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Joe R. Lansdale – (Hap & Leonard: 8) „Rote Rache“

Sonntag, 7. Juli 2019

(Golkonda, 284 S., Tb.)
Obwohl Hap und Leonard nach der Auseinandersetzung mit Clete Jimsons Gorillas von der Dixie-Mafia ein hübsches Sümmchen kassiert haben, das ihnen die hübsche Auftragskillerin Vanilla Ride vermacht hatte, und sich eine kleine Auszeit gönnen könnten, sind die beiden Hobby-Detektive nun offiziell für ihren alten Kumpel Marvin Hanson tätig, der nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst eine Privatdetektei unterhält. Ihr nächster Auftrag führt sie zur wohlhabenden, aber bescheiden lebenden Witwe Mrs. Christopher, die davon überzeugt ist, dass hinter dem Mord an ihrem Sohn mehr steckt, als die von der Polizei abgehakte Theorie von Raub mit Todesfolge. Unterstützt wird sie dabei von dem Journalisten Cason Statler aus Camp Rapture, einem nahen Freund der Familie. Den Polizeiberichten nach wurden Ted Christopher und seine Freundin Mini Marchland vor zwei Jahren an einer Joggingstrecke ermordet aufgefunden.
Von Teds Schwester June erfahren Hap und Leonard, dass Mini ein Flittchen gewesen sein soll, dass sich für einen Vampir gehalten habe. Dass bei den Leichen eine rote Teufelsfratze gefunden wurde, die an dem Baum über ihnen gemalt worden war, behielt die Polizei von Camp Rapture unter Verschluss, aber die beiden nun im offiziellen Auftrag ermittelnden Detektive stoßen während ihrer Ermittlungen auf weitere dieser merkwürdigen Zeichnungen, die über fünf Jahre an ganz unterschiedlichen Orten auftauchten, ohne dass je eine Zusammenhang zwischen ihnen vermutet worden wäre. Je weiter Hap und Leonard in die mysteriöse Geschichte eintauchen, umso mehr schrecken sie offensichtlich den Killer auf, den sie Roter Teufel nennen und der so brutal bei seinen Taten vorgeht, dass Hap bei dem Anblick eines der Opfer einen Nervenzusammenbruch erleidet.
„Der Tag verflog scheinbar in einem Augenblick. Wieder sah ich zu, wie die Schatten über die Wand wanderten. Diesmal waren es keine Vampire. Es waren kleine Stückchen Zeit, die meinem Leben gestohlen worden waren. Das Zimmer war dunkel und schwer, als wäre es in schwarzen Samt gehüllt.“ (S. 111f.) 
Doch nicht nur Hap erleidet traumatische Blessuren während der Suche nach dem Roten Teufel, auch sein „Bruder“ Leonard kommt übel unter die Räder. Zum Glück bekommen sie unerwartet von Vanilla Ride Unterstützung, denn sie hat selbst noch eine Rechnung mit dem Killer offen …
In ihrem achten Abenteuer (und dem letzten von insgesamt sechs, die der Golkonda-Verlag gerade als limitierte Taschenbuchausgaben veröffentlicht hat) müssen sich Hap Collins und Leonard Pine erst einmal daran gewöhnen, dass sie nicht wie sonst in einen Schlamassel stolpern, weil sie der Gerechtigkeit zu Sieg verhelfen wollen, sondern im offiziellen Auftrag unterwegs sind, der sich allerdings schnell als weit gefährlicher erweist als zunächst angenommen. Auch wenn „Rote Rache“ mit knapp über 280 Seiten nach dem ersten Roman „Wilder Winter“ der kürzeste in der Reihe darstellt, bekommt der Leser die volle Qualität von Joe R. Lansdales Genrekünsten präsentiert, nämlich herrlich flotte Sprüche und Frotzeleien, die die Beziehung zwischen Hap, seiner Freundin Brett und seinem Buddy Leonard charakterisieren, dazu einen vertrackten Fall und jede Menge böse Typen und krachende Action. Vor allem das Wiedersehen mit der taffen, attraktiven, aber auch ehrbaren Killerin Vanilla Ride stellt einen Höhepunkt des Romans dar. Zwar erzählt „Rote Rache“ wie alle Abenteuer von Hap und Leonard eine in sich abgeschlossene Geschichte, gerade in diesem Fall macht es aber Sinn, den vorangegangenen Band „Das Dixie-Desaster“ gelesen zu haben, weil vor allem Vanilla Ride und Marvin Hanson dort ausführlicher charakterisiert werden. Aber auch Cason Statler aus Camp Rapture ist ein alter Bekannter, den Lansdale-Fans aus dem Roman „Gluthitze“ (bzw. „Gauklersommer“ in der Golkonda-Ausgabe) bereits kennengelernt haben dürften.
„Rote Rache“ setzt die beliebte Hap-&-Leonard-Reihe, die mittlerweile auch als Amazon-TV-Serie zu verfolgen ist, konsequent mit derbem Humor und krachender Action, aber auch melancholischen und existentiellen Tönen fort, schlägt dabei gelegentlich etwas arg über die Stränge des Glaubwürdigen, macht aber neugierig auf die nächsten Abenteuer des charismatischen Duos aus East Texas.

