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James Carlos Blake – „Red Grass River“

Sonntag, 25. Februar 2018

(Liebeskind, 528 S., HC)
Die Everglades werden von den Einheimischen wegen der mörderischen Mischung aus Treibsand, Zypressensümpfen, Zwergpalmetto-Gestrüpp, Alligatoren, Panther, Schlangen und Mücken als Devil’s Garden bezeichnet. Hier hilft im Dezember 1911 der achtzehnjährige John Ashley seinem Vater dabei, Alkohol an die Indianer zu verkaufen. Als er bei einer Auseinandersetzung den Indianer DeSoto Tiger erschießt, kommt er erstmals mit dem Gesetz und Sheriff Bobby Baker in Konflikt, dem er nicht nur das Mädchen wegnimmt, sondern der ihn und seine Familie von Gesetzesvertretern immer wieder herausfordert, zunächst mit Banküberfällen, zur Prohibition mit flächendeckendem Alkoholschmuggel und Morden.
Bei einem der Raubüberfälle schießt ihm der Chicagoer Gangster Kid Lowe versehentlich ein Auge aus. Zusammen mit seiner Geliebten, der blinden Loretta May, die er im Freudenhaus von Miss Lillian kennen- und lieben gelernt hat, lebt John Ashley mit seinen Brüdern und seinem Neffen Hanford Mobley in den Sümpfen, die er wie kein Zweiter in- und auswendig kennt. Kurz bevor Ashley eine Haftstrafe im Staatsgefängnis von Raiford antritt, lernt er die schöne Laura Upthegrove kennen und führt sie in seine Familie ein, die mit ein paar Freunden von John Vater Old Joe Ashley dafür sorgt, dass Ashley aus dem Gefängnis fliehen kann, worüber Bobby Baker alles andere als erfreut ist.
„Es schien, als warte er auf etwas, von dem er nicht genau wusste, was es war. Und viele Menschen teilten dieses Gefühl. Sie sagten, es fühle sich an wie ein schlimmer Sturm, der sich am Horizont zusammenbraute, auch wenn man die Anzeichen noch nicht benennen könne. Als braue er sich ohne Geräusch oder Geruch und ohne Windhauch zusammen, und doch wisse doch jeder, dass er da draußen lauere und unweigerlich heranziehen werde.“ (S. 398) 
Zwischen dem schnell zur Legende gewordenen Outlaw und dem liebevollen Familienvater und Gesetzeshüter Bobby Baker entwickelt sich ein tiefverwurzelter Hass, ein Krieg, der erst am 1. November 1924 beendet wird, als die Ashley-Gang auf dem Weg nach Jacksonville zu einem weiteren Bankraub ist und in eine Straßensperre auf dem Dixie Highway gerät.
Der in Mexiko geborene, in Texas aufgewachsene und heute in Arizona lebende Schriftsteller James Carlos Blake wurde hierzulande durch die mit dem Los Angeles Times Book Prize prämierte deutsche Erstveröffentlichung „Das Böse im Blut“ bekannt und hat schon in seinem Debütroman „Pistolero“ einer amerikanischen Gangster-Legende nachgespürt, dem Revolverhelden John Wesley Hardin (1853-1895).
Mit seinem im Original 1998, nun endlich in deutscher Übersetzung veröffentlichten Roman „Red Grass River“ rekapituliert er das Leben und Wirken des Outlaws John Ashley aus der Sicht des Liars Club, einer Gruppe von alten Männern, die als sogenannte „Cracker“, Viehtreiber, aus dem Süden nach Florida kamen und sich allerlei Geschichten über John Ashleys Gang und die Verbrechen, die sie begingen, erzählten.
Bereits aus dieser Erzählperspektive wird deutlich, wie sehr sich Fakt und Fiktion bei dem vorliegenden Werk vermischen. Blake bedient sich dabei einer ebenso rauen wie farbenprächtigen Sprache, die den harschen Umgangston unter den Männern ebenso pointiert wiedergibt wie die Schrecken der unbarmherzigen Natur, die allerdings zunehmend zurückgedrängt wird. Der Autor nutzt die epische Gangster-Ballade nicht nur für die Darstellung der über ein Jahrzehnt andauernden Fehde zwischen den Ashleys und Bakers, sondern auch zur Beschreibung von gewaltigen Veränderungen, von der Bezähmung der Natur, der Ausbreitung von wirtschaftlichen Interessen und Verbrechen, aber auch von der Leidenschaft, mit der Menschen sich lieben und zerstören.
Ähnlich wie Cormac McCarthy („Die Abendröte im Westen“) - wenn auch nicht ganz so düster - beleuchtet James Carlos Blake die dunklen Kapitel in der amerikanischen Geschichte. Detailliert beschreibt er, welche Wunden Messer, Pistolen, Gewehre und Fußtritte und Faustschläge anrichten, wie Rippen und Kiefer brechen, Haarbüschel von der Kopfhaut geschossen werden und Blut gespuckt wird. Auch bei der Schilderung der vielen Sexszenen fühlt sich der Leser eher an Raufereien als an liebevolle Zusammenkünfte erinnert.
Zwar stehen die Ashleys im Mittelpunkt der Geschichte, aber James Carlos Blake kommt auch immer wieder auf die Baker-Familie zurück, um so einen bürgerlichen Gegenentwurf zu dem Verbrecherdasein der Ashleys zu zeichnen, auch wenn dieser weitaus weniger interessant erscheint. Nachdem jetzt erst drei Romane des vielfach ausgezeichneten Autors auf Deutsch erhältlich sind, bleibt zu hoffen, dass auch die nach „Red Grass River“ veröffentlichten Romane und dabei vor allem die bereits vier Bände umfassende Wolfe-Reihe bald nachfolgen werden. 
Leseprobe James Carlos Blake - "Red Grass River"

