Posts mit dem Label Karin Slaughter werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Karin Slaughter werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Karin Slaughter – „Ein Teil von ihr“

Mittwoch, 1. August 2018

(HarperCollins, 544 S., eBook)
Eigentlich war es immer Andys Traum gewesen, in New York zu leben und zu arbeiten, doch nach sechs Jahren muss sie deprimiert feststellen, dass sie nicht vom Fleck gekommen ist. Aus ihrem Wunsch, sich einen Platz im Umfeld der Stars zu sichern, ist nur ein Assistenz-Job bei einem Bühnenbildner für eine Off-Broadway-Produktion und eine Affäre mit ihrem Professor am College für Kunst und Design herausgesprungen. Zwei Semester vor dem Abschluss ihres Theater-Studiums packt sie die Koffer und kehrt zu ihrer an Brustkrebs erkrankten Mutter Laura Oliver nach Belle Isle zurück, wo sie in einem Diner im Einkaufszentrum auf ihren 31. Geburtstag anstoßen wollen. Doch als sich die Frau eines von Lauras Patienten mit ihrer Tochter für die Wunder bedanken will, die sie an ihrem Mann bewirkt hat, stürmt ein Mann das Restaurant und erschießt die beiden zu Laura und Andy gestoßenen Frauen.
Als der Mann auch Laura und Andy mit einem Jagdmesser bedroht, geht Andy in Deckung, ihre Mutter reagiert dagegen ausgesprochen überlegt und bringt den Täter durch einen Schnitt über seine Kehle kurzerhand um. Nicht nur die Medien fragen sich nach Sichtung des Videomaterials von der spektakulären Aktion, warum Laura den Mann nicht einfach überwältigt hat, sondern ihn töten musste. Auch Andy erkennt ihre eigene Mutter nicht mehr wieder, zumal Laura von ihr verlangt, sofort auszuziehen und nichts zu dem Vorfall auszusagen.
Tatsächlich reicht die Vorgeschichte bis ins Jahr 1986 zurück, als sich die aufstrebende Pianistin Jane in einen charismatischen jungen Mann verliebt hat, der es auf das Imperium von Martin Queller abgesehen hat, der das Wohlfahrtssystem mit seinen Krankenhäusern und Pflegeheimen um ein Vermögen betrogen hat. Bei einer Podiumsdiskussion in Oslo erschoss Jane den Queller-Patriarchen und ist seither mit ihrem falschen Namen auf der Flucht gewesen …
„Erst in der sicheren Abgeschiedenheit Berlins hatte Jane erkannt, dass Angst sie ihr ganzes Leben lang begleitet hatte. Jahrelang hatte sie sich eingeredet, Neurosen seien der Fluch einer erfolgreichen Solokünstlerin, aber was sie in Wahrheit vorsichtig auftreten, ihre eigenen Worte zensieren, ihre Emotionen anpassen ließ, war die erdrückende Präsenz der beiden Männer in ihrem Leben.“ (Pos. 4991) 
Mit ihren Grant-County-, Atlanta- und Georgia-Krimireihen um die Gerichtsmedizinerin Sara Linton und Will Trent, Special Agent beim Georgia Bureau of Investigation, hat sich Karin Slaughter in kürzester Zeit zu einer internationalen Bestseller-Autorin entwickelt. Allerdings haben diese Reihen in den letzten Jahren stark an Qualität eingebüßt, was für Slaughter Anlass gewesen sein könnte, seit 2013 vermehrt eigenständige Romane wie „Cop Town“, „Pretty Girls“ und „Die gute Tochter“ zu schreiben.
Mit ihrem neuen Thriller „Ein Teil von ihr“ setzt die US-amerikanische Schriftstellerin diesen Trend fort und knüpft thematisch an „Die gute Tochter“ an, wo Slaughter versucht hat, einen Thriller-Plot mit einem Familiendrama zu verknüpfen.
„Ein Teil von ihr“ erzählt eigentlich zwei Geschichten, die ihren Anfang jeweils mit einem Mord nehmen und immer wieder zwischen 1986 und 2018 hin und herspringen, so dass die mühsam aufgebaute Spannung ebenso oft wieder abfällt. Das größte Problem besteht aber in den zwar sehr bemühten, aber absolut nicht überzeugenden Charakterisierungen der Hauptfiguren, von denen keine auch nur annähernd ein Identifikationspotenzial für den Leser besitzt.
So wirkt Lauras erwachsene, in New York kläglich gescheiterte Tochter Andy einfach nur naiv und unbeholfen, entwickelt im Verlauf der Geschichte aber auf einmal einen ausgeprägten detektivischen Spürsinn, mit dem sie zuletzt die wahre Identität ihrer Mutter aufdeckt. Trotz vieler Hintergründe und Unterhaltungen zwischen Andy und ihrer Mutter bleibt Laura eine verschlossene, geheimnisvolle Persönlichkeit, zu der der Leser ebenfalls keine Beziehung aufbauen kann.
Weitaus komplexer ist die Geschichte angelegt, die 1986 in Oslo ihren Anfang nimmt und vor allem die familiären Strukturen des Queller-Imperiums thematisiert sowie die unterschiedlichen Rollen, die die Sprösslinge des Familienoberhaupts bei dem Attentat spielen. Die Konstellation der Figuren und ihre Motivationen wirkt zunächst sehr interessant, doch sorgen allzu viele Abschweifungen dafür, dass das Interesse an der weiteren Entwicklung der Story schnell nachlässt.
Für Karin Slaughter und ihre Fans ist zu wünschen, dass sich die Autorin wieder auf ihre ursprünglichen Qualitäten in der Erzählung spannender Plots mit glaubwürdigen, gut gezeichneten Charakteren besinnt. 
Leseprobe Karin Slaughter - "Ein Teil von ihr"