Joe R. Lansdale – (Hap & Leonard: 7) „Das Dixie-Desaster“

Dienstag, 2. Juli 2019

(Golkonda, 316 S., Tb.)
Hap Collins - weiß, heterosexuell und Kriegsdienstverweigerer – und sein Buddy Leonard Pine – schwarz, schwul und Vietnam-Veteran – geraten mal wieder richtig in Schwierigkeiten, als Leonard mit dem gemeinsamen Kumpel, Ex-Bulle Marvin Hanson, in der gemeinsamen Wohnung von Hap und seiner Freundin Brett auftauchen. Der zur Zeit an einen Gehstock gefesselte Marvin beauftragt die beiden temperamentvollen Freunde damit, seine achtzehnjährige Enkelin Gadget von ihrem prügelnden Lover Tanedrue loszueisen, der sie zudem mit Drogen versorgt und für die berüchtigte Dixie-Mafia dealt.
Marvin hätte auch seine ehemaligen Kollegen mit dieser Geschichte behelligt, allerdings stecken auch korrupte Bullen in der Sache mit drin. Als Familienmenschen und Gerechtigkeitsfanatiker lassen sich Hap und Leonard nicht bitten und schlagen nicht nur den Trailer, aus dem Gadget und ihr Freund ihr Zeug verticken, und die drogenverseuchte Crew kurz und klein, sondern spülen auch die vor Ort liegenden Drogen im Klo runter. Das ruft natürlich auch die Dixie-Mafia auf den Plan, aber auch das FBI, für den Mafia-Mitglied Hirem Burnett als Kronzeuge aussagen sollte.
Sein Sohn Tim war mit Marvins Enkelin und dreihunderttausend Dollar Drogengeld durchgebrannt, so dass die Mafia das schwarze Mädchen aus dem Verkehr ziehen und das Geld zurückhaben wollte. So lassen sich Hap und Leonard vom FBI einspannen, um selbst aus der Schusslinie des FBI zu geraten und Burnett dabei zu helfen, heil aus der Sache rauszukommen.
„Am liebsten wollte ich mit Brett auf irgendeine Insel fahren, Kokosnüsse essen und rammeln, bis wir daran verreckten. Ich wollte nie wieder jemanden schlagen. Wollte nie wieder eine Waffe sehen, nicht mal von Weitem, nicht mal auf einem Foto in einer Zeitschrift. Ich wollte nie wieder wütend sein. Ich wollte nicht über meinen Ehrenkodex nachdenken müssen.“ (S. 105) 
Doch natürlich kommt es ganz anders. Hap & Leonard können sich zwar gegen ihre hartnäckigen Verfolger aus den Mafia-Reihen behaupten, bekommen es aber dann mit der Profikillerin Vanilla Ride zu tun …
In ihrem siebten Abenteuer demonstrieren die beiden an sich so unterschiedlichen, letztlich aber innig miteinander verbundenen Freunde Hap & Leonard, dass sie nicht nur ihr Herz am rechten Fleck haben, sondern auch alles dafür tun, der gerechten Sache zum Sieg zu verhelfen – auch wenn das bedeutet, selbst dabei etwas unter die Räder zu kommen. Da sich Lansdales Romane der Hap-&-Leonard-Reihe um die 300 Seiten eingependelt haben, verläuft der Plot nach vorhersehbarem Muster und ohne große Einleitung. Um ein unschuldiges Ding aus den Klauen der Dixie-Mafia zu befreien, sind sich die beiden Haudegen nicht zu schade, sich gegen einen ganzen Trupp von Mafia-Schergen in Stellung zu bringen und auch bei herben Verlusten auf ihrer Verbündeten-Seite bei der Stange zu bleiben. Lansdale schildert das muntere Treiben mit gewohnt lockerer Schreibe, würzt die lebendigen Dialoge mit dem ihm typischen Wortwitz und findet so die perfekte Mischung aus turbulenter Action (bei der seine beiden Protagonisten ebenso beteiligt sind wie Mafia-Vollstrecker, FBI, korrupte Bullen und eine sexy Vollblut-Killerin namens Vanilla Ride), liebenswerten Sympathiebekundungen zwischen Hap, Leonard und Brett sowie derben Sprüchen, wie sie nur Menschen von sich geben, die aus unterschiedlichen Lagen der Fleischeslust frönen. So zählt „Das Dixie-Desaster“ zu den besten Abenteuern des ungewöhnlichen Gespanns, von dem man einfach nicht genug bekommen kann.

