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Joey Goebel – „Irgendwann wird es gut“

Sonntag, 10. März 2019

(Diogenes, 314 S., HC)
Der fünfundzwanzigjährige Anthony Dent arbeitet im Lager eines Baumarkts in Moberly, Kentucky, und hat bislang – auch wegen seines Stotterns - noch kein Glück bei den Frauen gehabt, aber das Objekt seiner Begierde in der attraktiven Fernsehmoderatorin Olivia Abbott von Channel Seven gefunden. Jeden Abend „verabredet“ er sich um Punkt 18 Uhr mit ihr am Fernsehbildschirm, schenkt zwei Whiskeys für sie beide ein und „unterhält“ sich mit ihr nach seinem eigenen Drehbuch. Eines Abends wagt er es, seine Angebetete nach den Zehn-Uhr-Nachrichten, auf dem Parkplatz des Studios abzupassen – und stößt dort mit Carlisle auf einen erbitterten Konkurrenten um die Olivia Abbotts Gunst. Doch die beiden Olivia-Verehrer legen ihren Konkurrenzkampf bei und tauschen sich über Olivias Gewohnheiten und Leben aus, wobei Anthony auch erfährt, dass seine Traumfrau regelmäßig zur Entspannung in eine Karaoke-Bar geht, wo er sie vor den Toiletten anspricht. Erstaunlicherweise lässt sich Olivia von Anthony zu einem Drink einladen …
Mit „Unsere Olivia“ beginnt der in Henderson, Kentucky, geborene und immer noch lebende Schriftsteller Joey Goebel eine Sammlung von Geschichten, die allesamt im fiktiven, aber seiner Heimatstadt Henderson nachempfundenen Kleinstadt Moberly im Fly-over-Staat Kentucky angesiedelt sind und einzelne Figuren – wie die Fernsehmoderatorin Olivia Abbott, der Radio-DJ Tug oder der Videoverleih-Angestellte Matt – gelegentlich auch in anderen Storys auftauchen, die sich als Ganzes wie ein Episoden-Roman lesen.
In „Es wird alles schlecht werden“ wird die Lebensgeschichte der verwitweten Elena Bockelmann und ihres mit im Haus lebenden Sohnes Paul erzählt, der nach seinem Abschluss an der Uni von Kentucky seinen Lebensunterhalt als Jazzpianist verdienen wollte, durch den Tod seines Vaters bei einem Autounfall aber seine Mutter nicht verlassen konnte. Während Elena in Rente ging, bekam Paul nur einen Job als Hotelrezeptionist in der Nachtschicht des Ramada Inn am Highway 71, wo er aber immerhin die Sängerin Pam kennenlernte, mit der er vier Jahre verheiratet war. Doch sein nächstes Date mit Jillian entwickelt sich im Beisein von Pauls Mutter zum Desaster.
In „Sei nicht dumm“ bietet Stephanie, Englisch-Dozentin am College, in einem ihrer Kurse ihren Schülern an, dass sie sie jederzeit anrufen können, wenn sie auf einer Party gewesen sind und Alkohol getrunken haben, damit sie sie nach Hause fährt. Der achtzehnjährige Nick Clines nimmt dieses Angebot an und bekommt wegen ihres Mannes Dan zunehmend ein schlechtes Gewissen, je besser sie sich mit Nick versteht.
Dan wiederum ist der Protagonist in „Die Moral von Nerds“. Als Angestellter in einem Secondhand-Laden der Heilsarmee ist er irgendwann so von der musikalischen Berieselung und dem selbstgefälligen Gequatsche von Radio-DJ Tug genervt, dass er im Büro seiner Chefin ätzende Mails an den Moderator versendet. In „Antikmarktmädchen“ trifft sich die zehnjährige Außenseiterin Carly mit Mr. Baynham, der in Hollywood Farbberater bei Filmen mit Doris Day, James Stewart, Henry Fonda und James Dean gewesen war und dem ungewöhnlichen Mädchen regelmäßig in einem Restaurant von seinen Erfahrungen in Hollywood erzählt.
Goebel erweist sich einmal mehr als stilsicherer Chronist des gewöhnlichen Kleinstadtlebens und beschreibt in den zehn Geschichten die oft nicht verwirklichten Träume und ganz gewöhnliche Sehnsüchte nach Liebe und Anerkennung seiner Figuren.
„Wenn ich es recht bedenke, verkörpern diese Figuren entweder Aspekte von mir, die ich gern verbergen möchte, oder Aspekte von mir, die mir im Laufe der Jahre abhandengekommen sind und die ich gern zurückhaben würde“, erzählt Goebel im abschließenden exklusiven Interview, das der deutsche Diogenes-Autor Benedict Wells („Die Wahrheit über das Lügen“) mit dem Amerikaner geführt hat.
Weil die Figuren aus dem Inneren des Autors zu kommen scheinen, wirken die zerbrechlichen, von verschiedenen Tragödien und Rückschlägen gezeichneten Protagonisten in Goebels Moberly so authentisch und lassen bei aller Melancholie doch noch Hoffnung aufkeimen, dass am Ende doch, wenn nicht alles, so doch einiges gut wird.
Leseprobe Joey Goebel - "Irgendwann wird es gut"