Karin Slaughter – (Georgia: 6) „Blutige Fesseln“

Sonntag, 3. Dezember 2017

(HarperCollins, 512 S., Tb.)
Will Trent will gerade seinen Hund Betty zur Zahnreinigung bringen, als er von seiner Partnerin Faith Mitchell zu einem Tatort gerufen wird. Bei dem Toten handelt es sich um den 58-jährigen Ex-Cop Dale Harding, der in einer riesigen Blutlache bei den abbruchreifen Lagerhäusern gefunden wurde, die dem prominenten Profi-Basketballer Marcus Rippy gehören. Der als spielsüchtige Trinker bekannte Harding war während seiner aktiven Dienstzeit zuletzt als Detective im Bereich Wirtschaftskriminalität tätig und wirkte nach seinem vorzeitigen Ruhestand als privater Handlanger für Zuhälter und Geldeintreiber weiter.
Was den Fall schnell interessant macht, ist die Tatsache, dass Rippy auf dem Gelände, auf dem Hardings Leiche gefunden wurde, einen Nachtclub aufmachen will. Zuvor versuchte Will, einen Fall gegen Rippy aufzubauen, weil dieser eine Studentin unter Drogen gesetzt und vergewaltigt haben soll, aber seine gutbezahlten Anwälte ließen den Fall nie vor Gericht kommen. Die Gerichtsmedizin findet schnell heraus, dass das Blut am Tatort nicht von Harding stammt, eine in der Nähe gefundene Waffe ist ausgerechnet auf Wills Ex-Frau Angie Polaski zugelassen.
Schließlich entdeckt die Polizei eine schlimm zugerichtete Frauenleiche, die zunächst für Angie gehalten wird, doch Will wird schnell klar, dass die Frau, mit der er zusammen im Atlanta Children’s Home aufgewachsen ist, nur einen weiteren perfiden Plan verfolgt, ihm das Leben zu Hölle zu machen, was vor allem Wills noch recht junge Beziehung zur Gerichtsmedizinerin Sara Linton auf eine harte Probe stellt.
Der Schlüssel zur Lösung des Falls scheint in der Verbindung zwischen Rippy, Harding und Angie zu liegen, wobei vor allem Hardings Hintergrund immer dunklere Abgründe offenbart.
„Alle sagten immer, Dale sei ein schlechter Polizist. Doch niemand kam darauf, wie schlecht er wirklich war. Sie dachten, es sei das Saufen und seine Spielsucht. Sie wussten nicht, dass er einen Stall minderjähriger Mädchen unterhielt, die seinen Gehaltsscheck von der Stadt aufbesserten. Dass er Fotos machte. Dass er die Fotos an andere Männer verkaufte. Dass er die Mädchen verkaufte. Dass er die Mädchen selbst benutzte.“ (Pos. 5590) 
Die amerikanische Thriller-Bestseller-Autorin Karin Slaughter hat in ihren miteinander verwobenen Reihen um Grant County, Georgia und Will Trent ein über die Jahre gereiftes, interessantes Figurenarsenal geformt, das abgesehen von Saras Ex-Mann, dem im Dienst getöteten Jeffrey Tolliver, auch in der mittlerweile langlebigsten Georgia-Reihe das Geschehen bestimmt.
Dabei wird vor allem die komplizierte gemeinsame Vergangenheit von den in Pflegeheimen und -familien aufgewachsenen Will und Angie aufbereitet, die vor allem bei Angie psychische Deformierungen hinterlassen hat und noch immer für zwischenmenschliche Turbulenzen zwischen den ehemaligen Eheleuten führt.
Das bekommt im sechsten Georgia-Band vor allem Sara am eigenen Leib zu spüren, als sie erfährt, dass Will sie nach einer Liebesnacht verlassen hatte, um Angie aufzusuchen. So haben Faith und Will mit ihrer Chefin Amanda nicht nur einen komplizierten Fall zu lösen, sondern es geht vor allem auch darum, ob Sara wieder das alte Vertrauen zu Will aufbauen kann. In der Vielschichtigkeit der Themen liegt leider auch das große Problem des Thrillers, denn die fast schon inzestuös wirkende Konzentration auf das bewährte, aber mittlerweile auch überstrapazierte Figurenensemble mit seinen komplizierten Verflechtungen und Animositäten nervt durch die Zwanghaftigkeit, mit der die Beziehungen konstruiert werden. Hier würde die Erweiterung durch andere starke Charaktere wahre Wunder wirken. Dies geschieht hier nur durch ein weiteres Familienmitglied, nämlich Angies Tochter Jo, die eine zentrale Rolle in dem Plot einnimmt, aber das Geschehen letztlich auch wieder nur auf Will und Angie zurückführt.
Die starre Fokussierung auf Will, Amanda, Faith, Sara und Angie führt nämlich leider auch dazu, dass die Personen, die in den Fall um Dale Harding und Marcus Rippy involviert sind, nur sehr grob skizziert werden. Durch die ständig wechselnden Hinweise bei den Ermittlungen und den vertrackten persönlichen Beziehungen geht vor allem im Mittelteil der Spannungsbogen weit nach unten, so dass bei „Blutige Fesseln“ sowohl in figürlicher Hinsicht als auch bei der Auflösung des Harding-Falls mehr Stringenz zu wünschen gewesen wäre. 
Leseprobe Karin Slaughter - "Blutige Fesseln"