Joe R. Lansdale – (Hap & Leonard: 6) „Machos und Macheten“

Sonntag, 16. Juni 2019

(Golkonda, 364 S., Tb.)
Die beiden Freunde Hap Collins und Leonard Pine, die zwar die unterschiedlichsten politischen Ansichten, sexuellen Ausrichtungen und Hautfarben haben, die man sich vorstellen kann, aber die besten Freunde sind und vor allem das Herz am rechten Fleck haben, arbeiten seit sechs Monaten als Wachschutz in Deerstones Geflügelverarbeitungsfabrik, als Hap beobachtet, wie auf der anderen Seite des Maschendrahtzauns ein vollgedröhnter Mann ein junges Mädchen misshandelt. Hap kann rechtzeitig genug eingreifen, um dem schwer verletzten Mädchen das Leben zu retten, kommt aber selbst ganz schön unter die Räder.
Wie sich herausstellt, handelt es sich bei dem Opfer um Sarah Bond, Tochter von Elmer Bond, dem das Unternehmen gehört, in dem Hap und Leonard arbeiten. Bond zeigt sich mit einem 100.000-Dollar-Scheck erkenntlich, gönnt den beiden Freunden einen einmonatigen bezahlten Urlaub, den Hap und Leonard mit einer Kreuzfahrt nach Mexiko verbringen. Dort lernt Hap die hübsche Fischerstochter Beatrice kennen, mit der er die Nächte verbringt, obwohl sein Herz an seiner Freundin Brett hängt. Um die Schulden bei dem Gangster Juan Miguel abzuzahlen, die ihr Vater für ihr Studium in den USA aufgenommen hat, lässt sich Beatrice auf einen lukrativen Deal ein: Da ihr Vater nach einem Haibiss nicht arbeiten kann, organisiert sie einen dreitägigen Charterausflug für wohlhabende Typen, bei dem Beatrice den Männern auch in anderer Hinsicht dienlich sein muss. Der Ausflug gerät aber völlig außer Kontrolle, Hap, Leonard und Billy, der Anführer der Truppe, landen im Gefängnis.
„Hier saßen wir also, in einem mexikanischen Knast. Ich, Leonard und ein Arschloch. Es war ein grässlicher Ort. Klein und eng, wir alle drei in einer feuchten Zelle mit diesen Ratten und einem furchtbar dreckigen Klo in der Mitte. Vor aller Augen musste man sich hinsetzen und scheißen. Irgendwie war das für mich das Erniedrigendste. Dass ich mir Kackwürste aus dem Kreuz presste, die durch das hiesige Essen wie Ziegelsteine rauskamen, und Billy mir dabei zuschaute.“ (S. 188f.) 
Doch der Gefängnisaufenthalt erweist sich noch als das kleinste Übel während ihres Abenteuerurlaubs in Mexiko, denn Hap und Leonard bekommen es schon bald mit dem Nudisten Juan Miguel und seinem riesigen Leibwächter Hammerhead zu tun, die sich nicht gern an der Nase herumführen lassen …
Besonders ehrgeizig sind Hap und Leonard nie gewesen, aber so langsam scheinen die beiden Freunde und Hobby-Ermittler ihr unstetes Leben in den Griff zu bekommen. Sie gehen einfachen, aber geregelten Jobs nach, Leonard lebt mit seinem Lover John zusammen, und Hap strebt auch mit seiner Freundin Brett eine ernsthafte Beziehung an, auch wenn er in Mexiko mal wieder schwach wird. Es dauert eine Weile, bis „Machos und Macheten“ in Gang kommt. Lansdale nimmt sich viel Zeit, den Alltag der beiden Freunde zu beschreiben und macht deutlich, dass der Humor und die lebendigen Dialoge ihm weit wichtiger sind als die Geschichte selbst. Bis sie endlich in Mexiko angekommen sind, passiert eigentlich nichts Weltbewegendes, nur die üblichen kleinen Pannen, die so typisch für das Leben von Hap und Leonard sind. Natürlich wird wieder viel über Titten, Mösen und Schwänze herumgealbert, es wird sich geprügelt, aber sobald die mexikanischen Gangster ins Spiel kommen, wird auch gefoltert und getötet. Das ist nichts für zartbesaitete Gemüter, aber das trifft letztlich auf die ganze Reihe um Hap und Leonard zu, die nun teilweise in limitierten Taschenbuchausgaben von Golkonda erhältlich ist.
„Machos und Macheten“ überzeugt mehr durch den unnachahmlichen Wortwitz und die erfrischenden Dialoge als durch eine komplizierte Story. Aber der Thriller bietet genau das, was die Fans von Hap und Leonard erwarten, nicht mehr und nicht weniger.