Joey Goebel – „Vincent“

Montag, 31. Juli 2017

(Diogenes, 433 S., HC)
Mit IUI/Globe-Terner hat Foster Lipowitz ein gewaltiges Medienimperium geschaffen, das seine Konkurrenten weit hinter sich gelassen hat. Doch als der Firmenmogul im Alter von siebzig Jahren feststellen muss, dass er vom Krebs zerfressen wird, unternimmt er eine umfassende Inventur seines Unternehmens und ist von Schuld und Ekel erfüllt. Er gründet mit New Renaissance eine Tochtergesellschaft, die sich mit kulturell wertvollen Werken von den sinnfreien Reality-Shows, dümmlichen Sitcoms und von Special Effects und Sex geprägten Action-Streifen abheben sollen, mit denen IUI/Globe-Terner zur Verblödung des Publikums beigetragen haben.
Dem ehemaligen Schauspieler Steven Sylvain und dem wenig erfolgreichen Plattenrezensenten Harlan Eiffler obliegt es, in ihrer Position als Manager und Agent über 400 Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren auszuwählen, die über eine besondere künstlerische Begabung verfügen und in Kokomo, Indiana, mit einem Vollstipendium auf die New Renaissance Academy gehen, wo sie zu außergewöhnlichen Autoren, Musikern und Filmemachern herangezogen werden sollen.
Einer dieser Kandidaten ist Vincent (Vater unbekannt, die Mutter eine Hure), der mit seiner depressiven Grundeinstellung wie gemacht scheint für das Projekt. Eiffler ist dafür zuständig, dem Jungen das größtmögliche Leid zuzufügen, damit Vincent stets zu großer Kunst inspiriert wird. Die Saat geht tatsächlich auf: Nachdem Eiffler erst Vincents Hund vergiftet und dann seine möglichen Freundinnen mit monatlichen Schecks in die Wüste geschickt hat, schreibt Vincent nicht nur für den charismatischen, aber sexsüchtigen Sänger Chad großartige Songs, sondern auch erfolgreiche Sitcoms.
„Vincent war nicht attraktiv. Vincent war ein übelriechendes Wrack. Wenigstens schrieb er jetzt hektisch und wie besessen, hauptsächlich von Jane inspiriert. Doch er ackerte bis zur Erschöpfung. Ich flehte ihn an, weniger zu schuften, aber er hörte nicht auf mich. Er war fest entschlossen, sich den Schmerz aus dem Leib zu schreiben. Und wenn er nicht schrieb, dachte er sich Akkordfolgen auf der Gitarre aus, die ihn zum Weinen brachten, und spielte sie immer und immer wieder.“ (S. 254) 
Joey Goebel, der selbst Punkrocker gewesen ist und als Leadsänger mit seiner Band The Mullets fünf Jahre lang durch den Mittleren Westen bis nach Los Angeles tourte, geht in seinem zweiten Roman nach „Freaks“ der spannenden Thematik nach, ob kulturelle Erzeugnisse für den Mainstream so seicht sein müssen, weil das Publikum danach verlangt, oder ob man es mit gehobener Kultur auch erreichen kann. Darüber hinaus verfolgt der Autor die interessante Frage, ob große Kunst nur dann entstehen kann, wenn der Kunstschaffende so großes Leid verspürt, dass er sich den Schmerz nur im kreativen Prozess vom Leib schaffen kann.
In dem Roman tritt Harlan Eiffler als Ich-Erzähler auf, der zunächst Vincents Kindheit als Ergebnis verschieden möglicher Samenspender und einer wild herumvögelnden Mutter rekapituliert, um dann sein Konzept von großer Kunst, die aus großem Kummer generiert wird, vorzustellen.
„Vincent“ überzeugt vor allem in der kritischen, manchmal satirisch überhöhten Auseinandersetzung mit den faden Unterhaltungserzeugnissen der heutigen Pop- und Fersehkultur, aber der Roman zeigt auch auf, wie schwer ist es, so Einfluss auf Künstler zu nehmen, dass sie inspiriert bleiben. Ob dies tatsächlich nur durch großes Leid hervorgerufen kann, mag dahingestellt sein, erfüllt für den Roman aber den Zweck, eine faszinierende Geschichte zu erzählen.
Auch wenn sein Manager Eiffler als Ich-Erzähler fungiert, steht doch Vincent selbst im Mittelpunkt einer wunderbar unterhaltsamen, erfrischend kulturkritischen Geschichte, in der es natürlich auch um die große Liebe, Drogen, Sex, Ruhm, Partys und Tod geht und dabei mal zum Schmunzeln anregt, dann wieder zu Tränen rührt.

