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Ray Bradbury - „Bringen wir Constance um!“ + „Schneller als das Auge“

Dienstag, 19. Januar 2010

Ray Bradbury, der große Fabuliermeister der amerikanischen Literatur, der für verfilmte Meisterwerke wie „Der illustrierte Mann“, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“, „Die Mars-Chroniken“ und natürlich „Fahrenheit 451“ verantwortlich ist, hat sich mal wieder dem Krimi-Genre zugewandt. Ein namenloser Schriftsteller hat im kalifornischen Venice das Strandhaus seiner Freundin, der alternden Schauspielerin Constance Rattigan, aufgesucht, um dort seinen Roman zu beenden.
In einer stürmisch-verregneten Nacht des Jahres 1960 steht plötzlich seine Freundin vor der Tür und erzählt völlig aufgelöst, dass sie vom Tod verfolgt worden sei, und holt ein Telefonbuch von Los Angeles aus dem Jahre 1900 aus ihrer Handtasche. Für die Rattigan ist es ein Totenbuch, denn kaum ein Name dürfte noch unter den Lebenden weilen. Ein zweites Telefonbuch fand sie zuhause nach einem Spaziergang, ein sehr persönliches, das sie vor Jahren den Hollywood Helpers überlassen hatte, und nun sind die noch lebenden Personen in dem Buch mit roten Kreuzen versehen, zum Sterben auserkoren. Zusammen mit seinem Freund Crumley, seinem persönlichen Dr. Watson, macht sich der Schriftsteller auf die Suche nach den markierten Personen. Schon der erste Besuch unter dem Eintrag „Rattigan, Kathedrale St. Vibiana“ birgt eine Überraschung, der etliche weitere folgen sollen. Es sind dabei nicht nur Leichen, die den Weg der beiden Ermittler kreuzen. Sie – und der Leser – erhalten auch einen Blick in die goldene Ära Hollywoods mit all den exzentrischen Persönlichkeiten, die nicht alle den Ruhm geerntet haben, nach dem sie strebten. Gefühlvoll und atmosphärisch dicht geschrieben, fesselt die Geschichte von Anfang bis Ende und beweist, dass Bradbury auch mit über 80 Jahren noch ein wunderbarer Erzähler ist.
(Edition Phantasia, 204 S., Pb.)
Das beweist er auch mit den 21 erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Storys, die Ende der 90er entstanden und in dem Band „Schneller als das Auge“ versammelt worden sind. In der eröffnenden Titelgeschichte verfolgt ein Zuschauer gespannt, wie ein ihm überraschend ähnlicher Mann auf der Bühne bei einer Zaubervorführung ausgenommen wird, in „Sanfte Morde“ versucht ein altes Ehepaar, sich gegenseitig ins Jenseits zu befördern, „Ein schöner Schlamassel“ lässt noch einmal die goldene Ära Hollywoods aufleben, „Dorian in Excelsis“ dagegen die unsterbliche Magie großer Schriftsteller. Man kommt aus dem Staunen kaum noch heraus, wenn man sich erst einmal der unerschöpflichen Fantasie dieses großartigen Autors hingibt! (Diogenes, 320 S., HC)