Joe R. Lansdale – (Hap & Leonard: 3) „Bärenblues“

Dienstag, 11. Juni 2019

(Golkonda, 316 S., Tb.)
Da Leonards Nachbarn ihre Drogen ungestraft verticken können, weil sie Freunde des Polizeichefs sind, der immer ein Auge zudrückt, solange er seinen Anteil bekommt, rastet der schwarze homosexuelle Leonard regelmäßig aus und steckt nun schon zum dritten Mal die Bude von Mohawk und seinen Kumpanen an. Sein weißer heterosexueller bester Kumpel Hap hilft da liebend gern aus und mischt kräftig mit.
Sergeant Charlie Blank bleibt nichts anderes übrig, als den beiden schlagkräftigen Buddys Handschellen anzulegen und abzuführen, was Leonards Lover Raul zum Anlass nimmt, das Weite zu suchen. Allerdings eröffnet Lieutenant Hanson ihnen einen Ausweg: Seine schwarze Freundin, die Rechtsanwältin Florida Grange, mit der Hap auch kurz etwas am Laufen hatte, ist spurlos verschwunden. Die ambitionierte Frau wollte in den Enthüllungsjournalismus einsteigen und war einer großen Story auf der Spur. Bobby Joe Soothe, der Enkel der Country-Blues-Guitar-Legende L.C. Soothe, plante laut einem Artikel in einer Musikzeitschrift, in die Fußstapfen seines Großvaters zu treten, indem er dessen bislang unveröffentlichte Stücke zum Besten gab. Als ein Yankee Bobby Joe die wertvollen Aufnahmen abkaufen wollte, soll der Musiker dem Weißen die Kehle durchgeschnitten haben, weshalb er in den Bau wanderte und sich dort vor Verzweiflung an seinen Schnürsenkeln aufhängte. Also fuhr sie trotz Hansons Warnung vor ein paar Wochen nach Grovetown, was für Schwarze ein gefährliches Pflaster sein soll. Das bekommen auch Hap und Leonard bei ihrer Ankunft dort zu spüren. An einem Waschsalon entdecken sie sogar ein Schild „Kein Zutritt für Farbige“. Doch weder bei Chief Cantuck noch bei den Bewohnern erfahren die beiden Hobby-Detektive, was mit Florida passiert sein könnte. Allerdings sorgt ihre Gegenwart für viel Unruhe, so dass sie von dem rassistischen Mob in einem Café ordentlich aufgemischt werden.
„Wir hatten nicht nur festgestellt, dass wir nicht unbesiegbar waren, wir hatten beide das Fürchten gelernt und wussten voneinander, was für Angst wir hatten. Das war nicht das erste Mal. Wir hatten aus unserer Angst nie einen Hehl gemacht, doch diesmal war es mehr als bloß Angst. Es war Hilflosigkeit. Die Sache war uns über den Kopf gewachsen.“ (S. 252) 
Doch so schnell lassen sich Hap und Leonard nicht unterkriegen …
Mit seinem dritten Abenteuer um die sympathischen, eigentlich recht gegensätzlichen Freunde Hap Collins und Leonard Pine führt uns Joe R. Lansdale einmal mehr in die tiefste Provinz von East Texas, wo die Rassentrennung noch zum Alltag gehört und der Ku-Klux-Klan in seiner gewalttätigsten Form regiert. Für so liberale, gerechtigkeitsliebende Menschen wie Hap und Leonard geht diese menschenverachtende Denkweise natürlich gar nicht klar, weshalb sie in Grovetown praktisch ständig im Visier der weißen Arschlöcher sind, die sich für bessere Menschen halten. Da gerät die Suche nach Florida fast nur Nebensache.
Trotz der gesellschaftskritischen Kommentare versteht es der Autor, mit seinem unvergleichlich derben Humor immer wieder ein Ventil zu schaffen, sodass auch die Neuauflage von „Bärenblues“ als Taschenbuch (nachdem die deutschsprachige Erstausgabe unter dem Titel „Mambo mit zwei Bären“ bei Rowohlt und eine Paperback-Ausgabe mit dem neuen Titel bereits bei Golkonda erschienen waren) eine spannende Detektiv-Story mit männertypischem Humor und deutlich sozialkritischen Tönen verknüpft.

Joe R. Lansdale – (Hap & Leonard: 2) „Mucho Mojo“

Samstag, 8. Juni 2019

(Golkonda, 316 S., Tb.)
Hap Collins setzt gerade Stöcke auf einem Rosenfeld, als sein Kumpel Leonard Pine ihm die Nachricht überbringt, dass sein Onkel Chester das Zeitliche gesegnet hat und er zur seiner Beerdigung nach La Borde will. Von der Rechtsanwältin Florida Grange erfährt Leonard, dass er Chesters Haus im Schwarzenbezirk der Stadt liegt, sowie eine höhere Geldsumme geerbt hat.
Außerdem bekommt Leonard von der Rechtsanwältin noch einen Umschlag mit einem Bankschließfachschüssel, einer Taschenbuchausgabe von „Dracula“ und Rabattmarken überreicht. Eigentlich wollen die beiden Freunde zunächst nur das Haus etwas aufpolieren, um es dann weiterverkaufen zu können, aber als sie beim Aufräumen und Renovieren unter einer Bodendiele auf eine Truhe stoßen, in der ein kleines Skelett liegt, erwacht der Gerechtigkeitssinn der beiden ungleichen Hobby-Ermittler. Denn die polizeilichen Ermittlungen im Fall der im Laufe der Jahre verschwundenen Kinder scheinen weniger als nur halbherzig verfolgt zu werden.
Eine Spur führt schließlich zu Reverend Fitzgerald, dessen Mitarbeiter Illium Moon mit dem Verstorbenen befreundet war. Während alle Indizien darauf hinweisen, dass Illium und Chester für das Verschwinden der Kinder verantwortlich gewesen zu sein scheinen, gehen Hap und Leonard davon aus, dass der pädophile Serienmörder noch immer sein Unwesen treibt. Aber auch die Drogendealer im Nachbarhaus sorgen für Unmut.
„Ich mühte mich hier mit Leonard ab, irgendeinem irren Kinderschänder und Mörder das Handwerk zu legen, und nur eine Tür weiter geschah im Grunde das Gleiche mit anderen Mitteln, da verhöhnte eine ganze Ladung Sackratten das Gesetz, und die Bullen sahen tatenlos zu, wir sahen tatenlos zu, völlig tatenlos. Da wurden Kinder durch die Sucht zu Tode gequält, und die Drogendealer sackten die dicke Kohle ein.“ (S. 220) 
Die Romane des amerikanischen Bestseller-Autors Joe R. Lansdale um den weißen Hetero-Kriegsdienstverweigerer Hap Collins und den schwarzen homosexuellen Vietnam-Veteranen Leonard Pine haben längst Kultstatus erreicht und wurden von den Amazon-Studios bereits als Fernsehserie adaptiert. Nun sind sechs Bände der erfolgreichen Roman-Reihe in einer limitierten Taschenbuch-Ausgabe im Golkonda-Verlag erschienen, der bereits die Paperback-Ausgaben veröffentlicht hatte (wobei der hier vorliegende Band bereits 1996 unter dem Titel „Texas Blues“ im Rowohlt-Verlag erschienen war).
In ihrem zweiten Abenteuer wird nicht nur die Rassismus-Thematik in der Beziehung zwischen Hap und Florida aufgegriffen, auch die Korruption und Scheinheiligkeit in öffentlichen Ämtern wird zum Kern der auch von körperlichen Auseinandersetzungen begleitenden Ermittlungen der beiden Hobby-Detektive. Doch neben der handlungstreibenden Aufklärung der Kindermorde sorgt vor allem der selbstironische Humor zwischen den ebenso temperamentvollen wie warmherzigen Buddys Hap und Leonard für großartige und schnörkellose Krimi-Unterhaltung.

