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Olen Steinhauer – „Der Anruf“

Samstag, 14. Mai 2016

(Blessing, 270 S., HC)
Nachdem auf dem Wiener Flughafen im Jahre 2006 alle hundertzwanzig Insassen eines Airbus, den Terroristen in ihre Gewalt gebracht haben, ums Leben gekommen sind, wird der Fall sechs Jahre später von der CIA neu aufgerollt, denn der Verdacht, dass es bei damals innerhalb der Organisation einen Maulwurf gab, der den Rettungsplan vereitelt hat, konnte bislang nicht bewiesen werden.
Der damals in Wien stationierte Henry Pelham macht sich auf den Weg an die amerikanische Westküste, um seine damalige Kollegin Celia Favreau zum Abendessen einzuladen.
Dass Henry diesem Treffen nervös entgegensieht, liegt nicht nur daran, dass er damals eine kurze Affäre mit Celia unterhielt und davon träumte, mit ihr den Rest seines Lebens zu verbringen, sondern auch an seinem Plan, sie dazu zu bringen, ihre Beteiligung an dem Verrat zuzugeben. Im Mittelpunkt des Verhörs, zu dem sich das Abendessen schnell entwickelt, steht ein Anruf, der zur Zeit der Entführung aus dem Büro von Celias Chef Bill Compton nach Amman in Jordanien geführt worden ist.
„Auf der einen Seite habe ich einen Auftrag zu erledigen und bin dafür um die halbe Welt geflogen – in meiner Tasche steckt ein Handy, das all unsere Worte aufnimmt. Auf der anderen Seite muss ich auf meine emotionale Gesundheit achten. Auf das, was meine Sinne wahrnehmen. Ich schaue ihr ins Gesicht, rieche gelegentlich ihren Duft und spüre ganz selten die Berührung ihrer Hand. Und die ganze Zeit stelle ich mir eine grundlegende Frage: Liebe ich diese Frau noch?“ (S. 75) 
Doch auch wenn Celia vor Jahren mit der Company abgeschlossen hat und in Carmel-by-the-Sea mit Mann und Kindern sesshaft geworden ist, sind ihre kommunikativen Fähigkeiten nicht eingerostet. So entwickelt sich das Verhör ganz anders, als Henry geplant hat …
Mit der Milo-Weaver-Trilogie „Der Tourist“, „Last Exit“ und „Die Spinne“ hat der amerikanische Autor Olen Steinhauer dem etwas eingeschlafenen Spionage-Genre neues Leben eingehaucht und sich als Meister komplexer Figurenbeziehungen und internationaler Verstrickungen erwiesen. Während er an seinem Roman „Die Kairo-Affäre“ schrieb, inspirierte ihn die BBC-Verfilmung des epischen Christopher-Reid-Gedichts „The Song Of Lunch“ mit Alan Rickman und Emma Thompson in den Hauptrollen zu einem Kammerspiel-artigen Thriller, der die ganze Welt der Spionage auf ein einziges Abendessen herunterbricht.
Wie Henry und Celia in „Der Anruf“ einander umgarnen, aushorchen und versuchen, sich gegenseitig in die Falle tappen zu lassen, ist einfach großartig geschrieben. Dabei sorgt die wechselnde Erzählperspektive zwischen Henry und Celia sowie die von ihnen erinnerten Ereignisse in der Vergangenheit für ein vielschichtiges Spielfeld, auf dem auch der Leser bald nicht mehr unterscheiden kann, wer Freund und Feind ist.
Leseprobe Olen Steinhauer - "Der Anruf"

