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James Lee Burke – (Hackberry Holland: 1) „Zeit der Ernte“

Sonntag, 27. August 2017

(Heyne, 384 S., Pb.)
Mit seinem Bruder Bailey betreibt der 35-jährige Kriegsveteran Hackberry Holland nach seiner Rückkehr aus dem Koreakrieg 1967 eine Anwaltspraxis in einer texanischen Kleinstadt, nahe der mexikanischen Grenze. Doch statt Ölbarone wie R.C. Richardson mit ihren unmoralischen Geschäftspraktiken vor dem Gefängnis zu bewahren, würde er sich eigentlich lieber um seine Farm und Pferde kümmern.
Stattdessen wird er von dem pflichtbewussten Bailey, seiner standesbewussten Frau Verisa, US-Senator Allen B. Dowling und seinen einflussreichen Freunden aus der Öl- und Rüstungsindustrie dazu gedrängt, ein Amt als Kongressabgeordneter in Washington anzustreben. Schließlich hatte schon sein Vater ein politisches Amt bekleidet, er selbst verfügt über einen heldenhaften Ruf als im Koreakrieg verwundeter US-Navy-Sanitäter, der zweiunddreißig Monate in chinesischer Kriegsgefangenschaft überlebt hat, ohne eines der gefälschten Geständnisse zu unterschreiben, Kameraden anzuschwärzen und zum Feind überzulaufen.
Doch dann erhält Hackberry einen Hilferuf seines alten Kriegskameraden Arturo Gomez, der in Pueblo Verde wegen tätlichem Angriff gegen einen Texas Ranger im Gefängnis sitzt und als Gewerkschaftsmitglied schlechte Karten in dem von Rassendiskriminierung und Wirtschaftsinteressen geprägten Grenzstädtchen hat.
Mithilfe der attraktiven Gewerkschaftsaktivistin Rie wirbelt Hackberry ordentlich Staub in dem erzkonservativen Flecken auf und bringt dabei sowohl seinen Bruder als auch seine Frau und politischen Fürsprecher gegen sich auf. Trotz aller Widerstände gelingt Hackberry jedoch die Bewilligung des Berufungsantrags, doch dann wird Art plötzlich von zwei Schwarzen im Drogenrausch getötet. Sein vom übermäßigen Jack-Daniel’s-Gebrauch und traumatischen Kriegserinnerungen befeuertes Temperament sorgt für weitere gewalttätige Auseinandersetzungen und Probleme …
„Noch nie war ich derart müde gewesen. Ich war körperlich vollkommen entkräftet und fühlte mich, als hätte ich zehn Innings hinter mir und alles Pitches aus meinem Arsenal abgefeuert. In meinem Nacken hatte sich eine mit Flüssigkeit gefüllte Blase gebildet, die von der Verbrennung durch die Zigarrenspitze stammte, und eine längliche Beule, die sich anfühlte wie ein neu gewachsener Knochen, zog sich dort, wo der Junge mich mit dem Holzriegel erwischt hatte, über die Seite meines Schädels.“ (S. 333) 