Joe R. Lansdale – (Hap & Leonard: 10) „Bissige Biester“

Donnerstag, 1. November 2018

(Golkonda, 269 S., Pb.)
Kaum ist Hap Collins halbwegs davon genesen, zweimal niedergestochen worden zu sein, sitzt er auch schon wieder im Büro von Brett Sawyer Investigations, der Detektei seiner Freundin Brett, während sein schwarzer schwuler Partner Leonard in Houston bei einem Online-Sex-Date verweilt. Eigentlich wollte Louise Elton, die ältere schwarze Dame von gegenüber Leonard damit beauftragen, ihrem Verdacht nachzugehen, dass ihr Sohn ermordet worden ist – von Polizisten in Camp Rapture.
Erste Anlaufstelle soll Timpson Weed sein, der den Mord beobachtet haben soll. Wie Hap erfährt, hat die Sache ihren Anfang genommen, als Louises Tochter Charm, nachdem sie mit ihrer Kamera am entlegenen Sägewerk gewesen war, ohne ersichtlichen Grund von Officer Coldpoint festgenommen und erniedrigt worden ist. Als die Polizistin Manuela Martinez das junge Mädchen aus dieser misslichen Lage befreit hat, wurde Martinez vom Dienst suspendiert, Charm aber weiterhin von Coldpoint verfolgt. Charms älterer Bruder Jamar begann, die Stalking-Aktivitäten des Cops zu filmen, doch nachdem er festgenommen worden war, fand man ihn in den Projects tot auf. Hap und der aus Houston zurückgekehrte Leonard treffen sich mit dem Zeugen in einer Bar, wo Timpson ihnen von drei Cops berichtet, die Jamar vor der Kneipe mit Schlagstöcken bearbeitet hatten. Und von Martinez erfahren die beiden Ermittler, dass Coldpoint im stillgelegten Sägewerk illegale Hundekämpfe und Boxkämpfe organisiert.
Doch als sich Hap und Leonard mit Coldpoint und seinem Handlanger Sheerpoint auseinanderzusetzen beginnen, wird erst Timpson ermordet, dann bringen sich auch Hap und Leonard in die Schusslinie der korrupten Cops.
„Ich hatte schon mehrmals Schlimmeres erlebt als diese beiden Kleinganoven, aber nun erdrückte mich nicht nur dieser Brocken, sondern eine ganze Lawine aus allem, was ich jemals getan hatte und nicht hätte tun sollen.
Ich fragte mich, wie Leonard wohl damit umging. Die Antwort war mir klar. Er kam damit klar. Und wenn nicht, dann würde er mich das womöglich niemals wissen lassen, so eng wir auch befreundet waren. Manche Brücken überschritt er noch nicht mal mit mir gemeinsam. Bislang jedenfalls nicht.“ (S. 216) 
Seit Joe R. Lansdale 1990 mit „Wilder Winter“ die Serie um den republikanischen schwarzen schwulen Vietnam-Veteranen Leonard Pine und den weißen Kriegsdienstverweigerer Hap Collins ins Leben gerufen hat, sind nicht nur mittlerweile neun weitere Romane, sondern verschiedene Kurzgeschichten erschienen und zwei Staffeln als Fernsehserie von Sundance TV mit James Purefoy und Michael Kenneth Williams in den Hauptrollen produziert worden.
Auch der zehnte Roman um Hap & Leonard ist nicht nur wegen des zwar voraussehbaren, aber nichtsdestotrotz packenden Plots lesenswert, sondern natürlich auch wegen des kumpelhaft harten, doch herzlich humorvollen Umgangs der beiden Freunde miteinander. Gerade in den pointierten Dialogen erweist sich die erzählerische Meisterschaft des amerikanischen Schriftstellers, der sich zum Glück nicht auf ein Genre festlegen lässt und sowohl im Horror- als auch Krimi- und Thriller-Genre deutlich seine Spuren hinterlassen hat. Zu den Höhepunkten von „Bissige Biester“ zählt vor allem der Kampf, den Hap und Leonard glaubhaft miteinander ausfechten müssen, um Zeit bis zum Eintreffen der Kavallerie zu gewinnen, aber auch die herzenswarme Art, wie sich die beiden Freunde um die Erfüllung des zunehmend gefährlicheren Auftrags annehmen und dabei ohne Rücksicht auf ihr eigenes Wohlbefinden der Gerechtigkeit zu ihrem Sieg verhelfen wollen.
Das gelingt ihnen auch diesmal mit ihrem unvergleichlichen Humor!