Olen Steinhauer – „Die Spinne“

Sonntag, 21. September 2014

(Heyne, 494 S., Pb.)
Seit der Xin Zhu die sogenannte „Tourismus“-Abteilung der CIA für den Mord an seiner Tochter verantwortlich gemacht hat, löschte er diese in einer spektakulären Racheaktion mit den akkurat ausgeführten Morden an dreiunddreißig Agenten nahezu komplett aus. Zu den wenigen Überlebenden der Abteilung zählten neben dem Leiter Alan Drummond und der Agentin Leticia Jones auch Milo Weaver, der das Massaker an seiner Dienststelle zum Anlass nahm, seinen Job an den Nagel zu hängen.
Doch sein Freund Alan hat es bis heute nicht verwunden, dass er die Morde an seinen Agenten nicht verhindern konnte, und bittet Milo um Unterstützung bei der Vernichtung des Chinesen, der eine Abteilung des chinesischen Geheimdienstes leitet. Weaver lässt sich zunächst nicht ködern, doch dann verschwindet Drummond spurlos aus einem Londoner Hotel. Offensichtlich verfolgt er einen anderen Plan als Senator Nathan Irwin und die NCS-Beamtin Dorothy Collingwood, mit denen er zuvor eine Operation gegen Xin Zhu besprochen hatte.
Als Weavers Frau und Tochter gekidnappt werden, muss er sich wider Willen auch an der Suche nach Drummond beteiligen.
„Er wusste – oder vermutete -, dass sich Alans Plan um Rache drehte, während die Gruppe um Collingwood einen anderen Zweck verfolgte der vielleicht in den Abgründen der Außenpolitik verborgen lag. Was Alan auch vorhatte, es war auf jeden Fall so problematisch, dass Collingwood eine weltweite Suchaktion nach ihm angeleiert hatte. An diesem Punkt kam es auch darauf an, sich von seinen Vorurteilen zu verabschieden. Egal, wie durchgeknallt Alan war, Milo tendierte natürlich zu seiner Seite, denn auf der anderen Seite stand Irwin. Milo versuchte zwar, einen Bogen um Begriffe wie gut und böse zu machen, aber ihm war klar, dass er die beiden Lager automatisch in diese Schubladen einsortierte.“ (S. 276) 
Es dauert mehr als 100 Seiten, bis Milo Weaver, der Protagonist aus Steinhauers ersten beiden Thrillern „Der Tourist“ und „Last Exit“, die Bühne betritt. Bis dahin werden vor allem die Bemühungen des chinesischen Geheimdienstes beschrieben, die Gründe des zu spät bemerkten Aufenthalts von Leticia Jones in Shanghai aufzuklären. Doch sobald Milo Weaver in die Operation eingebunden wird, kommt Tempo und Spannung in den Plot, wie man es sonst nur aus dem Umfeld von James Bond und Jason Bourne kennt.
Steinhauer gelingt es dabei allerdings, die Story nicht unnötig komplex aufzubauschen, sondern diese sehr persönlich zu färben. Erst im letzten Viertel schlägt er vielleicht ein paar Haken zu viel und verliert seinen Helden etwas aus dem Blick. Interessant sind die vertrackten Pläne sowohl des amerikanischen als auch des chinesischen Geheimdienstes aber allemal.
Leseprobe Olen Steinhauer - "Die Spinne"

Olen Steinhauer – „Last Exit“

Donnerstag, 9. Juni 2011

(Heyne, 543 S., HC)
Als der Journalist Henry Gray einen Brief des verstorbenen CIA-Agenten Thomas Grainger erhält, in dem dieser von seiner Abteilung und Operationen berichtet, die sich mit dem Sudan und gegen China beschäftigten, sieht er wieder Schwung in seine abgeflaute Karriere kommen. Doch bevor er sich näher mit der Story beschäftigen und sich wie von Grainger gewünscht an Milo Weaver wenden kann, wird er von Weavers Kollegen James Einner ausgeschaltet. Vier Monate später taucht Weaver in Budapest auf, um Gray im Krankenhaus zu besuchen, kann sich aber noch keinen Reim auf die Geschichte machen.
Ein paar Monate später erhält Weaver, reaktivierter Agent der CIA-Abteilung für die schmutzigsten Geschäfte, Tourismus genannt, seinen achten Auftrag, wenn möglich zwanzig Millionen Dollar zu beschaffen. Weaver beschließt, aus einem schlecht bewachten Museum in Zürich vier Gemälde zu stehlen, doch bevor er diese zu Geld machen kann, bekommt Weaver von seinem neuen Chef Alan Drummond den Auftrag, in Berlin das 15-jährige Mädchen Adriana Stanescu zu töten und die Leiche verschwinden zu lassen. Doch Weaver geht diese Operation völlig gegen sein Gewissen.
„Jeder Tourist hat eine Vergangenheit, und Alan Drummond wusste alles über die zwei Gründe, die Milo bei einem komfortableren Budget den Zugang zum Tourismus verwehrt hätten: seine Frau und seine Tochter. Drummond war natürlich klar, dass diese scheinbar so einfache Aufgabe für ihn schwerer war als das Erstürmen der iranischen Botschaft in Moskau. Offenbar hatte Milo mit seinem Verdacht richtig gelegen: Die Abteilung vertraute ihm noch immer nicht, und die bisherigen Aufträge hatten nur als Vorbereitung gedient, als dreimonatige Inkubationszeit vor seiner Wiedergeburt als Tourist. Ein langer Probelauf, der im neunten Auftrag gipfelte: ein Umschlag, der graue Himmel über Berlin und der Wunsch, lieber sich selbst auszulöschen, als diesen Job durchzuführen.“ (S. 52 f.)
Also gestaltet Weaver den Job nach seinen Vorstellungen um, lässt das Mädchen nach der Entführung durch seinen Vater Jewgeni Primakow, der innerhalb der UN eine eigene Geheimabteilung unterhält, in den Bergen verstecken. Als die Kleine aber tot aufgefunden wird, steckt Weaver mächtig in der Klemme, wird er doch für den Killer gehalten. Auf der Suche nach den Verantwortlichen verdichtet sich sein Verdacht, dass es innerhalb der Tourismus-Abteilung einen Maulwurf gibt, der die ganze Abteilung mit dem Aus bedroht. Und irgendwie wird Weaver das Gefühl nicht los, dass der amerikanische Senator Nathan Irwin etwas damit zu tun hat …
Nach „Der Tourist“ präsentiert der amerikanische, mittlerweile in Budapest lebende Schriftsteller Olen Steinhauer mit „Last Exit“ seinen zweiten Roman um den „Touristen“ Milo Weaver. Der bietet zwar weit weniger Action, als man es von James Bond oder Jason Bourne gewohnt ist, dafür vermittelt Steinhauer das Agenten-Dasein auf höchst authentisch wirkende Weise. Wie er seinen sympathischen, vielschichtigen, gewissenhaften Helden durch die Welt schickt, um Intrigen, Verrat und Verstrickungen aufzudecken, ist nicht nur packend geschrieben, sondern verleiht den Hauptfiguren sehr menschliche Züge. Allerdings bleibt noch die schwierige Beziehung zu Milo Weavers Frau und Tochter näher zu beleuchten. Aber dafür bieten ja die hoffentlich geplanten Fortsetzungen noch reichlich Gelegenheit …
Lesen Sie im Buch: „Last Exit“