Mit „Zeit der Ernte“ liegt endlich der langerwartete erste Teil der Hackberry-Holland-Reihe des aus Louisiana stammenden Schriftstellers James Lee Burke vor. „Lay Down My Sword & Shield“, so der Originaltitel, erschien bereits 1971, wurde aber ein Flop, so dass sich Burke erst einmal mit Gelegenheitsjobs und übermäßigem Alkoholkonsum beschäftigte, ehe er 1987 mit dem Start seiner bis heute erfolgreichen Reihe um den Südstaaten-Sheriff Dave Robicheaux wieder Oberwasser bekam.
„Zeit der Ernte“ führt den Leser zurück ins Jahr 1967. Hackberry Holland fungiert als Ich-Erzähler und rekapituliert zunächst in kurzen Zügen die turbulente Familiengeschichte, ehe er demonstriert, wie er sich von seiner Frau Verisa entfremdet hat und stattdessen seine bösen Erinnerungen an den Koreakrieg mit Jack Daniel’s und Prostituierten betäubt. Im späteren Verlauf der Geschichte werden die Erlebnisse in der Kriegsgefangenschaft detailliert aufgearbeitet, bis dahin lassen sich Hackberrys temperamentvolle Entgleisungen nur vage erklären.
Eindrucksvoll schildert Burke nicht nur die texanische Vegetation und gesellschaftspolitische Atmosphäre, sondern auch den schwierigen Kampf der armen Feldarbeiter für einen gerechten Lohn, gegen die Rassendiskriminierung, die auch nicht bei den Ordnungshütern Halt macht. Die Erzählung wirkt stellenweise etwas sprunghaft, nicht nur in chronologischer Hinsicht, sondern auch in örtlicher und personeller. In schneller Folge wechselt Hackberry von einem Ort zum anderen, hält hier eine Rede vor seinen potentiellen Wählern und lässt wiederum andere sausen. Szenen einer gescheiterten Ehe wechseln mit romantischen Angelausflügen, die Hackberry mit seiner neuen Flamme Rie unternimmt, kurze Besuche in der eigenen Praxis weichen Auseinandersetzungen mit Texas Rangers, die aggressiv gegen Streikposten vorgehen. Das schadet letztlich dem Spannungsaufbau, doch bei aller Sprunghaftigkeit in der Dramaturgie bleibt das Unbehagen über die geschilderten Ereignisse über den ganzen Roman hinweg bestehen.
Es ist erschreckend, wie aktuell die 1971 geschriebene Geschichte heute noch ist, wenn man an die jüngsten Entgleisungen in Charlottesville, Virginia, denkt, wo fackeltragende Neonazis durch die Stadt marschierten, Naziparolen skandierten und ein Auto in eine Menschengruppe raste, wobei drei Menschen getötet wurden – und der US-amerikanische Präsident Trump sich nicht von diesen Extremisten distanzierte. Burke ist sich bewusst, dass seine Romane keine gesellschaftspolitischen Lösungen anbieten, wohl aber welche für das Individuum, wie der Autor in einem aktuellen Nachwort zur deutschen Ausgabe betont. In diesem Sinne ist „Zeit der Ernte“ weniger als klassischer Krimi zu verstehen, sondern eher als Plädoyer für die Menschlichkeit. 
Leseprobe James Lee Burke - "Zeit der Ernte"