Karin Slaughter – (Grant County: 1) „Belladonna“

Samstag, 12. November 2016

(Wunderlich, 413 S., HC)
Vor zwölf Jahren hat Sara Linton noch als Assistenzärztin im Grady Hospital in Atlanta gearbeitet, doch nach einem traumatischen Erlebnis hat sie ihre Heimatstadt verlassen und praktiziert nun in der verschlafenen Kleinstadt Heartsdale als Kinderärztin am Krankenhaus und als Gerichtspathologin. Als sie sich in ihrer späten Mittagspause mit ihrer Schwester Tess im örtlichen Diner trifft, entdeckt sie auf der Toilette die verblutende College-Dozentin Sybil Adams. Sara kann die schwer verwundete Frau nicht mehr retten und führt wenig später die Autopsie durch, bei der ihr nicht nur die tiefen Schnitte auf dem Bauch der Toten auffallen, die ein Kreuz bilden, sondern auch Hinweise auf eine brutale Vergewaltigung und Spuren der giftigen Tollkirsche – auch als Belladonna bekannt - im Blut der Toten, die zudem blind und lesbisch gewesen ist.
Polizeichef Jeffrey Tolliver, von dem sich Sara vor einiger Zeit wegen einer Affäre hat scheiden lassen, ist ratlos, was das Motiv für den schrecklichen Mord angeht. Als wenig später die dreiundzwanzigjährige Studentin Julia Matthews als vermisst gemeldet wird, fallen Jeffrey Tolliver und seiner Partnerin Lena Adams die Ähnlichkeit zwischen ihr und Lenas ermordeter Schwester auf. Um ihrem Verdacht auf einen Serienmörder nachzugehen, arbeiten die Ermittler eine Liste mit bekannten Sexualstraftätern ab und stoßen auf einen Namen, der Bezug zu einer dunklen Episode aus Saras Leben hat, von der die Betroffene ihm Ex-Mann nie erzählt hatte.
Aber auch Lena hat schwer mit dem Verlust ihrer Schwester zu kämpfen und setzt alles daran, von den Ermittlungen nichts ausgeschlossen zu werden.
„Sie war betäubt von dem Verlust, und Wut war die einzige Emotion, die ihr das Gefühl vermittelte, noch am Leben zu sein. So schloss sie ihre Wut geradezu in die Arme, gestattete ihr, wie ein Krebsgeschwür in ihr zu wachsen, damit sie nicht zusammenbrach und zu einem ohnmächtigen Kind wurde. Sie brauchte ihre Wut, um die Situation durchzustehen. Wenn Sybils Mörder erst einmal erwischt worden war und man auch Julia Matthews gefunden hatte, würde Lena sich Trauer zugestehen.“ (S. 164) 
Nach Patricia Cornwell und Kathy Reichs hat auch Karin Slaughter eine weibliche Pathologin zur Protagonistin einer bis heute extrem erfolgreichen Serie auserkoren. Mit ihrem 2001 veröffentlichten und zwei Jahre später auch hierzulande verlegten Romandebüt „Belladonna“ hat die amerikanische Autorin gleich einen Bestseller landen können, dessen Protagonisten bis heute in der „Grant County“-Reihe ihre Ermittlungsarbeit fortsetzen.
Slaughter macht ihrem Nachnamen dabei alle Ehre und scheint ein perfides Vergnügen dabei zu empfinden, Sara Lintons Erkenntnisse bei den von ihr durchgeführten Autopsien bis ins kleinste Detail zu beschreiben. Wer sich von diesen schaurigen Schilderungen nicht abschrecken lässt, wird mit einem packenden Thriller belohnt, der vor allem durch die sorgfältigen Charakterisierungen der drei Protagonisten Jeffrey Tolliver, Sara Linton und Lena Adams überzeugt, während das Finale mit der Überführung des Täters weniger stimmig wirkt. Auf jeden Fall ist mit „Belladonna“ der vielversprechende Auftakt einer sehr lesenswerten Thriller-Reihe gelegt worden.
Leseprobe "Belladonna"

Karin Slaughter – (Georgia: 5) „Schwarze Wut“

Donnerstag, 9. Juni 2016

(Blanvalet, 510 S., HC)
Um an den mysteriösen Big Whitey heranzukommen, der einen Drogenring in Macon, Georgia, unterhält, tarnt sich GBI-Agent Will Trent als krimineller Biker, wo er sich in die Drogenszene einschleust. Leider ist auch Detective Lena Adams in den Fall verwickelt, mit der Trent bereits in einem früheren Fall zu tun hatte, weil sie den Tod von Jeffrey Tolliver zu verantworten hat, der mit Trents jetziger Lebensgefährtin Sara Linton liiert war. Mit ihrem Team führt sie eine Razzia in einem Fixertreff durch, wo sie Sidney Michael Waller festnehmen wollen, der nicht nur als Drogenhändler, Zuhälter und Waffenschieber bekannt ist, sondern auch der Vergewaltigung seiner Nichte und der Ermordung seiner Schwester verdächtigt wird.
Doch bei der Razzia verliert nicht nur Waller, sondern auch ihr Kollege Eric Haigh sein Leben. Ein völlig verängstigter Junge wird hinter einer Wand entdeckt und weigert sich, auch nur ein Wort zu sprechen. Wenig später wird Lena in ihrem Haus überfallen, ihr Mann Jared, Sara Lintons Stiefsohn, überlebt schwerverletzt. Will kann im letzten Moment verhindern, dass Lena einen der Angreifer erschlägt, muss aber höllisch aufpassen, dass seine Tarnung nicht auffliegt, von der auch Sara nichts weiß.
Während sich Lena bei der internen Ermittlung des Macon Police Department rechtfertigen muss, arbeiten Will und seine Partnerin Faith mit Hochdruck daran, Big Whiteys Identität aufzudecken und in den inneren Kreis des Drogenhändlerrings vorzudringen.
„Will stieg aus, obwohl jedes Atom in seinem Körper ihm sagte, dass gleich etwas Schlimmes passieren würde. Aber er hatte keine andere Wahl. Jared Long lag im Krankenhaus, Lena war fast getötet worden. Irgendwo dort draußen war ein Drogendealer unterwegs, der es offensichtlich genoss, andere zu verletzen. Wenn Will seine Arbeit nicht richtig machte, würden noch mehr Leute im Krankenhaus landen. Oder unter der Erde.“ (S. 275)
Da Big Whitey offensichtlich über die Aktivitäten der Polizei stets informiert ist, scheint es mindestens einen Maulwurf im Department zu geben, was die Ermittlungen nicht unbedingt einfacher macht …
Karin Slaughter hat in ihrem mittlerweile fünften Band um die Kinderärztin Sara Linton und GBI-Agent Will Trent eigentlich einen recht gewöhnlichen Fall konstruiert. Interessant wird er erst durch die sehr komplexen persönlichen Verstrickungen zwischen Will Trent, Sara Linton und Lena Adams. Das schwere Geflecht aus Vergangenheitsbewältigung, Vorurteilen, Misstrauen und Geheimnissen bildet nehmen der Aufklärung von Big Whiteys Identität den eigentlichen Spannungsmotor eines Thrillers, der nur sporadisch die psychologischen Tiefen seiner Figuren erkundet und sich manchmal zu sehr in dem fast unüberschaubaren Beziehungswirrwarr verliert, mit dem die (teils) verdeckte Ermittlung behaftet ist.
Hier wird vor allem Lenas persönliche Tragödie im Zusammenhang mit der Razzia in Rückblicken aufgearbeitet und auch der schmale Grat, auf dem Will in der Beziehung zu Sara wandelt, zu den treibenden Handlungssträngen.  
„Schwarze Wut“ ist sicher nicht Karin Slaughters Meisterwerk und auch kein Höhepunkt in ihrer Georgia-Reihe, bringt aber zumindest weitere interessante Aspekte in der Geschichte der Hauptfiguren zutage.
 Leseprobe Karin Slaughter - "Schwarze Wut"

