCready suchen das in Boston lebende und wirkende Liebes- und Detektivpaar Patrick Kenzie und Angelo Gennaro auf, um sie für die Suche nach der vierjährigen Amanda zu engagieren, die vor drei Tagen aus dem Haus von Lionels drogensüchtiger Schwester Helene entführt worden ist, während die Mutter des Kindes mit ihrer Freundin Dottie in eine Bar ging. Seitdem hat Helene einen Lügendetektortest erfolgreich bestanden, der Vater verfügt als Soldat in Deutschland über ein Alibi, von den Entführern fehlt nach wie vor jede Spur.
Obwohl das Ermittler-Duo kaum Chancen sieht, mehr zu erreichen als die unzähligen Cops, die sich auf die Suche nach Amanda gemacht haben, nehmen sie den Fall an und schließen sich zunächst mit Lieutenant Jack Doyle kurz, der in Boston die Einheit Crimes Against Children (CAC) auf die Beine gestellt hat. Zusammen mit den Detective Sergeant Nick „Poole“ Raftopoulos und Detective Remy Broussard suchen sie zunächst den dreimal verurteilten und untergetauchten Kinderschänder Leon Trett und seine Frau Roberta, doch die nützlichste Spur führt zum inhaftierten Drogenhändler Cheese Olamon, für den Helene immer wieder mal eine Kurierfahrt unternimmt.
Vor kurzem hat Cheese eine Lieferung an eine Gruppe von Bikern losgeschickt, doch sind bei der Razzia nur die Drogen, nicht aber das Geld sichergestellt worden. Nun wollen die Entführer die zweihunderttausend Dollar aus dem Drogendeal in den schwer zugänglichen Steinbrüchen gegen Amanda eintauschen. Doch die Operation, bei der das FBI außen vor bleibt, geht fürchterlich schief, Amanda bleibt verschwunden. Mittlerweile steht auch ihrer Mutter der Schmerz über ihr eigenes Verhalten ins Gesicht geschrieben.
„Sie war nicht dumm, sie war betäubt – die Welt im Ganzen, die Gefahr, der ihr Kind ausgesetzt war, die Glasscherben, die sich in ihr Fleisch, in ihre Sehnen und Arterien bohrten -, nichts davon drang zu ihr durch.
Doch der Schmerz bahnte sich einen Weg. Endlich. Sie sah mich an, ihre Augen wurden heller, die Pupillen weiteten sich, und der Schmerz stand in ihnen. Eine entsetzliche Erkenntnis, eine Kernschmelze an Hellsichtigkeit, die dort zu sehen war, und damit einhergehend das Bewusstsein, was ihre Gleichgültigkeit für ihre Tochter bedeutete.“ (S. 340) 
Zwar stellt Helene weiterhin keine große Hilfe bei den Ermittlungen dar, doch dafür wird Patrick Kenzie bei einem Saufgelage mit Broussard schlagartig klar, wer wirklich hinter der Entführung der kleinen Amanda steckt. Für die beiden Privatermittler wird die Suche nach den Entführern schließlch auch zu einer ganz persönlichen Belastungsprobe …
Auch wenn Dennis Lehane vor allem durch seinen Roman „Spur der Wölfe“ berühmt geworden ist, den Clint Eastwood 2003 unter dem Titel „Mystic River“ verfilmt hat, erregte bereits seine 1994 initiierte, bislang sechs Romane umfassende Reihe um die Privatdetektive Patrick Kenzie und Angela Gennaro Aufmerksamkeit, als der damalige US-Präsident Bill Clinton beim Aussteigen aus der Air Force One den fünften Roman der Reihe, „Prayers For Rain“, in der Hand hielt.
Mit „Gone Baby Gone“ legte Lehane 1998 den wohl verstörendsten Titel der Reihe vor, denn wie sein späterer Bestseller „Mystic River“ reizt er das Thema Kindesentführung und -missbrauch bis zum schmerzlichen Exzess aus. Die beunruhigende Tatsache, dass in den USA tagtäglich 2300 Kinder vermisst gemeldet werden, bricht Lehane auf eine sehr persönliche Geschichte herunter, die deshalb zu tief berührt, weil die Grenzen zwischen Recht und Gerechtigkeit immer wieder verschwimmen. Dabei wird die Mutter der entführten Amanda als egoistisches, selbstmitleidiges Miststück charakterisiert, die völlig ungeeignet erscheint, ein Kind aufzuziehen.
Dagegen sind Gut und Böse in den Reihen der Gangster und Cops nicht so einfach auszumachen. „Gone Baby Gone“ präsentiert sich sowohl in stimmungsvoller als auch psychologischer Hinsicht als vielschichtiges Psycho-Thriller-Drama, in dem sich humorvolle, erotische, brutale und deprimierende Töne im Minutentakt abwechseln und der Plot dabei mit überraschenden Wendungen bis zum denkwürdigen und diskussionsanregenden Schluss aufwartet.
Hollywood-Schauspieler Ben Affleck feierte 2007 mit der Verfilmung von „Gone Baby Gone“ sein erfolgreiches Regiedebüt.
Leseprobe Dennis Lehane - "Gone Baby Gone"