James Carlos Blake – „Pistolero“

Sonntag, 4. Oktober 2015

(Liebeskind, 431S., HC)
Als am 19. August 1895 im Acme Saloon in El Paso der Polizist John Selman die Waffe auf den Hinterkopf von John Wesley Hardin richtete und abdrückte, ist das Leben des wohl berüchtigsten Revolverhelden in Texas zu Ende gegangen. Darauf weist der einen Tag später im El Paso Daily Herald erschienene Artikel hin, der zur Einstimmung auf die Lebensgeschichte von Wes Hardin den Augenzeugenberichten vorangestellt ist, die chronologisch in einzelnen Episoden, die sie mit Hardin verbracht haben, die aufregende Geschichte eines Mannes erzählen, der seine Waffe gegen jeden zückte, der sein Leben bedroht hat – und nur dann!
Beginnend mit dem Bericht der Hebamme, die Hardin „in einem blutigen Sturzbach“ im Jahr 1853 zur Welt gebracht hat, erfährt der Leser zunächst, wie die Familie von Reverend Hardin ungefähr 1855 vom Red River nach Polk County gezogen ist, wo der Reverend nicht nur das Wort Gottes predigte, sondern auch in der Schule lehrte und als Anwalt praktizierte.
Gregor Holtzman, der die Familiengeschichte auf zwei Seiten zusammenfasst, lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Hardins eine stolze Familie von guter Herkunft seien. Schon der Vater des Reverend, Benjamin Hardin, hat im Kongress von Texas gesessen und Augustine, ein Onkel des Reverends, hat die Unabhängigkeitserklärung mit unterschrieben.
In dieser geschichtsträchtigen Familie entwickelte auch Wes einen außerordentlichen Familien- und Gerechtigkeitssinn. Der wissbegierige Junge entwickelte früh ein Talent für die Arbeit der Cowboys, machte auch als Lehrer eine gute Figur und faszinierte die Frauen. Vor allem war er unglaublich schnell mit seinen Pistolen. Doch als er den Deputy Sheriff Morgan in DeWitt County tötet, wird aus dem geachteten Revolverhelden ein gesuchter Mann, der sich schließlich vor Gericht verantworten muss.
„Die Geschichte von Wes‘ Kampf mit der San-Antonio-Bande verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Sie stand in allen Zeitungen. Manche Leitartikel nannten ihn einen Helden, weil er sich der verhassten State Police und den feigen Vigilanten, den Bürgerwehrlern, die das Recht selbst in die Hand nahmen, gestellt hatte – andere hielten ihn für einen blutigen Desperado, der wie ein räudiger Hund abgeknallt oder an der größten Eiche in Texas aufgehängt gehöre.“ (S. 207) 
Nachdem der Münchener Liebeskind Verlag bereits den mit dem Los Angeles Times Book Prize ausgezeichnete Buch „Das Böse im Blut“ des in Mexiko geborenen und in Texas lebenden Autors James Carlos Blake erstmals der deutschen Leserschaft bekannt gemacht hatte, erscheint dort nun auch das 1995er Debüt „Pistolero“.
Obwohl diese fiktionale Biografie aus der Perspektive von gut fünfzig Zeitzeugen des berüchtigten Revolverhelden erzählt wird, wirkt die Collage aus Erinnerungen, Zeitungsberichten und autobiografischen Bemerkungen wie aus einem Guss. Blake lässt in den Ausführungen von Verwandten, Prostituierten, Lehrern, Richtern, Anwälten, Barkeepern, Freunden und Verwandten das lebendige Portrait eines Mannes entstehen, der seine außergewöhnlichen Begabungen vor allem zum Wohl seiner Mitmenschen einsetzte und jedem Streit möglichst ohne Einsatz von Waffen aus dem Wege ging. In diesen Beschreibungen wird aber nicht nur das abenteuerliche Leben des Protagonisten dargelegt, sondern auch das raue Leben im Texas des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den beschwerlichen Trecks, den Glücksspielen in den Hinterzimmern der Saloons und den Freuden, die Prostituierte den Männern bereiten konnten, facettenreich dokumentiert. Daran werden nicht nur Western-Fans ihre Freude haben.
Leseprobe James Carlos Blake - "Pistolero"