James Lee Burke – (Hackberry Holland: 4) „Vater und Sohn“

Sonntag, 20. November 2016

(Heyne, 640 S., Pb.)
Auf der Suche nach seinem Sohn Ishmael, zu dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, gerät der ehemalige Texas Ranger Hackberry Holland 1916 im Norden Mexikos in die Gewalt von mexikanischen Revolutionssoldaten, die ihn beschuldigen, bei einem Angriff auf einen ihrer Züge auch mexikanische Zivilisten ermordet zu haben. Hackberry kann sich weder verzeihen, tatsächlich für diese Taten mitverantwortlich gewesen zu sein, noch sich von seinem Sohn wegen seiner manipulierenden, von Neid zerfressenen Ehefrau Maggie abgewendet zu haben.
Mit Hilfe der geheimnisvollen wie schönen Prostituierten Beatrice DeMolay kann Hackberry seine Suche fortsetzen und gelangt dabei in den Besitz einer Reliquie, auf die es vor allem der skrupellose österreichische Waffenhändler Arnold Beckmann abgesehen hat. Der schreckt auch nicht davor zurück, Hackberrys gerade schwer verletzt aus dem Ersten Weltkrieg in Frankreich zurückgekehrten Sohn festzuhalten. Zusammen mit dem furchtlosen Chauffeur der Prostituierten und einem befreundeten Deputy setzt Hackberry alles daran, seinen Sohn aus den Fängen des Waffenhändlers zu befreien, mit dem Maggie mittlerweile gemeinsame Sache zu machen scheint.
„Welchen Wert hatte die Ehre, wenn sie verhandelbar war? Welchen Wert hatte das Leben, wenn man seine Prinzipien aufgab, um den nächsten Sonnenaufgang zu sehen? Entscheide dich endlich, Holland!, sagte er zu sich selbst. Nimm doch den einfachen Weg und sieh zu, wie du damit leben kannst!“ (S. 608) 
Bereits 1971 schrieb James Lee Burke mit dem bislang in deutscher Sprache nicht erhältlichen „Lay down my sword and shield“ den ersten Roman, in dem der ehemalige Texas Ranger Hackberry Holland die Hauptrolle spielte. Nachdem er anschließend mit der Reihe um den in New Iberia, Louisiana, wirkenden Detective Dave Robicheaux zu internationalem Ruhm gekommen war und 1997 eine neue Reihe um Billy Bob Holland ins Leben gerufen hatte, kehrte er erst 2009 mit „Regengötter“ zu Hackberry Holland zurück und präsentiert nun mit „Vater und Sohn“ den mittlerweile vierten, wiederum episch angelegten Roman um den charismatischen Mann mit ebenso vielen Fehlern wie Frauengeschichten.
Burke entführt den Leser in die Zeit der mexikanischen Revolution, in eine Zeit, in der der amerikanische Präsident Wilson Pazifisten, Wehrdienstverweigerer und Kriegskritiker verhaften ließ und Butch Cassidy und Sundance Kid an ihrer Legende strickten. Indem Hackberry Holland sich mit seinem Sohn ebenso wie mit dessen Mutter Ruby Dansen zu versöhnen versucht, will er zumindest einen Teil der Schuld sühnen, die er im Laufe seiner Jahre angehäuft hat. Insofern kommt der gestohlenen Reliquie in der Geschichte eine besondere Bedeutung zu.
Schließlich ist die Ähnlichkeit zwischen Beatrice DeMolay und dem letzten Großmeister des Templerordens, Jacques de Molay, zu frappierend, um bloßer Zufall zu sein, und so fragt sich Holland nicht von ungefähr, ob es sich bei in seinem Besitz befindlichen Reliquie tatsächlich um den Kelch handeln könnte, aus dem Jesus getrunken und an seine Jünger weitergereicht hatte.
„Vater und Sohn“ ist nicht nur ein epischer Familienroman, der einen Abgesang auf den Wilden Westen darstellt und das 20. Jahrhundert mit raffinierter Waffentechnik, wachsenden Telekommunikationsmöglichkeiten und Automobilen einläutet, sondern eine Reise auf der Suche nach Vergebung, Erlösung und Wiedergutmachung, ein Roman über Ehre, Verrat und (Vater-)Liebe. Burke erweist sich dabei einmal mehr als fachkundiger Autor, der die Odyssee von Vater und Sohn Holland auch atmosphärisch stimmig zu erzählen versteht. Dass dabei auch einige Längen zu überwinden sind, lässt man Burke bei seiner geschliffenen Sprache gern durchgehen.
Leseprobe James Lee Burke - "Vater und Sohn"