Dennis Lehane – (Kenzie & Gennaro: 3) „Alles, was heilig ist“

Dienstag, 5. März 2019

(Diogenes, 425 S., Pb.)
Nach ihrem letzten Fall, bei dem unter anderem Angies Ex-Mann Phil ums Leben kam, haben Patrick Kenzie und seine Partnerin Angie Gennaro ihre Detektei geschlossen und würden bald auf dem Trockenen sitzen. Doch gerade als ihr Handyman Bubba Rogowski eine einjährige Haftstrafe antreten muss, werden sie durch den schwerkranken Milliardär Trevor Stone entführt und mit einem Startkapital von 50.000 Dollar ausgestattet, um sich auf die Suche nach seiner Tochter Desiree zu machen.
Seit ihrer Mutter bei einem missglückten Carjacking-Manöver ums Leben kam, das Trevor knapp überlebt hat, ist sie spurlos verschwunden. Selbst Patricks alter Mentor bei Hamlyn & Kohl, Jay Becker, hat Desiree nicht finden können und wird nun selbst vermisst. Mittlerweile hat Hamlyn & Kohl ihren Mandanten fallengelassen, weshalb Kenzie & Gennaro auf einmal wieder im Geschäft sind. Als sie sich Jays Berichte zu seiner Suche vornehmen, stoßen sie auf die mysteriöse Organisation „Trauer & Trost“, bei der jedoch nicht nur Hilfestellung zur Trauerbewältigung geleistet wird, sondern auch Rekrutierungsarbeit für die sektenähnliche Kirche der Wahrheit und Offenbarung.
Als sich Patrick in diese Organisation als Hilfesuchender einschleust, werden ihm und Angie zunehmend bewusst, dass ihr Auftraggeber mit falschen Karten spielt. Und je tiefer sich die beiden Detektive in den Fall hineinarbeiten, umso mehr werden sie mit Lügen, Mord und raffinierten Täuschungsmanövern konfrontiert, bis sie überhaupt niemanden mehr glauben können …
„Vielleicht hatte Everett Hamlyn recht gehabt. Vielleicht war die Ehre kurz davor auszusterben. Vielleicht war es mit ihr schon immer bergab gegangen. Oder, noch schlimmer, sie war sowieso nur eine Illusion.
Alle sind verdächtig. Alle sind verdächtig. So langsam wurde das zu meinem Mantra.“ (S. 248) 
Bevor Dennis Lehane mit seinen verfilmten Romanen „Mystic River“ und „Shutter Island“ zu einem internationalen Bestseller-Autor avancierte und noch die Vorlagen zu den Filmen „Live by Night“ und „The Drop – Bargeld“ und Drehbücher zu den preisgekrönten Fernsehserien „The Wire“, „Boardwalk Empire“ und „Mr. Mercedes“ schrieb, hatte er Mitte der 1990er Jahre mit einer Reihe um die beiden Detektive Kenzie & Gennaro seine ersten Erfolge feiern können. Nachdem Diogenes bereits die ersten beiden Bände mit neuen Titeln („Ein letzter Drink“ und „Dunkelheit, nimm meine Hand“) und in neuer Übersetzung veröffentlichte, erscheint nun in ebenfalls überarbeiteter Fassung mit „Alles, was heilig ist“ der dritte von insgesamt sechs Bänden.
Es ist eine wunderschön verschachtelte, komplexe Detektivgeschichte, bei der sich die beiden sympathischen Protagonisten in einer geschickt konstruierten Lügenwelt zurechtfinden und letztlich abwägen müssen, wem sie überhaupt noch Glauben schenken können. Der Plot ist raffiniert konstruiert, die Ermittlungsarbeit von Kenzie & Gennaro mit humorvollen Dialogen und nicht zuletzt amourösen Episoden garniert, denn nach siebzehn Jahren finden die beiden Detektive auch im Bett wieder zueinander. Wortwitz, Tempo und Spannung halten sich in „Alles, was heilig ist“ auf gleichbleibend hohem Niveau, so dass sich das Warten auf die drei noch verbleibenden Abenteuer von Kenzie & Gennaro auf jeden Fall lohnt.
Leseprobe Dennis Lehane - "Alles, was heilig ist"