Joe R. Lansdale – „Hap & Leonard: Die Storys“

Samstag, 27. Oktober 2018

(Golkonda, 270 S., Pb.)
Bevor mit „Savage Season“ 1990 der Debütroman um die beiden unvergleichlichen Privatermittler Hap Collins und Leonard Pine erschien (der unter dem Titel „Wilder Winter“ in Deutschland erstmals 2006 veröffentlicht wurde), hat der literarisch vielseitig begabte amerikanische Schriftsteller Joe R. Lansdale vor allem Horrorwerke wie „Akt der Liebe“, die Western-Horror-Anthologie „Straße der Toten“, „Nightrunners“ und die „Drive-In“-Trilogie veröffentlicht.
Im Laufe seiner ständig aufstrebenden Karriere ist Lansdale vor allem durch seine atmosphärisch dichten Südstaaten-Thriller „Kahlschlag“ und „Gauklersommer“ bekannt geworden, aber das sympathische Ermittler-Duo Hap & Leonard begleitet Lansdale und seine begeisterten Leser bis heute.
Neben mittlerweile zwölf Romanen sind über die Jahre immer wieder Kurzgeschichten erschienen, die nun in der Sammlung „Hap & Leonard: Die Storys“ zusammengefasst und um ein Vorwort von Bestseller-Autor Michael Koryta, ein kurzes Interview, das der Autor mit seinen beiden Protagonisten geführt hat, und ein Nachwort des Autors über seine besondere Beziehung zu seinen Helden ergänzt worden sind.
Die Geschichten sind nicht nur eine coole Einführung in das Leben, das der ehemals politisch engagierte „White Trash“-Kerl Hap und der schwarze schwule Vietnam-Veteran und Republikaner Leonard miteinander führen, sondern auch in die amüsante Weise, wie sie ihre Aufträge erledigen. In „Hyänen“ sollen Hap & Leonard dem Bruder ihres Auftraggebers aus der Patsche helfen. Der Einundzwanzigjährige hat sich offenbar mit Typen eingelassen, die einen Geldtransporter überfallen wollen. Nachdem Hap, Leonard ihr alter Freund Marvin damit begonnen haben, im Dreischichtsystem das Haus von Kelly und seinem auf die schiefe Bahn geratenen Bruder Donny zu überwachen, stößt Marvin nicht nur auf das Versteck der von Smokey geführten Bande, von dem aus wahrscheinlich der Überfall geplant werden soll, sondern auch auf den Umstand, dass vor einiger Zeit der Fahrer eines Fluchtwagens mit einer Kugel im Kopf im Wald aufgefunden wurde. Um Donny ein ähnliches Schicksal zu ersparen, legen sich Hap und Leonard mit Smokey und seinen Jungs an.
In der mit Andrew Vachss zusammen geschriebenen Geschichte „Veils Besuch“ wird Leonard mit einer Begebenheit aus Haps Vergangenheit vor zwanzig Jahren konfrontiert, als Hap Veils Bekanntschaft und die seiner Pistole gemacht hat und mit ihm zusammen den nicht ganz koscheren Umtrieben eines Fotografen auf die Spur kommen wollte. Die kurze Story „Mordsgutes Chili“ war als Werbegag zum Hap-&-Leonard-Roman „Schlechtes Chili“ gedacht und wird durch ein ganz persönliches Chili-Rezept von Joe R. Lansdale abgerundet. Und in „Todsicher“ werden Hap & Leonard von einer Frau beauftragt, ihrem von ihr getrenntlebenden Mann ins Gewissen zu reden und wenn nötig auch etwas aufzumischen, damit er sich nicht länger in ihre Angelegenheiten mischt. Doch je mehr sich die beiden Ermittler mit der Sache beschäftigen, umso mehr Ungereimtheiten tun sich auf. All die Geschichten fügen sich nahtlos in den Kosmos ein, den auch die Romane um Hap und Leonard ausmachen.
Wie Lansdale selbst in seiner Art Nachwort mit dem Titel „Wie ich Hap und Leonard hegte und pflegte, fütterte und großzog“ erwähnt, sind die Abenteuer, die die beiden an sich so verschiedenen, doch wie Brüder miteinander verbundene Männer erleben, eher nebensächlich, dafür sind es die Typen selbst, an denen die Leserschaft einen Narren gefressen hat.
„Da schrieb ich also diesen Roman, Leonard tauchte plötzlich auf, er und Hap waren die besten Freunde, obwohl sie durchaus verschiedene Ansichten hatten, so wie auch viele meiner Freunde anders sind als ich, doch im Kern stimmen Hap und Leonard überein. Sie sind anständige Menschen, sie sind nicht auf den Kopf gefallen, haben aber irgendwann im Leben den falschen Dampfer genommen und sind dann irgendwie am äußersten Rand des Amerikanischen Traums gestrandet.“ (S. 264) 
Lansdale verweist darauf, dass die Lebenssituation von Hap und Leonard seiner eigenen damals sehr ähnlich war, und ebenso wie sich das Leben des Autors veränderte, machen auch Hap und Leonard im Laufe all der Romane, in deren Zentrum sie stehen, eine Entwicklung durch. Bei all dem erfrischend anderen Humor und der unterhaltsamen Action, in die die beiden immer wieder verwickelt werden, sind die Geschichten von Hap und Leonard aber vor allem ein Zeugnis ihrer tiefen Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft. Wenn sie das Gefühl haben, einen sinnvollen Auftrag anzunehmen, der Gutes bewirkt, spielt die Bezahlung eigentlich keine Rolle. Dann lassen sie sich weder von ihrer Angst einschüchtern noch von ihrem Ziel abbringen. Dafür sind die sieben hier vereinten Geschichten ein wunderbares Beispiel, und davon profitieren nicht nur Einsteiger in das liebenswerte Universum von Hap & Leonard, sondern auch langjährige Fans.