Karin Slaughter – „Cop Town – Stadt der Angst“

Donnerstag, 31. Dezember 2015

(Blanvalet, 544 S., Pb.)
Als die aus wohlhabenden niederländischen Verhältnissen stammende Kate Murphy im November 1974 ihren Dienst beim Police Department in Atlanta antritt, wird sie der erfahrenen Polizistin Maggie Lawson als Partnerin zugeteilt. Dabei lernt sie gleich die überaus rauen Sitten gerade unter den männlichen Kollegen kennen, die keinen Hehl aus ihrem Hass gegen Schwule, Juden und Schwarze machen und ihre weiblichen Kolleginnen mit ätzender Herablassung strafen. Doch momentan geht die Angst auch bei den männlichen Cops um, denn vor drei Monaten hat ein Killer angefangen, Streifenpolizisten in den frühen Morgenstunden im Innenstadtbezirk von Five Points regelrecht zu exekutieren.
Was den Ermittlern besondere Kopfschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass kaum Spuren zu finden waren, keine Zeugen, keine Patronenhülsen, keine Fingerabdrücke, schon mal gar keine Verdächtigen. Das jüngste Cop-Opfer ist ausgerechnet Don Wesley, der Partner von Maggies Bruder Jimmy. Jimmy selbst blieb von dem scheinbar überraschten Killer verschont, weil dessen Waffe eine Ladehemmung hatte. Als Kate und Maggie herausfinden, dass der Mord an Don wohl nicht so passiert sein kann, wie Jimmy es geschildert hat, machen sie sich mit Hilfe der Zivilbeamtin Gail auf die Suche nach Zeugen in dem als Hurenviertel bekannten Five Points und stoßen tatsächlich auf eine Zeugin.
Kate und Maggie finden heraus, dass der Atlanta Shooter, wie der Cop-Killer genannt wird, mit den Codes und Verhaltensweisen der Polizisten vertraut sein muss, doch mit der Weitergabe ihrer Informationen müssen die Frauen vorsichtig sein, denn Maggies Onkel Terry konnte in seinem Hass auf alle Minderheiten und die Verräter, die diese seiner Meinung nach zur Macht verholfen haben, alles Mögliche tun …
„Maggie musste wieder an Gails Vorschlag denken, den Fall gemeinsam zu bearbeiten. Es wäre für sie eine verdammte Herausforderung. Gail wusste genau, welche Knöpfe sie bei Maggie drücken musste. So schrecklich es auch klang – aber der Gedanke, bei der Aufklärung des Mordes an Don Wesley mitzuwirken, war durchaus aufregend. Doch dann war da noch eine andere Komponente … nämlich dass Maggie den Namen an Terry würde weitergeben müssen. Und damit würde sie Terry nicht nur einen Namen verraten. Sie würde das Schicksal des Verdächtigen besiegeln.“ (S. 89) 
Tatsächlich überschlagen sich die Ereignisse, als der Shooter für weitere Opfer verantwortlich ist und Maggie, Kate und Gail in lebensbedrohliche Situationen bringt. Doch die taffen Frauen denken gar nicht daran, ihren Teil der Jagd auf den Cop-Killer aufzugeben …
Abgesehen von der Novelle „Unverstanden“ (2009) ist „Cop Town“ erst der zweite Einzeltitel, den die amerikanische Thriller-Bestseller-Autorin Karin Slaughter jenseits ihrer überaus populären Reihen um die Rechtsmedizinerin Sara Linton, Polizeichef Jeffrey Tolliver und Ermittler Will Trent jetzt veröffentlicht. Dabei gelingt es ihr, den Leser bereits im Prolog zu fesseln, als Jimmy Lawson seinen schwer verletzten Kollegen ins Grady Hospital schleppt. Slaughter schafft es in der Folge ganz hervorragend, die Stimmung in der Cop Town Atlanta zu beschreiben, den abgrundtiefen Hass, den vor allem die Männer gegen jedwede Minderheiten hegen, die angespannten Beziehungen zwischen männlichen und weiblichen, weißen und schwarzen Kollegen im Police Department, das geheime Doppelleben, das die Männer führen, aber auch den starken Willen der Protagonistinnen, sich in dieser harten Männerwelt behaupten zu wollen.
Diese explosive Mischung aus Angst, Wut und Hass wird noch aufgeheizt durch einen Killer, der es ausgerechnet auf jene Männer abgesehen hat, die eigentlich dafür eingetreten sind, die Ordnung in diesem multikulturellen Chaos aufrechtzuerhalten.
Doch nach den präzisen Milieubeschreibungen und den emotionalen Wechselbädern, in denen vor allem Kate und Maggie baden, verliert Slaughter im letzten Drittel etwas den Schwung, der Plot verliert sich schon mal auf dem einen oder anderen Nebengleis. Zum Glück bekommt die Thriller-Queen zum Finale hin wieder die Kurve und schließt ein außergewöhnliches Werk ab, das fast mehr als gesellschaftspolitisches Dokument überzeugt denn als spannungsreicher Thriller. Leseprobe Karin Slaughter - "Cop Town"