James Lee Burke – (Hackberry Holland: 3) „Glut und Asche“

Freitag, 11. September 2015

(Heyne, 699 S., Pb.)
Danny Boy Lorca hat schon einiges erlebt in seinem Leben. Dass er während seiner Haftzeit auf der Sugar Land Farm Peitschenschläge gegen seinen Kopf einstecken musste, ist seinem Hirn ebenso wenig bekommen wie seine Tätigkeit als sogenannte „Tomatendose“, wenn er gegen ortsansässige Boxer antrat und nach jedem Schlag, den er einstecken musste, blutete. Einige meinten auch, dass der Meskal seine Hirnzellen aufgeweicht hat. Als Danny Boy eines Mittwochabends im April zwei Dinosauriereier in der Wüste freilegt, beobachtet er, wie eine Gruppe von sechs Männern einen Mann foltern und in Stücke zerteilen, einen weiteren Gefangenen aber laufen lassen.
Als Danny Boy am nächsten Morgen Sheriff Hackberry Holland von dem Vorfall berichtet, hat der Sheriff bereits seinen alten Freund, FBI-Agent Ethan Riser, am Telefon, der auf der Suche nach einem Bundesbeamten ist, der möglicherweise von mexikanischen Drogenmulis verschleppt wurde. Offensichtlich geht es in diesem Fall um eine Frau namens Anton Ling, auch La Magdalena oder La China genannt. Wie Sheriff Holland, sein Deputy Sheriff Pam Tibbs und seine Mitarbeiter bald erfahren, ist nicht nur das FBI hinter dem Informanten Noie Barnum hinterher, sondern auch der russische Kriminelle Josef Sholokoff.
Zwielichtige Gestalten wie Senator Temple Dowling oder Reverend Cody Daniels mischen in diesem Szenario, in dem es um Informationen zu einer Predator-Drohne geht, die nicht in die Hände von Al-Qaida fallen sollen, ebenso mit wie Hollands alter Feind Preacher Jack Collins, den er bereits tot gewähnt hat …
„Das Erbe von Salem löst sich nicht einfach so in Luft auf. Der Vigilantismus nach dem Bürgerkrieg, der Ku-Klux-Klan, Senator McCarthy und seine Anhänger – ein roter Faden, der sich seit 1692 durch die Geschichte zieht, dachte er. Diese Erkenntnis änderte aber wenig an der Tatsache, dass Hackberry kläglich versagt hatte, sich des Problems Jack Collins anzunehmen. Er hatte es versäumt, einen Mann dingfest zu machen, der damals wie heute nach Lust und Laune Menschen ermordete und dabei nicht nur wie ein Geist durch Wände zu gehen schien, sondern – mal abgesehen von trichterförmigen Fußabdrücken – auch keinerlei Spuren hinterließ.“ (S. 265f.) 
Warum Barnum ausgerechnet mit Collins auf der Flucht ist, ist allen Beteiligten nicht zu recht klar, aber offensichtlich sind unter allen Beteiligten noch so einige offene Rechnungen zu begleichen.
Seit Sheriff Hackberry Holland in „Regengötter“ Jagd auf den Auftragskiller Jack Collins gemacht hat, der mit seinem Thompson-Maschinengewehr neun thailändische Mädchen niedergemäht hatte, die als Drogenkuriere und Prostituierte missbraucht worden waren, will Holland den gerissenen Psychopathen unter der Erde sehen. Doch bis es soweit ist, kreuzen sich ihre Wege auch in „Glut und Asche“ immer wieder auf eine verstörende Art, die James Lee Burke zu seiner ganz eigenen Kunstform erhoben hat. Selten sind seine Figuren in simple Schwarz- und Weiß-Kategorien einzuordnen. Stattdessen haben die Protagonisten auch in dem epischen Nachfolger zum Meisterwerk „Regengötter“ mit ihrem Gewissen und fürchterlichen Dämonen zu kämpfen, die ihnen das Leben zur Hölle machen. Zwar steht das antagonistische Verhältnis zwischen Holland und Preacher auch in „Glut und Asche“ im Mittelpunkt der Geschichte, doch die interessanten Nebenhandlungen wecken auch Interesse für die vielschichtigen Nebenfiguren.
Burke gelingt es, das schillernde Panoptikum seiner Figuren so lebendig zu zeichnen, als würde der Leser direkt unter ihnen weilen und Teil des komplexen Geschehens in der hitzeflimmernden Wüste nahe der mexikanischen Grenze sein. Der alternde Sheriff hat dabei nicht nur mit seinen Gefühlen für den viel jüngeren Deputy Sheriff Pam Tibbs zu kämpfen, die weit mehr als nur kollegiale Gefühle für ihren Chef hegt, sondern auch mit Anton Ling, die ihn an seine verstorbene Frau erinnert. Und auch das Verhältnis zu FBI-Agent Riser gestaltet sich wie immer schwierig, denn das FBI steht nicht unbedingt für kompromisslose Kooperation.
Mit „Glut und Asche“ ist Burke ein weiteres Meisterwerk gelungen, das durch einen packenden Plot ebenso fesselt wie durch zutiefst menschlich gezeichnete Figuren, die ihren jeweils eigenen und oft sehr steinigen Weg zur Erlösung finden müssen.