Joe R. Lansdale – „Straße der Toten“

Freitag, 17. November 2017

(Golkonda, 285 S., Pb.)
Reverend Jebidiah Mercer betrachtet sich als Vollstrecker des Herrn, als Mann, der die Sünde ausmerzt, und zwar nicht nur mit Gottes Wort, sondern auch tatkräftig und zielsicher mit seinem umgebauten 36er Navy-Colt bewaffnet, den er in einem breiten Tuch über seinem Hosenbund trägt. Zu seinem strengen Gesichtsausdruck, der seinem Amt durchaus angemessen scheint, gesellt sich auch etwas sehr Unpriesterliches, das sich in den stahlblauen Augen widerspiegelt.
Als er mit seinem Pferd in die osttexanische Kleinstadt Mud Creek kommt, wo er sich ein Zelt mieten möchte, um einen Abendgottesdienst abhalten zu können, erfährt er vom dem dort praktizierenden Doc, dass vor einiger Zeit ein Indianer und seine farbige Gefährtin durch den Deputy Caleb gelyncht worden sind, weil ihnen vorgeworfen wurde, die Tochter von David Webb umgebracht zu haben.
Dabei hatten die beiden seit ihrer Ankunft in Mud Creek mit ihren Heiltränken vielen Kranken helfen können, bei denen der Doc mit seinem Mediziner-Latein am Ende gewesen war. Doch als sie das schwerkranke Webb-Mädchen nicht retten konnten, machten Caleb und sein Gefolge kurzen Prozess mit den Wunderheilern. Bevor der Indianer aufgeknüpft und die Frau bestialisch ermordet und zerstückelt wurde, sprach der Indianer einen Fluch in einer Sprache aussprach, die der Doc aus Büchern wie dem „Necronomicon“, „De Vermis Mysteriis“ und „Unaussprechliche Kulte“ kannte. Tatsächlich hat der Doc seither einige merkwürdige Todesfälle zu beurkunden, aktuell den Bankdirektor und Säuferkönig Nate Foster.
In kurzer Zeit verwandelt sich Mud Creek in eine Zombie-Stadt, die von dem rachsüchtigen Dämon in der Gestalt des gehängten Indianers angeführt wird. Zusammen mit dem Doc, seiner Tochter Abby und dem unerschrockenen Jungen David nimmt der Reverend den Kampf auf …
„Er war ein Mann des Herrn. Und er hasste Gott. Er hasste diesen Scheißkerl von ganzem Herzen.
Er wusste auch, dass Gott das wusste, und dass es ihm egal war, denn Jebidiah war sein Sendbote. Keiner aus dem Neuen Testament, sondern einer aus dem Alten: gnadenlos und unerbittlich, rachsüchtig und kompromisslos. Ein Mann, der Moses die Beine unterm Hintern weggeschossen und dem Heiligen Geist ins Gesicht gespuckt und ihn skalpiert hätte, nur um die himmlische Haarpracht in alle vier wilden Winde zu schleudern.“ (S. 154) 
„Straße der Toten“ vereint erstmals alle Geschichten, die der texanische, mit Preisen wie dem American Mystery Award, dem Edgar Award und dem Bram Stoker Award ausgezeichnete Autor Joe R. Lansdale („Ein feiner dunkler Riss“, „Kahlschlag“) um den charismatischen Reverend Jeb Mercer in den Jahren zwischen 1984 und 2010 veröffentlicht hatte. Neben dem Roman „Dead In The West“, der zwischen 1984 und 1987 in vier Teilen in „Eldritch Tales“ veröffentlicht wurde, vereint der Sammelband noch die Geschichten „Straße der Toten“, „Das Gentleman’s Hotel“, „Der schleichende Himmel“ und „Tief unter der Erde“, die weitere Abenteuer des außergewöhnlich kampflustigen Priesters erzählen, der sich mit Werwölfen, Zombies und Gespenstern auseinandersetzt.
Wie der Autor selbst im Vorwort ausführt, war er als Kind von Comics und Filmen inspiriert, und was ihn besonders faszinierte, war die Vermischung von Genres wie Science-Fiction, Western, Horror, Fantasy und Liebesgeschichten. Vor allem gefielen ihm die Universal-Horrorfilme, dann die trashigen Produktionen von Roger Corman und Westernserien wie „Gunsmoke“, „Maverick“, „Wanted Dead or Alive“ und „Have Gun“. Aus der Idee, selbst ein Drehbuch für einen Weird Western zu schreiben, entstand Anfang der 1980er „Dead In The West“, mit dem Lansdale sich – nach „Akt der Liebe“ (1981) – allmählich als ernstzunehmender Horror-Autor etablierte. Auf originelle Weise vereinte er hier klassische Western-Motive mit den Topoi des Grauens, wie wir ihn von H.P. Lovecraft, Arthur Machen oder Algernon Blackwood kennen, zu einem wilden Ritt, bei dem viel Blut fließt und Gotteslästereien zu lesen sind, aber auf so humorvolle, temporeiche Weise, dass nicht nur Roger Corman seine helle Freude an dem unterhaltsamen Stoff hätte.
In der Werksbiografie nehmen die Geschichten rund um Reverend Jeb Mercer fraglos eine (trashige) Sonderstellung ein, aber Lansdale-Fans dürften trotzdem ihren Spaß dabei haben, auch wenn sich die Geschichten in Aufbau und Entwicklung ähneln und nur die übernatürlichen Wesen eine andere Form annehmen. Ebenso sind die Charaktere längst nicht so fein gezeichnet, wie wir es von Lansdales Meisterwerken „Die Wälder am Fluss“ oder „Dunkle Gewässer“ gewohnt sind, aber das trifft auf die legendären Pulp-Geschichten auch nicht zu.