Karin Slaughter – (Georgia: 4) „Bittere Wunden“

Samstag, 9. Mai 2015

(Blanvalet, 573 S., HC)
Im Juli 1975 bekamen die beiden jungen Polizistinnen Amanda Wagner und Evelyn Mitchell von ihrem neuen Sergeant Luther Hodge den Auftrag, einer Vergewaltigungsanzeige im Ghetto-Viertel Techwood nachzugehen, nachdem ein Anwalt namens Treadwell ordentlich Staub im Büro des Sergeants aufgewirbelt hatte. Unter der Adresse, zu der Wagner und Mitchell geschickt worden sind, war Treadwells Nichte Kitty gemeldet, doch von Jane Delray, einer der Untermieterinnen, erfuhren die beiden Polizistinnen vom Sittendezernat, dass nicht nur Kitty, sondern auch Lucy Bennett und Mary Halston seit Monaten verschwunden sind.
Doch als sie die Suche nach den vermissten Prostituierten auf eigene Faust fortsetzen wollten, wurden sie von ihren männlichen Kollegen immer wieder auf übelste Weise diskriminiert und ausgebremst. Allein Hodge hielt den unbeirrbaren Frauen so gut es geht den Rücken frei. In der Gegenwart verkündet Amanda Wagner bei einer Pressekonferenz, dass das Georgia Bureau of Investigation eine Fahndung nach der 19-jährigen Studentin Ashleigh Renee Jordan ausgegeben hat. Will Trent darf diesen Fall nicht bearbeiten, weil seine Chefin ihn zum Dienst am Flughafen abgeordnet hat.
So hat er Zeit, mit Dr. Sara Linton, mit der er seit Wochen liiert ist, einen Spaziergang nach Buttermilk Bottom zu machen, wo das Kinderheim stand, in dem Will aufgewachsen ist. Wenig später taucht Wills Chefin Amanda Wagner dort auf und berichtet ihm, dass sein wegen mehrfachen Mordes verurteilter Vater aus dem Gefängnis entlassen worden ist. Will stellt sofort eine Verbindung zwischen dem aktuell vermissten Mädchen und den Fällen her, die vor 35 Jahren zur Verurteilung seines Vaters geführt haben. Offensichtlich findet die grausige Mordserie von damals heute ihre Fortsetzung.
„Sara hatte noch nie an das Konzept des Bösen geglaubt. Sie betrachtete das Wort als eine Ausrede – als Möglichkeit, Geistesgestörtheit oder Verderbtheit wegzuerklären. Ein sicheres Wort, hinter dem man sich verstecken konnte, statt der Wahrheit ins Auge zu sehen: dass Menschen zu abscheulichen Taten fähig waren; dass uns nicht viel davon abhielt, unseren niederen Trieben nachzugeben.“ (S. 344f.) 
Wie schon in „Harter Schnitt“, dem vorangegangenen Band in der „Georgia“-Reihe um Will Trent, Sara Linton, Evelyn Mitchell und Amanda Wagner, haben es die ProtagonistInnen in „Bittere Wunden“ mit einem sehr persönlichen Fall zu tun. Im Gegensatz zu dem dramaturgisch so homogen inszenierten Vorgänger wirkt „Bittere Wunden“ allerdings nicht nur wegen der Zeitsprünge wie ein dürftig aufeinander abgestimmtes Flickwerk, bei dem Karin Slaughter sich scheinbar nicht so recht entscheiden konnte, worauf das Buch seinen Fokus richten soll. Denn viel interessanter als der Fall der vermissten und gefolterten Mädchen ist der amerikanischen Bestseller-Autorin die Milieustudie gelungen, die den Leser eine Zeitreise zu dem Beginn der beruflichen Karriere der beiden Freundinnen Amanda und Evelyn unternehmen lässt.
Wie diese damals in einer Atmosphäre von Rassismus und Frauenfeindlichkeit ihren Weg bei der Polizei gemacht haben, ist eindrucksvoll emotional geschrieben und macht deutlich, warum die beiden taffen Frauen jetzt so sind, wie wir sie kennen. Ebenso aufschlussreich stellt sich Wills Reise in die Vergangenheit und die Auseinandersetzung mit dem mörderischen Treiben seines Vaters dar. Seine Angst, dass er auch nur einen winzigen Teil seines Vaters in sich tragen könnte, lässt Will daran zweifeln, eine ernsthafte Beziehung zu einer Frau wie Sara zu unterhalten, die so ganz anders ist als seine Noch-Ehefrau Angie, mit der er durch eine traumatische Kindheit verbunden ist.
Karin Slaughter hätte sich damit begnügen können, den psychischen Befindlichkeiten ihrer Figuren auf den Grund zu gehen, doch als Thriller-Bestseller-Autorin musste natürlich auch ein Fall her, dessen Auflösung am Ende doch arg konstruiert wirkt.
„Bittere Wunden“ funktioniert wunderbar als gut recherchierte Geschichte über die sozioökonomische Struktur der Polizei in Atlanta in den 1970er Jahren und vor allem über die schwierige Rolle von Frauen innerhalb dieser staatlichen Organisation. Die Ermittlungen in den Fällen von damals und heute sind dagegen nicht so stringent dargelegt, wie wir es in schöner Regelmäßigkeit von Karin Slaughter gewohnt sind.
Leseprobe Karin Slaughter - "Bittere Wunden"