James Carlos Blake – „Das Böse im Blut“

Dienstag, 10. Februar 2015

(Heyne, 448 S., Tb.)
Die beiden Brüder Edward und John Little sind mit einem cholerischen Vater gestraft. Als Daddyjack bei einem Scheunenfest im Hochland von Georgia einen Mann tötet, der seiner Frau zu schöne Augen gemacht hat, muss die Familie im Herbst 1842 in die Sümpfe Floridas fliehen, wo sich drei Jahre später das nächste Unglück ereignet: Maggie, Edwards und Johns kleine Schwester, ist dermaßen angewidert von ihrem Vater, der immer wieder seine Frau verprügelt und schändet, dass sie Reißaus nimmt. Als die Brüder von ihrer Suche nach dem Mädchen zurückkehren, scheint ihr Vater sich einmal mehr an ihrer Mutter vergangen zu haben. Offensichtlich hat er auch Maggie getötet. Edward erschießt seinen Vater, die Mutter lässt ihre Jungen zurück, die sich wiederum nach Texas aufmachen.
In New Orleans trennen sich schließlich ihre Wege in einem Saloon, als Edward am Pokertisch ordentlich Gewinn macht und sich John mit einem Mädchen vergnügen will. Sowohl John als auch Edward geraten daraufhin mit Männern und dem Gesetz in Konflikt und stehen schließlich zu Beginn des Krieges zwischen den Yankees und den Mexikanern auf verschiedenen Seiten der Grenze. Ihr Leben ist weiterhin von gnadenloser Gewalt geprägt, die sie selbst mit nicht wenig Genuss ausüben, um ihren Traum von eigenem Land zu verwirklichen.
„Was er sich wünschte, war unaussprechlich. Wie sollte man denn etwas erklären, das man nicht einmal sich selbst gegenüber in Worte zu fassen vermochte, das man nur im Pochen seines Blutes spürte? Wie konnte er ihnen denn erzählen, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass ihm endlich Daddyjack und Maggie nicht mehr im Traum erschienen? Dass es ein Ende hätte mit dem nächtlichen Aufschrecken, wenn ihm das Herz wild in der Kehle schlug, wenn er an seiner eigenen Angst erstickte, sich gejagt fühlte von irgendeiner furchtbaren Nemesis, die mit jedem blutigen Sonnenuntergang näher rückte?“ (S. 245) 
Der 1947 in Mexiko geborene und in Texas aufgewachsene James Carlos Blake ist hierzulande noch ein unbeschriebenes Blatt. Das mag vor allem daran liegen, dass er in seinen Romanen eine extrem gewalttätige Geschichtsschreibung präsentiert, in der mordlüsterne und sexhungrige Kriminelle die Saat dessen verkörpern, wie die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Form angenommen haben. Was ihn wiederum für das Programm von Heyne Hardcore prädestiniert, das in den vergangenen Jahren Autoren wie Richard Laymon, John Niven, Jack Ketchum und James Lee Burke endlich ein Podium geboten hat, ihre rohe Prosa einer nervenstarken Leserschaft zu präsentieren.
„Das Böse im Blut“ ist Blakes dritter Roman und erzählt auf drastische Weise vom Schicksal zweier Brüder, die in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts von einem trunksüchtigen und gewalttätigen Vater und einer Hure aufgezogen worden sind. Wie sie nach einem familiären Blutbad ihrer eigenen Wege gehen, liest sich wie die nahtlose Aneinanderreihung von Prügeleien, Messerstechereien, Schießereien, Folter und Bordellbesuchen. Dabei macht Blake deutlich, dass seine Figuren allesamt Getriebene sind, ohne echte Träume und Hoffnungen, wie sie für das Western-Genre typisch sind. Ein wenig eigenes Land sollte es sein und eine Frau, aber wie man zu diesem Ziel gelangt, ist vom Zufall und vor allem Gewalt geprägt. Diese pessimistische Weltsicht begleitet den Leser durch den ganzen epischen Roman und lässt ihn ebenso staunen wie gefesselt weiterlesen. Denn Blake schreibt so packend, dass man das Blut, die Lust, den Schweiß und den Staub zu riechen und zu schmecken scheint.
Leseprobe James Carlos Blake - "Das Böse im Blut"