Joey Goebel – „Heartland“

Donnerstag, 13. Juli 2017

(Diogenes, 714 S., Tb.)
Blue Gene ist das schwarze Schaf der superreichen Mapother-Familie, die ihren Reichtum dem florierenden Tabakunternehmen in dem beschaulichen Bashford zu verdanken hat. Statt den geplanten Weg einer Ausbildung an einer privaten Elite-Uni einzuschlagen, zog es der mittlerweile 27-Jährige vor, den Kontakt zu seiner Familie abzubrechen, sein millionenschweres Erbe nicht anzurühren und eine Karriere als einfacher Verkäufer im örtlichen Wal-Mart zu verfolgen. Mittlerweile lebt er in einem Trailer-Park und verkauft (oder verschenkt) seine in der Kindheit gesammelten Spielzeuge – vor allem Action-Figuren – auf dem Flohmarkt.
Als seine Mutter Elisabeth ihn dort aufsucht, ahnt Blue Gene, dass sie nicht ohne Grund aufgekreuzt ist: Blue Gene möchte sich doch mit seinem Bruder John und seinem Vater Henry wieder versöhnen und vor allem John dabei unterstützen, ihn in dem kommenden Wahlkampf zu unterstützen, wo John gegen seinen Konkurrenten Frick als Kongressabgeordneter kandidiert.
Um sich die Stimmen des einfachen Volkes zu sichern, soll Blue Gene demonstrieren, dass John tatsächlich das Wohl seiner Angestellten und Wähler im Sinn hat und nicht nur hohle Sprüche klopft. Der Plan scheint aufzugehen, denn John Mapother liegt bald in den Umfragen vorn, doch dann sorgt durch ein Missgeschick die Aufdeckung eines dunklen Familiengeheimnisses für Turbulenzen. Blue Gene fängt wieder an, sein eigenes Ding durchzuziehen.
Mit der Sängerin Jackie Stepchild, für die Blue Gene mehr als freundschaftliche Gefühle empfindet, verwendet er nun sein Erbe dazu, das leerstehende Gebäude des alten Wal-Marts zu kaufen und armen Menschen zu helfen, wie z.B. seinem alten Kindermädchen Bernice. Doch diese Gemeinnützigkeit können John und Henry in ihrem Wahlkampf überhaupt nicht gebrauchen, und Blue Gene muss sich fragen, was der traditionelle Begriff Familie für ihn überhaupt noch bedeutet.
„Diese Wörter haben immer Vorrang, weil sie die Ideen verkörpern, die man sein Leben lang wertschätzen soll, so hat man es uns gelehrt. Und das alles ist gut und schön, aber was macht man, wenn man herausfindet, dass Wörter wie Mom, Dad, Bruder und Familie eigentlich gar nicht in das Bild passen, das man ein Vierteljahrhundert für richtig hielt?“ (S. 450) 
Der 1980 in Henderson, Kentucky, geborene und lebende Joey Goebel hat schon mit seinen ersten Romanen „Vincent“ und „Freaks“ eindrucksvoll bewiesen, dass er eine interessante neue Stimme in der amerikanischen Literatur darstellt. Mit dem 2008 und hierzulande ein Jahr später veröffentlichten Epos „Heartland“ dringt Goebel tief in die Psyche der amerikanischen Gesellschaft ein und seziert im Mikrokosmos einer elitären Familie und eines atypischen Wahlkampfs die traditionellen Werte, die in jedem Wahlkampf thematisiert werden.
Dabei entlarvt der Autor auf ebenso kluge wie humorvolle Weise die Doppelmoral konservativer Politiker und ihrer proklamierten Werte. Besonders in den Diskussionen zwischen Familienoberhaupt Henry und seinen Söhnen John und Eugene, aber auch im späteren Wahlkampf, in dem die Punkrockerin Jackie auch eine Rolle spielt, wird deutlich, wie sehr Freiheit mit Geld und Macht einhergeht. Goebel portraitiert das überschaubare Figuren-Ensemble mit viel Liebe zum Detail und psychologischem Feingefühl. Seine klare Sprache und sein Sinn für humorvolle Pointen machen „Heartland“ zu einer erfrischenden Lektüre, bei der kritisch die Mechanismen der Macht hinterfragt werden dürfen.