Karin Slaughter – (Georgia: 3) „Harter Schnitt“

Sonntag, 3. Mai 2015

(Blanvalet, 512 S., Tb.)
Nach der Geburt ihrer Tochter Emma hat Special Agent Faith Mitchell wieder ihren Job bei Georgia Bureau of Investigation aufgenommen. Tagsüber kümmert sich Faith‘ Mutter Evelyn um das gerade mal vier Monate alte Kind, mit dessen Vater Faith nichts mehr zu tun haben möchte. Als sie sich nach einem Computerkurs etwas verspätet, versucht Faith vergeblich, ihre Mutter zu erreichen, was absolut ungewöhnlich ist. Wie begründet ihre Sorge gewesen ist, erfährt Faith vor Ort: Bereits an der Tür entdeckt sie einen blutigen Handabdruck, ihre Emma findet sie im sonst verschlossenen Schuppen, in der Wohnung ihrer Mutter begegnet sie drei Männern, von denen einer bereits tot in der Wäschekammer liegt, die anderen beiden kann sie mit gezielten Schüssen ausschalten. Von ihrer Mutter fehlt allerdings jede Spur. 
Während Faith selbst sich erst mal von Dr. Sara Linton untersuchen lässt, bevor sie als Zeugin und Beteiligte vernommen werden kann, übernehmen Faith‘ Partner Will Trent und seine Vorgesetzte Amanda Wagner die Ermittlungen. Während Evelyn beim Atlanta Police Department den Weg für die Karriere von Frauen ebnete, erreichte ihre Freundin Amanda dasselbe beim GBI. Doch dann wurde gegen Evelyns Truppe im Drogendezernat wegen Korruption ermittelt. Alle Beteiligten wanderten in den Knast und stellten sich schützend vor ihre Vorgesetzte, die schließlich bei vollen Bezügen in Frühpension gehen durfte.
Doch die Vergangenheit hat Evelyn offensichtlich eingeholt. Will, der damals die Untersuchung gegen Evelyn geleitet hatte, und seine Kollegen identifizieren einige Tote als Mitglieder der mexikanischen Gang Los Texicanos. Und Evelyns Nachbarin und ehemalige Kollegin Roz Levy gibt in der Befragung zu Protokoll, dass sich Evelyn in letzter Zeit mit einem Mann getroffen hatte, der auf dem Unterarm ebenfalls das Tattoo der Los Texicanos trug.
Während Amanda, Faith und Will auf ein Zeichen von Evelyns Entführer warten, glaubt vor allem Will daran, dass es hier nicht um Geld, sondern um eine sehr persönliche Sache geht. Auf privater Ebene hat Will vor allem damit zu tun, seine Gefühle für Sara Linton und seine komplizierte Ehe mit Angie zu analysieren.
„Als Kind hatte Will sich beigebracht, nichts zu wollen, was er nicht haben konnte – die neuesten Spielsachen, Schuhe, die tatsächlich passten, selbst gekochte Mahlzeiten, die nicht aus einer Dose kamen. Seine Fähigkeit zur Selbstleugnung verschwand, sobald es um Sara Linton ging. Er konnte nicht aufhören, daran zu denken, wie ihre Hand auf seiner Schulter sich angefühlt hatte, als sie gestern auf der Straße gestanden hatten. Ihr Daumen hatte seinen Hals gestreichelt. Sie hatte sich auf Zehenspitzen gestellt, damit sie auf gleicher Höhe waren, und einen Augenblick lang hatte er gedacht, sie würde ihn küssen.“ (S. 277) 
In ihrem dritten Roman (nach „Tote Augen“ und „Letzte Worte“), der die Schicksale der beiden GBI-Agenten Faith Mitchell und Will Trent mit dem der Ärztin Dr. Sara Linton verbindet, begnügt sich die amerikanische Thriller-Bestseller-Autorin Karin Slaughter erneut mit einer recht kurzen Einführung, um ihre Leser dann mit einem dermaßen packenden Fall zu fesseln, dass man „Harter Schnitt“ nicht mehr aus den Händen legen mag.
Dadurch, dass mit Faith Mitchell eine der Protagonistinnen so direkt in einen Fall involviert ist, wie sonst zuvor niemand, bangt das Publikum nicht nur intensiver mit, sondern erfährt dankenswerter Weise auch mehr über den Hintergrund der treibenden Kräfte der Georgia-Reihe. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht allein das Verhältnis von Faith zu ihrer Mutter und zu ihren Kindern Jeremy und Emma auf der einen Seite, sondern auch Wills merkwürdige Ehe mit Angie, mit der er seit der gemeinsamen Pflegeheim-Zeit verbunden ist.
Karin Slaughter ist eine absolute Meisterin, wenn es darum geht, eine Adrenalin-geschwängerte Spannung in einem undurchschaubaren Fall aufzubauen und dabei immer wieder auf die persönlichen Probleme ihrer Figuren einzugehen. Mit „Harter Schnitt“ hat die Autorin einmal mehr ihre unnachahmliche Fähigkeit unter Beweis gestellt, ihre Leserschaft mit einem extrem spannenden, sehr persönlichen Fall zu unterhalten und gleichzeitig die Bindung zu den außergewöhnlichen Handlungsträgern zu intensivieren.
Leseprobe Karin Slaughter - "Harter Schnitt"