Dennis Lehane – (Kenzie & Gennaro: 2) „Dunkelheit, nimm meine Hand“

Dienstag, 11. Juli 2017

(Diogenes, 511 S., Pb.)
Kaum haben Angie Gennaro & Patrick Kenzie einen spektakulären Fall zu den Akten gelegt, erhalten sie einen Anruf von Eric Gault, der an der Bryce University Kriminologie unterrichtet und bei dem Kenzie damals an der University of Massachusetts ein paar Kurse belegt hatte. Erics Freundin, die renommierte Bostoner Psychologin Diandra Warren, will das Ermittler-Duo engagieren, weil sie vor einiger Zeit Besuch von einer jungen Frau bekam, die sich als Moira Kenzie und Freundin von Kevin Hurlihy vorstellte, der sie allerdings zu bedrohen schien und vor drei Wochen auch Diandra anrief, um ihr Angst einzujagen.
Gestern erhielt sie dann einen Brief mit dem Foto ihres Sohnes Jason. Kennzie und Gennaro willigen ein, Jason für einige Zeit zu beschatten, und ermitteln im Dunstkreis von Fat Freddy Constantine, dem Paten der Bostoner Mafia. Als mit Kara Rider eine alte Bekannte von Kenzie verstümmelt und gekreuzigt aufgefunden wird, führt die Spur zu einem Serienkiller, der allerdings seit Jahren im Gefängnis sitzt.
Je mehr Gennaro & Kenzie mit ihrem Aufpasser Bubba im Dreck wühlen, umso mehr häufen sich die bestialischen Morde, und Kenzie selbst gerät ins Visier des skrupellosen Killers, der in den Briefen, die er an den Ermittler adressiert hat, seine kranke Psyche offenbart.
„Ein ganz normaler Mensch, der jeden Morgen aufsteht, zur Arbeit geht und sich im Grunde für einen guten Kerl hält, hat mehr als genug Böses in sich. Vielleicht betrügt er seine Frau, vielleicht behandelt er seine Kollegen schäbig, vielleicht glaubt er insgeheim, dass es den einen oder anderen Menschenschlag gibt, der ihm unterlegen ist.
Meistens muss er sich damit nicht auseinandersetzen, dafür sorgt schon unsere Fähigkeit, uns vor uns selbst zu rechtfertigen (…)
Doch der Mann, der diesen Brief geschrieben hatte, hatte sich dem Bösen hingegeben. Er ergötzte sich am Leid anderer. Er versuchte nicht, Herr über seinen Hass zu werden. Er schwelgte darin.“ (S. 345f.) 
Bevor Dennis Lehane zu Beginn der 2000er Jahre mit seinen (erfolgreich von Clint Eastwood und Martin Scorsese verfilmten) Romanen „Mystic River“ und „Shutter Island“ zum internationalen Bestseller-Autoren avancierte, veröffentlichte er eine Reihe von fünf Romanen um die beiden Bostoner Ermittler Kenzie & Gennaro (2010 folgte mit „Moonlight Mile“ ein sechster und der bislang letzte Band der Reihe), die glücklicherweise nach und nach durch den Schweizer Diogenes-Verlag in neuer Übersetzung wiederveröffentlicht werden.
In „Dunkelheit, nimm meine Hand“ hat es das sympathische Duo, das sich auch persönlich sehr nahesteht, mit einer Reihe von besonders grausamen Morden zu tun, bei denen auch das FBI nicht recht weiterkommt. Lehane arbeitet nicht nur den Plot sehr detailliert aus, sondern taucht vor allem auch tief in das Leben und die Vergangenheit des Ich-Erzählers Patrick Kenzie ein, in die Beziehungen zu seinem Vater, zu seiner Kollegin und Freundin Angie Gennaro und schließlich zu seiner aktuellen Lebensgefährtin Grace und deren Tochter Mae.
Am Ende des packenden Thriller-Dramas, das auf komplexe Weise Polizei-Korruption, Mafia-Verbrechen und persönliche Schicksale miteinander verknüpft, haben sich dunkle Geheimnisse ans Tageslicht begeben, sind Überzeugungen verloren gegangen und Menschen und ihre Beziehungen zueinander nicht mehr so, wie sie vorher waren. Und Dennis Lehane ist fraglos ein Meister darin, die Gründe für diese tiefgreifenden Veränderungen glaubwürdig zu inszenieren. Auf die nächsten – neu übersetzten - Fälle von Kenzie & Gennaro darf sich der Krimi-Freund mehr als freuen! 
Leseprobe Dennis Lehane - "Dunkelheit, nimm meine Hand"