James Lee Burke – (Hackberry Holland: 2) „Regengötter“

Sonntag, 9. November 2014

(Heyne, 672 S., Pb.)
Auf einen anonymen Anruf hin entdeckt Sheriff Hackberry Holland hinter der alten Kirche im südtexanischen Chapala Crossing die Leichen von neun jungen, schick gekleideten thailändischen Frauen, die mit einem Bulldozer plattgewalzt worden sind. An den Ermittlungen beteiligt sich nicht nur das FBI mit dem für die Exhumierungen zuständigen Agenten Ethan Riser, sondern auch der raubeinige Isaac Clawson von der Einwanderungs- und Zollfahndungsbehörde ICE, der nach dem Mord an seiner Tochter sämtliche Umgangsformen hinter sich gelassen hat.
Zunächst dürften allein die Stripclub-Besitzer Nick Dolan und Artie Rooney eine Vorstellung davon haben, was da passiert sein könnte, als Arties Handlanger Hugo Cistranos mit dem eigens dafür engagierten Pete Flores die Frauen über die Grenze nach Houston bringen sollte. Derweil macht sich Pete mit seiner Freundin Vikki auf und davon. Ihnen auf den Fersen ist der berüchtigte Preacher Jack Collins, dessen unberechenbar psychopathische Züge alle Beteiligten immer wieder in Erstaunen versetzen. Doch als Pracher die beiden Flüchtigen in seine Gewalt bringt, sind die Karten schon wieder neu gemischt worden. Denn statt sie zu töten, will er vor allem dem Mädchen ein neues Leben ermöglichen.
„Sie spuckte auf die Geldscheinspange und auch auf seine Finger. Dann begann sie zu weinen. In der Stille, die nun folgte, hatte sie das Gefühl, von seiner Präsenz eingehüllt zu werden wie von feuchter Wolle, die einem die Luft zum Atmen nimmt. Das rosafarbene Strahlen auf seinem Hemd, der Schweißgeruch seines Körpers und die Nähe seiner Lenden zu ihrem Gesicht drohten sie zu überwältigen, und mit einem Mal bestand die einzige Realität in dieser Welt aus der Figur von Preacher Jack Collins, der nur wenige Zentimeter vor ihr stand. Ihr war nicht klar gewesen, dass sich Stille so laut anfühlen konnte. Die Intensität des Schweigens, so glaubte sie in diesem Moment, ähnelte den knackenden Geräuschen, die ein Ertrinkender auf dem Weg zum Grund eines tiefen Sees hörte.“ (S. 485f.) 
Doch nicht nur das FBI und Sheriff Holland sind Preacher und dem jungen Pärchen auf den Fersen, auch verschiedene Nachtclubbesitzer, russische Mafiagrößen und diverse Auftragskiller mischen munter mit …
Nach dem alkoholsüchtigen Cajun-Cop Dave Robicheaux, den James Lee Burke seit Mitte der 1980er Jahre in über zwanzig Fällen in den Sümpfen Louisianas ermitteln ließ (u.a. auch in der Verfilmung "In The Electric Mist" mit Tommy Lee Jones in der Hauptrolle), und dem Kleinstadtanwalt Billy Bob Holland, den Burke in den späten 90ern erschuf, tritt nun mit dessen Cousin Hackberry Holland auf den Plan, der nach seiner Kriegsgefangenschaft in Nordkorea in Texas erst dem Alkohol verfiel, zu oft in Bordellen verkehrte, dann eine Politkarriere versaute und nach der Scheidung von seiner ersten Frau in tiefe Depressionen verfiel, die nach dem Tod seiner zweiten Frau nicht weniger wurden.
Diese komplexe Figur, die bereits ein wechselhaftes Leben hinter sich hat, stellt in dem episch angelegten „Regengötter“ zwar den markanten Dreh- und Angelpunkt dar, doch hat Burke hier ein schillerndes Panoptikum an interessanten Figuren kreiert, die mit ihren eigenwilligen Moralvorstellungen, fehlgeleiteten religiösen Ansichten und skrupellosen Geschäftsgebaren der Geschichte eine wechselhafte Dynamik verleihen, die Burke auf atmosphärisch intensive Weise so authentisch wiedergibt, dass der Leser den Staub der Wüste und den Kupfergeschmack des Blutes zu schmecken scheint, der zwischen all den Seiten zu finden ist.
„Regengötter“ erinnert von der Figurenkonstellation etwas an Cormac McCarthys großartigen Roman „No Country For Old Men“, ist aber weit vielschichtiger angelegt und bietet immer wieder neue interessante Wendungen bis zum ungewöhnlichen Finale.
Leseprobe James Lee Burke - "Regengötter"