Philippe Djian - „Sirenen“

Sonntag, 6. September 2009

(Diogenes, 448 S., HC)
Nathan hat es wirklich nicht leicht im Leben. Der unorthodox arbeitende Kriminal-Polizist folgt stets seinem in die Irre führenden Instinkt und gerät dabei immer wieder in Teufels Küche. Als er den Tod von Jennifer Brennen, der Tochter des mächtigen Sportbekleidungsherstellers Paul Brennen, untersuchen muss, ist es mal wieder soweit, da er fest davon überzeugt ist, dass der Big Boss seine prostituierende Tochter umbringen ließ. Seine neunzig Kilo auf die Waage bringende Partnerin Marie-Jo geht dagegen ihren eigenen Spuren nach, die ihr Mann Franck ihr besorgt hat.
Natürlich kommt Marie-Jo der Auflösung des Falls näher als Nathan, doch mehr als der zu lösende Kriminalfall interessieren bei Djian natürlich die komplizierten persönlichen Verflechtungen. Marie-Jo, noch immer geschockt von der Erkenntnis, dass ihr Mann, der übrigens ein gefeierter Schriftsteller ist, jungen Männern einen bläst, lässt es sich täglich an den unmöglichsten Orten von Nathan und gelegentlich auch von Ramon, dem jungen Nachbarn mit dem krummen Pimmel, besorgen, während Nathan gleich drei Frauen unter einen Hut zu bringen hat: seine aktivistische Ex-Frau Chris, die jetzt mit dem gut gebauten Dozenten Wolf eine Affäre begonnen hat und mit ihm eine neue Demo organisiert und für die er immer noch leidenschaftliche Gefühle empfindet, seine Polizei-Partnerin Marie-Jo, die extrem eifersüchtig auf alle Frauen in Nathans Umfeld reagiert, und das Super-Model Paula, das Nathan zu Füßen liegt, mit ihm sogar in einem Bett schläft, die Nathan aber absolut nicht zu vögeln gedenkt. Vor dem nicht immer ganz leicht zu durchschauenden Konstrukt eines Kriminalfalls entwickelt Djian wie gewohnt verfängliche und amüsante Episoden um das prickelnde Thema von Lust, Liebe und Leidenschaft, doch waren seine Dialoge schon mal spritziger und seine Geschichten witziger.

Philippe Djian - „Reibereien“

(Diogenes, 234 S., HC)
Pünktlich zum DVD-Release des dreistündigen Director’s Cut von „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“, der kongenialen Verfilmung von Djians längst zum modernen Klassiker avancierten Debütroman, beglückt uns der französische Bestsellerautor mit einem neuen Buch. Darin entfaltet er lose zusammenhängend in fünf Episoden die schwierige Beziehung eines Mannes zu seiner alkoholkranken Mutter, der er bereits im Alter von elf Jahren eine Stütze im Leben sein muss, da sein rastloser Vater nur sporadisch eine Rolle im Leben der beiden spielt.
Der Junge muss ihr versprechen, sie nie zu verlassen, und damit scheint der Pakt für ihr beider Leben besiegelt. Elf Jahre später ist der Junge ausgezogen, in eine 500 Meter entfernte Wohnung, seine 42-jährige Mutter unterhält recht lockere Männergeschichten. Später hält sich der Sohn gut mit einem Kleinverlag für feministische Literatur und einen anhängenden Buchladen über Wasser, Frauen kommen und gehen, seine Mutter lässt sich mit Vincent endlich auf eine feste Beziehung ein, doch macht der arbeitslose Knastbruder ihr bald das Leben zur Hölle. Doch irgendwie meistern Sohn wie Mutter die großen und kleinen Hürden des Lebens, und darin ist Djian bekanntermaßen ein Meister: wie er mit sympathischen Tönen und leichter Melancholie menschliche Schwächen und Leidenschaften beschreibt, zeugt schon von literarischer Größe, psychologischem Feingefühl und genauer Beobachtungsgabe.

Jason Starr- „Hard Feelings“

Samstag, 5. September 2009

(Diogenes, 298 S., Tb.)
Bereits mit seinen bisherigen Romanen „Top Job“, „Die letzte Wette“ und „Ein wirklich netter Typ“ hat der amerikanische Emporkömmling Jason Starr auf unterhaltsame wie treffsichere Weise die Krise des modernen Menschen beschrieben, sich erfolgreich in einer auf Anerkennung und Wohlstand ausgerichteten Gesellschaft zu behaupten und einen Lebenssinn jenseits des Profitstrebens zu finden.
Auch sein neues Werk greift dieses mehr denn je aktuelle Thema wieder auf und spinnt eine interessante Kriminalgeschichte drum herum. Der vierunddreißigjährige New Yorker Richard Segal wartet seit Monaten auf seinen ersten Vertragsabschluss bei seiner neuen Computer-Netzwerk-Firma. Seine Frau Paula wurde dagegen gerade zur Vizepräsidentin ihrer Abteilung befördert. Zudem kriselt es mächtig in ihrer Ehe, worauf Richard wieder zu trinken anfängt. Ein Wochenendurlaub in den Berkshires verschlimmert die Situation eher, da seine Frau mit einem Großkotz zu flirten anfängt. So richtig aus dem Gleichgewicht kommt der erfolglose Verkäufer allerdings, als er eines Tages zufällig seinen Jugendfreund Michael Riddick auf der Straße trifft, mit dem er in Brooklyn zusammen aufgewachsen war und oft Tischtennis mit ihm im Keller gespielt hat. Von nun an wird Richard immer häufiger von Flashbacks geplagt, die nach und nach ein dunkles Geheimnis ans Licht bringen. Spannender wie realistischer und kurzweiliger Krimi mit hohem Unterhaltungswert.