Joey Goebel – „Freaks“

Sonntag, 5. Juni 2016

(Diogenes, 193 S., Tb.)
Wenn sich die 80-jährige Opal, die achtjährige Ember, der Schwarze Luster, der Iraker Ray und die ehemalige Nachtclubtänzerin, nun im Rollstuhl sitzende Aurora zusammen in ihrer Kleinstadt irgendwo in Kentucky blicken lassen, ziehen sie sofort die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung auf sich. Das liegt nicht nur an der optisch außergewöhnlichen Kombination, sondern auch an der jeweils sehr eigenen Lebensgeschichte.
Ray ist mit seiner Familie nur nach Amerika gekommen, um sich bei dem Soldaten zu entschuldigen, den er im Irak-Krieg angeschossen hatte. Luster stammt aus einer berüchtigten Drogendealerfamilie und ist der wortgewandteste im Quintett. Die sexbesessene Opal läuft trotz ihres hohen Alters noch immer mit „Sex Pistols“- und „Misfits“-T-Shirts herum und ist die Babysitterin von Ember, die von ihren Eltern überhaupt nicht in den Griff zu bekommen ist und kurz vor dem Schulverweis steht. Aurora will mit ihrer nuttigen Vergangenheit abschließen und hat sich auch aus Protest gegen ihres als Pfarrer wirkenden Vater den Satanisten angeschlossen.
Gemeinsam suchen sie für ihre Power-Pop-New-Wave-Heavy-Metal-Punkrock-Band namens Freaks einen gemeinsamen Übungsraum, denn sie haben Großes vor.
 „Die Musik wird allmählich alt, und alles ist schon mal dagewesen, aber ich bezweifle ehrlich, dass es je eine Band gegeben hat, die wie wir geklungen oder ausgesehen hat. Ich weiß genau, wie sich das jetzt anhört, aber ich glaube, wir haben das Potential, das Größte zu werden, seit die Leute Elvis im Radio hörten und ihn für einen Schwarzen hielten.“ (S. 122) 
Gerade mal 190 Seiten braucht der aus Henderson, Kentucky, stammende Joey Goebel für seinen 2003 erschienenen Debütroman, der sich wie ein Drehbuch liest und in dem die einzelnen Protagonisten abwechselnd ihre Sicht der Dinge schildern, aber auch Nebenfiguren wie Embers Eltern, Auroras Vater, ein Polizist und der Konzertveranstalter beschreiben ihre Begegnungen mit den exzentrisch wirkenden Außenseitern, denen der Autor seine ungeteilte Sympathien schenkt. „Freaks“ stellt gleichermaßen Buchtitel, Bandname und Programm eines Buches dar, das sich verzweifelt und wütend gegen eine gleichgeschaltete Masse zu erheben versucht, ihren ätzenden Opportunismus, ihre angepasste, unaufgeregte Lebensweise, die vorhersehbaren Reaktionen und Redeweisen verurteilt. Wie Goebel seine heldenhaften Außenseitern gegen die gleichförmigen Angepassten aufbegehren lässt, ist dabei ebenso humorvoll wie ätzend und tragisch geschrieben, dass man als hoffentlich nicht ganz so angepasster Leser hoffen mag, dass die selbsternannten Freaks doch bitte Erfolg haben werden.
Leseprobe Joey Goebel - "Freaks"