Karin Slaughter – (Georgia: 1) „Tote Augen“

Freitag, 1. Mai 2015

(Blanvalet, 574 S., Tb.)
Die Ärztin Dr. Sara Linton versorgt im Grady Hospital gerade die schwangere Polizistin Faith Mitchell, die von ihrem Partner Will Trent nach einem Ohnmachtsanfall eingeliefert worden ist, als die Opfer eines Verkehrsunfalls ihre Aufmerksamkeit erfordern. Während ihr Kollege Krakauer sich um Fahrer und Beifahrer kümmert, hat es Sara mit einer Frau zu tun, die bevor sie angefahren worden ist, offensichtlich gefoltert und sexuell misshandelt wurde. Als sich Special Agent Will Trent vom Georgia Bureau of Investigation in dem Wald nahe des Unfalls auf die Suche nach der Höhle macht, in der die Frau gefoltert und ausgehungert wurde, stößt er auf ein weiteres weibliches Opfer, das sich nach der Flucht aus der Folterhöhle offensichtlich in einem Baum selbst das Leben nahm, um seinem Leiden ein Ende zu bereiten.
Während Sara auf der einen Seite versucht, als Ärztin mehr zur Aufklärung der Fälle beizutragen, als es ihre Pflicht wäre, versucht sie die merkwürdige Beziehung zu verstehen, die sie mit Will verbindet. Sara ist vor zwei Jahren aus dem Grant County, wo sie Coroner und Kinderärztin gewesen ist, nach Atlanta gezogen, nachdem ihr Mann, Polizeichef Jeffrey Tolliver, bei einem Bombenanschlag getötet worden war. Seither hat sie keine nennenswerten Freunde gefunden. Auf der anderen Seite lebt Will in einer merkwürdigen Ehe mit der Polizistin Angie, die immer mal wieder für Monate völlig aus Wills Leben verschwindet und dann ebenso unverhofft wieder auftaucht.
Ganz andere Probleme beschäftigen Faith Mitchell, die nicht nur mit ihrer aktuellen Schwangerschaft zu kämpfen hat, sondern der auch noch Diabetes diagnostiziert wird, was sie selbst daran zweifeln lässt, ob sie Will noch eine verlässlichere Partnerin sein kann.
„Faith schloss die Augen und stellte sich die Autopsiefotos von Jacquelyn Zabel vor, die Höhle, in der Jacquelyn und Anna Lindsey festgehalten worden waren. Sie rief sich die Abscheulichkeiten ins Bewusstsein, die diesen Frauen passiert waren – die Folterungen, der Schmerz. Wieder legte sie die Hand auf den Bauch. War das Kind, das in ihr wuchs, ein Mädchen? In was für eine Welt brachte Faith sie; eine Welt, on der junge Mädchen von ihren Vätern belästigt wurden, in der Magazine einem sagten, dass man nie perfekt genug sein könne, in der Sadisten einen von einem Augenblick auf den anderen aus der eigenen Welt heraus und weg vom eigenen Kind reißen und für den Rest des Lebens in eine Hölle auf Erden stoßen konnten?“ (S. 407) 
Derweil nimmt der Fall der beiden gefolterten Frauen größere Dimensionen an, als eine weitere Frau verschwindet. Abgesehen von ihrem ähnlichen Aussehen scheint die einzige Verbindung zwischen den Frauen ein Chatroom zu sein, zu dem die Ermittler keinen Zugang finden. Der einzige Mensch, der alle drei Frauen kennt, ist der Entführer …
Nach sechs Bänden der "Grant-County"-Reihe, in der die amerikanische „Thriller-Queen“ Karin Slaughter (BILD am Sonntag) den Fällen von Sara Linton und Jeffrey Tolliver nachging, hat sie mit „Verstummt“ und „Entsetzen“ zunächst zwei Bände um den Special Agent Will Trent herum konstruiert, ehe sie mit „Tote Augen“ nun erstmals Sara Linton und Will Trent in der „Georgia“-Reihe aufeinandertreffen lässt.
Auf knapp 600 Seiten nimmt die komplexe Ermittlung in den Fällen der entführten und gefolterten Frauen natürlich einen breiten Raum ein, und Karin Slaughter zeigt sich überhaupt nicht zimperlich, wenn es um die brutalen Details geht, die das Leiden und die Wunden der Opfer beschreiben. Zum Glück widmet die Autorin aber auch den persönlichen Entwicklungen ihrer Figuren viel Zeit. Wie Sara nach wie vor den Tod ihres Mannes vor drei Jahren zu verarbeiten und darüber hinaus zu definieren versucht, wie ihre Gefühle für Will Trent gestaltet sind, ist ebenso psychologisch nachvollziehbar dargelegt wie die Sorgen, die Faith Mitchell umtreiben, die bereits im Alter von 14 Jahren ihr erstes Kind geboren hat und nun nicht nur eine weitere Schwangerschaft zu verdauen hat, sondern auch die Diabetes-Diagnose, die sie ebenso sehr privat wie beruflich beschäftigt.
Und auch Will ist noch von seiner Vergangenheit gezeichnet, vom frühen Tod seiner Mutter, der Inhaftierung seines Vaters und den Aufenthalten in staatlichen Kinderheimen ebenso wie von der schwierigen Beziehung zu seiner Frau, die die meiste Zeit nicht da ist. Slaughter gelingt es geschickt, die Ermittlungen und die persönlichen Belange von Sara, Will und Faith nahtlos miteinander zu verweben, ohne die Spannung zu vernachlässigen. Selbst mit der Auflösung lässt sich Slaughter viel Zeit.
„Tote Augen“ stellt einen vielversprechenden Auftakt zu einer neuen Reihe da, in der kürzlich mit „Bittere Wunden“ bereits der vierte Teil erschienen ist.
Leseprobe Karin Slaughter - "Tote Augen"

Karin Slaughter - (Will Trent: 2) „Entsetzen“

Dienstag, 14. September 2010

(Blanvalet, 510 S., HC)
Als Abigail Campano nach dem Tennis nach Hause in ihre Villa in Atlantas noblem Ansley-Viertel kommt, entdeckt sie mit Schrecken, dass eingebrochen wurde. Ihr Mann Paul, mit dem sie gerade telefoniert, alarmiert sofort die Polizei, doch Abigail schlägt die Warnung ihres Mannes, das Haus nicht zu betreten, in den Wind, als sie Blut im Flur entdeckt und Angst um ihre 17-jährige Tochter Emma bekommt. Tatsächlich entdeckt sie einen Mann mit einem Messer bewaffnet über der verunstalteten Leiche eines Mädchens. Der mutmaßliche Täter stürmt auf Abigail zu, doch Abigail gelingt es, den Angreifer zu erwürgen.
Als Will Trent und seine Vorgesetzte Amanda Wagner vom Georgia Bureau of Investigation am Tatort eintreffen, sind die örtlichen Kollegen schon vor Ort. Erst Paul Campano stellt bei seinem Blick auf die Leiche fest, dass es sich nicht um Emma, sondern wahrscheinlich um ihre Freundin Kayla handelt. Vor allem Trent fragt sich, wo sich Emma während des Verbrechens aufgehalten hat, ob sie Zeugin oder Mittäterin war, ob sie entführt wurde oder auf der Flucht ist. Trent muss ausgerechnet mit Detective Faith Mitchell vom Atlanta Police Department zusammenarbeiten, deren Mutter Evelyn er wegen Geschäften mit Drogendealern vom Polizeidienst in die Frühpensionierung schicken lassen musste. Als die beiden Cops das schulische Umfeld der drei beteiligten Jugendlichen untersuchen und Zimmergenossen, Freunde, Mitschüler, Lehrer und den zuständigen Dekan am Georgia Tech befragen, stoßen Mitchell und Trent auf etliche merkwürdige Gestalten, soziale Konflikte und Abhängigkeiten, die in einen immer tieferen Abgrund führen.
Karin Slaughter hat mit ihrer Grant-County-Reihe um die Rechtsmedizinerin Sara Linton und den Polizeichef Jeffrey Tolliver schnell eine große Anhängerschaft um sich versammeln dürfen, nun legt sie mit „Entsetzen“ nach „Verstummt“ den zweiten Fall von Special Agent Will Trent vor, der zwar unter Legasthenie leidet, aber dieses Manko durch besonderen Scharfsinn wieder wettmacht.
Nach furiosem Beginn nimmt das Tempo zwar ab, doch dafür nimmt sich Karin Slaughter viel Zeit und Raum, um ihre Figuren präzise zu zeichnen und die sozialen Abgründe zu sezieren, in denen sich nicht nur Opfer und Verdächtige bewegen, sondern auch Trent und seine neue Partnerin tragen die Dämonen ihrer Vergangenheit noch spürbar mit sich herum.  
„Entsetzen“ macht seinem Titel alle Ehre, auch wenn der Originaltitel „Fractured“ besser das Thema des packenden wie verstörenden Thrillers beschreibt.