Leon de Winter - „Malibu“

(Diogenes, 418 S.,)
Joop Koopman, 47-jähriger Niederländer, hat es in L.A. zu einem mäßig anerkannten Drehbuchautor gebracht. Während seine geschiedene Frau Ellen in ihrer niederländischen Heimat erfolgreich als Art Director tätig ist, lebt er allein mit seiner Tochter Mirjam zusammen, die am 22. Dezember ihren 17. Geburtstag feiert. An diesem Tag trifft er seinen alten Schulfreund Philip wieder, der ihn für den israelischen Geheimdienst gewinnen will, um einen mutmaßlichen marokkanischen Terroristen zu bespitzeln.
Während des Gesprächs erfährt Joop, dass seine Tochter tödlich verunglückt ist. Für ihn bricht eine Welt zusammen. Wenig später wird Joop von Erroll aufgesucht, einem riesigen Schwarzen, der Mirjam auf seinem Motorrad hatte, als der tödliche Unfall passierte. Zwischen den beiden Männern entsteht eine innige, wenn auch nicht unkomplizierte Freundschaft. Dann wird es turbulent: Joop nimmt den Agenten-Auftrag an, findet den Marokkaner aber sehr nett, der ihm sogar hilft, die Person aufzuspüren, die Mirjams Herz transplantiert bekam. Er trifft seine erste Liebe Linda wieder, mit der er wieder eine leidenschaftliche Affäre beginnt und die ihn in die Geheimnisse der buddhistischen Weltsicht einzuweihen versucht... De Winter gelang mit „Malibu“ ein höchst unterhaltsamer, vergnüglicher, mit metaphysischen Spekulationen und allerlei anregenden Erzählstrukturen gespickter Roman, der viele Überraschungen zu bieten hat.

Paulo Coelho - „Der Dämon und Fräulein Prym“

Dienstag, 5. Mai 2009

(Diogenes, 208 S., HC)
Als Abschluss seiner Trilogie über Liebe, Tod und Macht, die mit „Am Ufer des Rio Piedra saß ich und weinte“ begann und mit „Veronika beschließt zu sterben“ fortgesetzt wurde, hat der südamerikanische Schriftsteller Paulo Coelho mit „Der Dämon und Fräulein Prym“ eine weitere Parabel über eine der großen Antriebskräfte des menschlichen Lebens geschrieben.
Eines Tages wird das in den Pyrenäen gelegene Dorf Bescos von einem geheimnisvollen Fremden heimgesucht, der in der jungen Barbedienung Chantal eine Unterstützung bei seinem Unternehmen sucht, herauszufinden, ob die Menschen eigentlich gut oder böse sind. Mit den elf Goldbarren, die der Fremde im Beisein der jungen Frau im Wald vergräbt, wären die 281 Dorfbewohner alle ihre Sorgen los und könnten ein neues Leben beginnen. Doch sind sie auch, wie es der Handel vorsieht, bereit, dafür einen Menschen umzubringen? Coelho versteht es in seiner neuen Fabel einmal mehr hervorragend, die Tugenden und Schwächen der menschlichen Seele unter außergewöhnlichen Bedingungen auf die Probe zu stellen und den Leser zutiefst nachdenklich zu stimmen.