Dennis Lehane – (Kenzie & Gennaro: 1) „Ein letzter Drink“

Sonntag, 28. August 2016

(Diogenes, 354 S., Pb.)
Patrick Kenzie und Angie Gennaro sind seit Kindesbeinen miteinander befreundet und unterhalten gemeinsam die Detektei Kenzie & Gennaro in Bostons Viertel Dorchester. Als Kenzie ins Ritz-Carlton zu einem Gespräch mit dem Abgeordneten Jim Vurnan, Senator Sterling Mulkern und Senator Brian Paulson gebeten wird, bekommt er den Auftrag, die schwarze 41-jährige Jenna Angeline aufzufinden, eine Angestellte des Bundesparlaments, die seit neun Tagen vermisst wird. Mit ihr sind allerdings auch streng vertrauliche Dokumente verschwunden, die offensichtlich in Zusammenhang mit dem Gesetz gegen Straßenterrorismus stehen, das demnächst im Senat verabschiedet werden soll.
Kenzie und Gennaro finden die Frau tatsächlich bei ihrer Schwester und bekommen von ihr ein Foto zu sehen, auf dem Senator Paulson einen schwarzen Jungen missbraucht. Und schon befinden sich die beiden Privatermittler in einem Kreuzfeuer wieder, das die beiden erbittert verfeindeten Gangs entfachen, die von Socia auf der einen Seite und seinem Sohn Roland auf der anderen Seite angeführt werden. Denn auch die beiden Bandenführer sind in diesen Skandal involviert, der nicht nur in Politikerkreisen hohe Wellen schlagen dürfte, sollte er an die Öffentlichkeit kommen …
„Jenna Angeline war ein Wrack. Sie war verängstigt und erschöpft und wütend, und sie heulte die Welt an wie ein Wolf. Aber anders als die meisten Menschen in ihrer Lage war sie gefährlich, weil sie etwas besaß, das ihr ein Stück von dem verschaffen sollte, was ihr diese Welt bislang vorenthalten hatte. Aber so funktioniert die Welt normalerweise nicht, und Menschen wie Jenna sind Zeitbomben. Sie reißen vielleicht ein paar Menschen mit in den Tod, aber bei dem Inferno gehen sie auf jeden Fall selbst mit drauf.“ (S. 97) 
Als der in Dorchester, Boston, geborene Dennis Lehane 1994 seinen Debütroman „A Drink Before the War“ veröffentlichte, wurde er nicht nur gleich mit dem Shamus Award für den besten Erstlings-Roman ausgezeichnet, sondern startete damit auch eine Serie von bislang sechs Romanen um das charismatische Detektiv-Duo Kenzie & Gennaro.
Der Diogenes-Verlag, der bereits Lehanes Bestseller „Shutter Island“ und „Mystic River“ in neuer Übersetzung und dann auch die nach dem Epos „Im Aufruhr jener Tage“ folgenden Werke als deutsche Erstveröffentlichung herausgebracht hat, macht sich nun daran, mit den zuvor bei Ullstein erschienenen Romane um Kenzie & Gennaro nachzulegen.
Lehane begibt sich mit seinem Debüt auf die Spuren der klassischen Schwarzen Serie, wie sie beispielsweise Humphrey Bogart unvergesslich als Sam Spade verkörpert hat. Lehanes Ermittler, die weit mehr als nur eine freundschaftliche Arbeitsbeziehung miteinander unterhalten, geraten gleich in ihrem ersten Abenteuer in eine von Straßengewalt, Rassismus und Korruption geprägte Welt, der sie auch nur mit Gewalt begegnen können, um nicht selbst unter die Räder zu kommen. Dabei versteht es der Autor, in seinem Debüt vor allem das düstere Lokalkolorit seiner Bostoner Heimat einzufangen und sie gleichermaßen auf seine Figuren zu übertragen. Diese hätten durchaus noch etwas mehr Profil erhalten können, aber davon abgesehen bietet „Ein letzter Drink“ packende Krimi-Unterhaltung, auf deren Fortsetzung bei Diogenes sich Lehane-Fans hoffentlich in den nächsten Jahren noch erfreuen dürfen.
 Leseprobe Dennis Lehane - "Ein letzter Drink"