Karin Slaughter - (Grant County: 3) „Dreh dich nicht um“

Mittwoch, 16. Dezember 2009

(Wunderlich, 460 S., HC)
Mit ihren ersten beiden Thrillern „Belladonna“ und „Vergiss mein nicht“ hat sich Karin Slaughter verdientermaßen in die erste Liga der Krimi-Autorinnen geschrieben. Auch ihr neues Werk ist wenig zimperlich ausgefallen und stellt die reinste Adrenalinspritze dar. Dabei begegnen uns alte Bekannte. Die Gerichtsmedizinerin und Kinderärztin Sara Linton ist gerade mit ihrer schwangeren Schwester Tess unterwegs, als sie zu einem Unfallort gerufen wird.
Auf dem Campus in Heartsdale, Georgia, wird der junge Andy Rosen von seiner Kommilitonin Ellen Schaffer tot aufgefunden. Ein Abschiedsbrief legt Selbstmord nahe, doch in der Nähe des Tatorts wird dann auch Tess brutal überfallen, als sie sich auf die Suche nach einer Toilette begab. Als dann auch Ella Schaffer nach einem vorgetäuschten Selbstmord mit weggeschossenem Kopf aufgefunden wird, versuchen Polizeichef Jeffrey Tolliver und seine Leute eine Verbindung zwischen den drei Fällen herzustellen. Spielten etwa Drogengeschäfte auf dem Campus eine Rolle, oder vielleicht rechtsradikale Parolen am Brückengeländer, wo Andy aufgefunden wurde? Vor allem macht sich Lena Adams, Jeffreys ehemalige Arbeitskollegin und nun bei der Campus-Polizei angestellt, verdächtig, lässt sich auch noch auf den jungen Ethan White ein, der über und über mit Nazi-Zeichen tätowiert ist und ein ellenlanges Vorstrafenregister besitzt. Dann passieren weitere Morde ... Atemberaubend spannend – man tappt bis zum Schluss absolut im Dunkeln und wird mitgerissen in einen Strudel aus Rassismus, Drogensumpf, Gewalt und Leidenschaft.

Karin Slaughter - (Grant County: 4) „Schattenblume“

(Wunderlich, 480 S., HC)
Gerade als die Kinderärztin und Gerichtsmedizinerin Sara Linton ihren Freund, Chief Jeffrey Tolliver, im Büro aufsucht, um ihre Beziehungsprobleme zu erörtern, und der junge Cop Brad Stephens eine Gruppe von Schulkindern durch die Räume des Polizeireviers von Heartsdale führt, stürmen zwei maskierte Gangster ins Revier, knallen den erstbesten Polizisten ab und nehmen die Kinder und alle anderen Personen als Geiseln.
Derweil versuchen Frank, der noch rechtzeitig flüchten konnte, und die gerade erst zum Polizeidienst zurückgekehrte Lena mit Hilfe des Georgia Bureau Of Investigation, die Geiselnahme zu einem unblutigen Ende zu führen und die Motive der Gangster zu ergründen. Die liegen nämlich in der mehr als zehn Jahre zurückliegenden Vergangenheit, als Jeffrey und Sara gerade erst ein Paar wurden und in Jeffreys Heimatstadt Sylacauga ein paar Tage Urlaub machen wollten. Doch der Aufenthalt wird von einigen Morden überschattet, in die Jeffreys bester Freund Robert verwickelt zu sein scheint …
Im vierten, wiederum extrem spannenden und wendungsreichen Abenteuer von Jeffrey Tolliver und Sara Linton erfährt der Leser endlich etwas über den schwierigen Beginn der problematischen Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Und dann verwundert es einen nicht mehr, dass die Ereignisse von 1991 noch immer wie ein dunkler Schatten über den beiden liegt …

Karin Slaughter - (Grant County: 2) „Vergiss mein nicht“

(Wunderlich, 508 S., HC)
Das Wiedersehen zwischen Jeffrey Tolliver, dem Polizeichef der Kleinstadt Heartsdale, und seiner Ex-Frau, der Kinderärztin und Pathologin Sara Linton, auf der Rollschuhbahn wird jäh unterbrochen, als Tolliver zu einem Einsatz direkt vor der Bahn gerufen wird. Dort droht die 13-jährige Jenny den sechzehnjährigen Herzensbrecher Mark Patterson zu erschießen. Bevor es dazu kommt, ist Tolliver gezwungen, das Mädchen niederzustrecken.
Derweil entdeckt Dr. Linton ein Neugeborenes auf der Toilette, auf der ihr zuvor Jenny begegnet war. Doch die Blutanalyse und Jennys Autopsie bringen Schreckliches zutage. Das Kind ist nicht von Jenny, deren Körper nicht nur von selbst zugefügten Schnittwunden übersät ist, sondern die auch brutal vergewaltigt und deren Vagina vor gut einem halben Jahr zugenäht worden ist. Niemand, nicht mal Jennys Mutter oder Sara selbst, die Jennys Ärztin gewesen ist, ahnten etwas von den schrecklichen Leiden des Mädchens. Doch auf der Suche nach Erklärungen tut sich die Polizei schwer. Erst als Tolliver seine alkoholabhängige Mutter im Krankenhaus von Sylacauga besucht und bei einem Treffen mit Highschool-Freunden auf einen Fremden trifft, der auf der Hand die gleiche Tätowierung wie Mark Patterson aufweist, wird das ganze Ausmaß des Dramas deutlich…
Schonungsloser und extrem spannender Kleinstadt-Thriller, der unverblümt die finstersten Abgründe der menschlichen Seele aufzeigt.