Paulo Coelho - „Elf Minuten“

(Diogenes, 288 S., HC)
Die junge brasilianische Stoffverkäuferin Maria, deren Herz nach den ersten unglücklichen Verliebtheiten seit ihrem elften Lebensjahr gebrochen ist, träumt von einem anderen Leben, von Erfolg und Wohlstand und einem Mann, mit dem sie zusammen mit ihren beiden Kindern in einem Haus am Meer wohnt. Als sie das Angebot bekommt, in Genf in einem Nachtclub zu arbeiten, ergreift sie die Gelegenheit und sieht ihre Träume schon bald in Erfüllung gehen. Tatsächlich übt Maria den Job im „Copacabana“ ohne jede Scham bald sehr schnell professionell aus und erntet den Neid ihrer Kolleginnen, empfindet aber selbst nicht die geringste Lust dabei. Als sie vor einem Café von dem bekannten Maler Ralf Hart angesprochen wird, der in ihr ein „Licht“ sieht und sie unbedingt portraitieren möchte, verliert sie schließlich doch ihr Herz – ausgerechnet an einen Mann, der überhaupt kein Interesse am Sex zu haben scheint.
Und dann ist da noch ein englischer Plattenboss, der Maria in die Geheimnisse von Lust und Schmerz einführt. Irritiert davon, wie sie dabei das erste Mal wirklich von einem Mann befriedigt wird, lernt sie dabei die profunden Geheimnisse der Alchemie der Liebe. Einmal mehr versteht es der brasilianische Bestsellerautor, eine märchenhafte Geschichte voller Gleichnisse und elementarer Lebensweisheiten zu erzählen, um nicht nur das Herz des Lesers zu berühren, sondern ihm auch einen wirkungsvollen Spiegel seiner eigenen Ängste und Sehnsüchte vorzuhalten.

Paulo Coelho - „Der Zahir“

(Diogenes, 342 S., HC)
Was die Romane und Geschichten des brasilianischen Schriftstellers Paulo Coelho stets ausgezeichnet und berühmt gemacht hat, ist Coelhos Fähigkeit, die spirituellen Erlebnisse seines eigenen Lebens auf gleichnishafte und doch konkrete Weise so zu beschreiben, dass der Leser stets sein eigenes Leben, sein Verhältnis zu Glück und Liebe und Zufriedenheit und Sex und Geld und Macht in Frage stellt. Coelho wirkt wie der letzte Überlebende einer nahezu ausgestorbenen Tradition von Übermittlung wesentlicher Erkenntnisse, so wie es die Druiden und Schamanen früher in ihren Erzählungen und Ritualen von Generation zu Generation weitergegeben haben.
Mit „Der Zahir“ setzt der Bestseller-Autor diese schöne Tradition eindrucksvoll fort. Basierend auf der islamischen Vorstellung, dass ein Zahir etwas ist, das – sind wir ihm erst einmal begegnet – unsere Gedanken vollkommen ausfüllt und nicht mehr loslässt. Die dreißigjährige Kriegsreporterin Esther verlässt den Ich-Erzähler, einen erfolgreichen Schriftsteller, der sich fragt, wie es soweit kommen konnte. Auf der Suche nach ihr begegnet er Mikhail, der Esther in Kasachstan kennen und lieben lernte und den verzweifelten Schriftsteller in ein armenisches Restaurant führt, in dem die Leute ihre eigenen Geschichten von Liebe und Nicht-Liebe erzählen. Sie folgen damit der Tradition der Akyn, die als Nomaden in Kasachstan ihre erinnerten Geschichten weitergeben, Geschichten von Menschen, die die Welt durchwandern, die Steppe betrachten und sich von der Energie der Liebe berühren lassen. Diesen Weg geht auch der Schriftsteller und lernt auf seiner Reise seine Vergangenheit zu verstehen und den Punkt zu entdecken, an dem er Esther verloren hat. „Der Zahir“ ist wieder ein meisterhafter Roman über eine ganz besondere Pilgerreise, die die Macht besitzt, auch den Leser zu verändern.