Olen Steinhauer – „Der Tourist“

Samstag, 28. August 2010

(Heyne, 543 S., HC)
Ein Tag vor dem berüchtigten 11. September 2001 ist CIA-Agent Milo Weaver in Holland unterwegs, um dort eine von den USA unterstützte 60-jährige Politikerin zu beschützen, die mit ihrer konservativen Gesetzesvorlage zur Einwanderungspolitik für so große Unruhen gesorgt hat, dass ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt worden ist. Der berüchtigte Auftragskiller „Der Tiger“ hat am Morgen bereits seinen dritten Anschlag verübt, den Weaver erneut vereiteln konnte. Doch kaum ist er dem letzten Kugelhagel entkommen, hat sein Chef Tom Grainger schon den nächsten Auftrag für ihn. In Slowenien soll er sich mit der Kontaktfrau Angela Yates treffen, die im Büro des Basisleiters Frank Dawdles arbeitet und mit Milo befreundet ist. Dem vermissten Dawdles wird vorgeworfen, einen Koffer mit Steuergeldern entwendet zu haben. Yates und Weaver können Dawdle zwar aufspüren, doch Weaver wird bei dem Einsatz so schwer verletzt, dass er ans Aufhören denkt.
Doch sechs Jahre später ist er dem berüchtigten „Tiger“ endlich auf der Spur. In Blackdale, irgendwo im Dreiländereck zwischen Mississippi, Alabama und Tennessee, wurde der „Tiger“ festgenommen, nachdem er eine Prostituierte geschlagen hatte. Bei der Vernehmung von Benjamin Harris, so „Tigers“ echter Name, stellt sich heraus, dass Harris es auf eine Begegnung mit Weaver angelegt hat. Bevor sich der ohnehin an AIDS sterbende Killer mit einer Zyanidkapsel umbringt, verrät er Weaver, dass er – wie Weaver – ein „Tourist“ gewesen ist, ein Geheimagent, der ohne Identität und soziale Kontakte auf der ganzen Welt Aufträge für die CIA erledigt. Und er bittet Weaver, sich an die Fersen derjenigen zu heften, die den Tod des „Tigers“ zu verantworten haben. Doch bevor er sich darum kümmern kann, wird er nach Paris geschickt, wo nun auf einmal seine Kollegin Angela Yates im Visier der CIA steht. Weaver glaubt nicht an ihren Verrat, doch bevor er das beweisen kann, wird sie vergiftet in ihrer Wohnung aufgefunden. Auf einmal ist Milo Weaver der Verdächtige und muss ganz schnell untertauchen, um die Hintermänner des Komplotts aufdecken zu können, ohne selbst ausgeschaltet zu werden.
Nach fünf Romanen, die vor dem Hintergrund des Kalten Krieges in einem fiktiven osteuropäischen Land angesiedelt waren, legt der in Virginia aufgewachsene Olen Steinhauer mit „Der Tourist“ den faszinierenden Grundstein für eine Spionage-Thriller-Trilogie, für deren ersten Teil sich Warner Bros. schon mal die Filmrechte und George Clooney als Hauptdarsteller gesichert hat.
Mit dem sympathischen CIA-Agenten Milo Weaver ist dem Autor ein charismatischer Protagonist gelungen, der ähnlich wie Lee Childs Jack Reacher, Ian Flemings James Bond oder Robert Ludlums Jason Bourne das Zeug besitzt, zu einer neuen Ikone des Genres zu werden, und auch Fans von Ken Follett und John Le Carré ansprechen dürfte. Dabei überzeugen nicht nur der packende und vertrackte Plot mit überraschendem Ende, sondern auch die für das Genre ungewöhnlich präzisen Charakterzeichnungen, die über den beruflichen Horizont der Protagonisten weit hinausgehen. Fortsetzungen sind unbedingt erwünscht!