Joey Goebel – „Ich gegen Osborne“

Freitag, 22. März 2013

(Diogenes, 431 S., HC)
Dass sein Vater erst vor zwei Tagen beerdigt worden ist, kümmert James Weinbach kaum. Der Außenseiter an der Osborne-Highschool in Vandalia, Kentucky, ist viel mehr damit beschäftigt, seinen Schul-Alltag zu hassen. Der einzige Umstand, der James‘ Dasein an der Osborne High erträglich macht, ist seine Zuneigung zu Chloe, mit der er stundenlang reden kann, die darüber hinaus aber ähnlich ausgeprägte Macken zu haben scheint wie er selbst.
Nach der einen Woche Frühlingsferien hat sich jedoch alles verändert. Von allen Seiten wird James zugetragen, dass seine geliebte Chloe wie viele seiner MitschülerInnen die Ferien in Panama City verbracht hat, wo sie in einer „Fließbandnummer“ mit wildfremden Jungs schlief. Darüber hinaus geht sie ausgerechnet mit jenem Jungen zum Abschlussball, der als Mädchenschwarm bekannt ist und über den Chloe und James immer abgelästert hatten. Nachdem James Chloe auf ihre Eskapaden angesprochen hat, wird er nicht nur von heftigem Durchfall geplagt, sondern muss sich auch einer bitteren Wahrheit stellen.
„Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob sie damit indirekt zugab, dass die Gerüchte stimmten, ließ sich aus unserem Gespräch zumindest die Erkenntnis ableiten: Es würde weder einen James für Chloe noch eine Chloe für James geben. Das hätte nicht klarer sein können, selbst wenn es auf meine Drüsen gestempelt worden wäre. Sie dachte, wir wären nur Freunde. Für uns beide würde es kein Abholen abends um sieben, keinen Tisch für zwei, keinen romantischen Höhepunkt geben. Ich würde sie nie berühren. Ich musste akzeptieren, dass das einzige weibliche Wesen, das die Schicksalsgöttinnen mir zugestanden, jene imaginäre Muse war, die mich zum Schreiben inspirierte.“ (S. 104)
 James beschließt, sich zu rächen. Ohne Rücksicht auf Verluste erpresst er den Schulleiter und lässt diesen den kommenden Abschlussball absagen. Was darauf folgt, lässt sich nur noch als heillos emotionales wie schweißtreibendes und tränenreiches Chaos beschreiben …
Joey Goebel ("Vincent", "Heartland") beschreibt in „Ich gegen Osborne“ gerade mal einen Schultag, den der zutiefst unglückliche, schließlich auch in seiner zarten Liebe zu Chloe gedemütigte James auf der Osborne-High verbringt. Natürlich sind in die Beschreibungen des Schulalltags auch Erinnerungen des Jungen eingeflochten, die seinen Charakter ausleuchten, aber es sind vor allem die Beobachtungen seiner Umwelt und die Selbstreflexionen, die das Buch so lesenswert machen. Denn was Goebel über einen Tag in einer gewöhnlichen Highschool beschreibt, lässt sich natürlich auch auf alle anderen Lebensbereiche anwenden. Es sind die immer wiederkehrenden Wünsche, Sehnsüchte und Ängste von ganz normalen Menschen, die anerkannt und geliebt werden wollen, andererseits aber auch die Hoffnung hegen, etwas ganz Besonderes zu sein und sich von der Masse abzuheben. James ist in jeder Hinsicht ein Außenseiter, mit seinem Anzug und den guten Schuhen, mit denen er jeden Tag in der Schule aufkreuzt, mit seinen literarischen Ambitionen und den kaum erwähnenswerten Freunden. Er ätzt über alles ab, was seine MitschülerInnen toll finden, und katapultiert sich so immer wieder ins Abseits. Und doch will er irgendwie dazugehören und das Herz dieses einen Mädchens gewinnen, das auf einmal so unerreichbar scheint. Goebel portraitiert diesen außergewöhnlichen jungen Mann und sein Umfeld mit ebenso viel Tiefsinn wie Humor, und der Leser wird bei den scharfsinnigen Schilderungen immer wieder mit sich selbst und seinen eigenen Bedürfnissen und Verhaltensweisen konfrontiert.
„Ich gegen Osborne“ ist bei allen brillanten Beobachtungen aber auch eine wunderschön geschriebene Coming-of-Age- und Love-Story, so dass jeder Leser wirklich etwas für sich mitnehmen kann, denn jung waren wir mal alle und haben so oder so ganz ähnliche Gedanken und Gefühle geteilt, wie sie James Weinbach so bildhaft artikuliert.
Leseprobe Joey Goebel - "Ich gegen Osborne"