Joe R. Lansdale – (Hap & Leonard: 9) „Krasse Killer“

Sonntag, 8. Oktober 2017

(Golkonda, 380 S., Pb.)
Einen Großteil ihres Einkommens verdanken Hap Collins und Leonard Pine dem Detektivbüro von Marvin Hanson. Als dieser den Job als Polizeichef annimmt, verkauft er seinen Laden an Haps Lebensgefährtin Brett – mit Hap und Leonard als ihre Vollzeitangestellten. Bei ihrem ersten Auftrag sollen die beiden Freunde für die betagte Dame Lilly Buckner ihre Enkelin Sandy finden, die ihr einst 50.000 Dollar und Wertpapiere aus dem Safe geklaut hatte, Journalismus studierte und vor fünf Jahren spurlos verschwunden ist.
Das Ermittler-Duo sucht das Autohaus Frank’s Unique Used Cars auf, wo offensichtlich nicht nur außergewöhnliche Autos, sondern mit ihnen auch exklusive Models angeboten werden, die mit ihren wohlhabenden Kunden kostspielige Reisen unternehmen, dabei gefilmt und schließlich erpresst werden. Unwillige Kunden werden, so bringen Hap und Leonards Informanten ans Tageslicht, von einem sogenannten Knipser mit einem Draht ums Leben und ihre Eier gebracht.
Doch hinter dem ganzen Unternehmen stecken weit skrupellosere Gangster der Dixie-Mafia, denen bereits das FBI auf den Fersen ist. Mit der Verstärkung von Haps alter Bekannten Vanilla Ride und den furchtlosen Booger und Jim Bob begeben sich Hap und Leonard schließlich in die Höhle des Löwen, um nicht selbst erneut ins Visier des Mobs zu gelangen, der längst eigene Anstrengungen unternommen hat, die hartnäckigen Jungs auszuschalten …
„Auf den Regalen waren auch viele alte, billig gerahmte Fotos aufgestellt. Völlig verstaubt, zeigten sie verschiedene Leute, die sich alle ähnlich sahen. Familienfotos, abwechselnd mit eingelegten Hoden. Schöne Erinnerungen, so richtig heimelig. Ich beugte mich vor und sah mir die Fotos genauer an. Es waren Fotos von aufgebahrten Toten, Männer im Anzug, Frauen im langen weißen Kleid, vielleicht sogar immer der gleiche Anzug, das gleiche Kleid für alle. Das erinnerte mich an viktorianische Fotografien von Toten, damals hatte man den kürzlich Verstorbenen ihre Sonntagsklamotten angezogen und sie so fotografiert.“ (S. 340) 
Als hätten Hap und Leonard mit ihrem zunehmend gefährlicheren Auftrag nicht genug zu tun, wird Hap auch noch mit der Bekanntschaft des jungen Mädchens Chance konfrontiert, das behauptet, Haps Tochter zu sein …
Auch in seinem neunten Band bleibt sich Joe R. Lansdale in seiner erfolgreichen Reihe um den weißen heterosexuellen Kriegsdienstverweigerer Hap und den schwarzen, homosexuellen Vietnamveteran Leonard treu, die mittlerweile auch in einer von den Amazon Studios produzierten Fernsehserie ihr Unwesen treiben dürfen.
In „Krasse Killer“ wird die Vorgeschichte der beiden Buddys nicht weiter thematisiert, aber ihre unterschiedlichen sexuellen Neigungen bieten zwischen den beiden schlagkräftigen Spaßvögeln immer wieder witzigen Gesprächsstoff, ebenso ihr Verhältnis zur Gewaltanwendung. In ihrem neuen Abenteuer haben es Hap & Leonard nicht nur mit der obligatorischen Suche nach einer Vermissten zu tun, sondern sie legen sich zunächst mit einer Biker-Gang und schließlich mit der Dixie-Mafia an, ohne ihrem eigentlichen Ziel wirklich nahezukommen. Diesen Plot inszeniert Lansdale mit so viel Witz, Tempo und Action, dass das Buch nach einer Verfilmung nur so schreit – wenigstens in einer Staffel der dazugehörigen Amazon-Serie.
Vor allem das Finale hat es in sich und bringt dabei auch zutiefst menschliche Regungen zutage. Toll!