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Jean-Christophe Grangé – „Die marmornen Träume“

Dienstag, 21. Februar 2023

(Tropen, 681 S., HC) 
Der Franzose Jean-Christophe Grangé hat schon seit 1989 erfolgreich Drehbücher für die französische Fernsehserie „Série Noire“ (1984-1991) verfasst, ehe er bereits mit seinem hierzulande 1996 veröffentlichten Romandebüt „Der Flug der Störche“ auch als Schriftsteller den Durchbruch schaffte. Nach den erfolgreichen Verfilmungen seiner Romane „Die purpurnen Flüsse“ und „Das Imperium der Wölfe“ – jeweils mit Jean Reno in der Hauptrolle – avancierte Grangé zu einem der populärsten Thriller-Autoren Frankreichs. Mit seinem neuen Roman bewegt sich der Erfolgsautor auf ungewöhnliches Terrain, taucht tief in die Zeit der Nazis kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ein und lässt ein interessantes Ermittler-Trio Jagd auf den geheimnisvollen Marmormann machen… 
Der brillante Psychoanalytiker Simon Kraus ist zwar von kleiner Statur, verfügt aber über genügend Charisma und Sex-Appeal, dass er gleich reihenweise seine Klienten, allesamt attraktive Frauen hochrangiger Nazi-Funktionäre, erst verführt und dann im Gegenzug für sein Stillschweigen erpresst. Der aus der Gegend um München stammende Schönling hat zwar schon in Paris gelebt und sich in London aufgehalten, doch der Wechsel zwischen den Extremen, die er in Berlin sowohl auf der politischen als auch auf der sozialen Seite seit dem Ende des Ersten Weltkriegs erleben durfte, übten seit jeder einen besonderen Reit auf ihn aus. 
Doch diese lukrativen Geschäfte finden ein jähes Ende, als er von Hauptsturmführer Franz Beewen aufgesucht wird, der die Ermittlungen im Fall der ermordeten Margarete Pohl leitet. Dass die Frau eines SS-Gruppenführers auf bestialische Weise umgebracht worden ist, verstört auch den Psychoanalytiker und Traumforscher. Beewen weiß, dass die Frau Angst vor einem „Marmormann“ gehabt habe, wie sie ihrem Mann erzählte, doch darüber hinaus ist nichts über die Umstände ihres Todes noch ein Motiv erkennbar. Dabei ist mit der 27-jährigen Susanne Bohnstengel schon zuvor eine ähnlich grässlich verstümmelte Leiche an der Museumsinsel aufgefunden worden, die ebenfalls zu Kraus‘ Klientinnen zählte und in ihren Träumen dem Mann mit der marmornen Maske begegnet war. Nachdem Kriminalkommissar Max Wiener mit den Ermittlungen zu den Morden an den beiden Frauen beauftragt worden und plötzlich verschwunden war, liegt es nun also an Beewen, weitere Morde an Frauen zu verhindern, die sich mit ihrem illustren Wilhelmklub regelmäßig im Hotel Adlon treffen. Während Simon Kraus Beewen bei seiner Arbeit dahingehend unterstützt, dass er seine privaten Kontakte zu den Frauen des Wilhelmklubs nutzt, um an weitere Informationen zu gelangen, besucht Beewen die von der adligen Psychiaterin Minna von Hassel geleitete Nervenheilanstalt, in der auch sein Vater untergebracht ist. 
Die alkoholsüchtige Baronin schließt sich Beewen und Kraus bei ihrer Suche nach dem Marmormann an. Sie stoßen auf das Filmplakat zu dem Science-Fiction-Film „Der Geist des Weltraums“ mit Kurt Steinhoff in der Hauptrolle und glauben, durch die Maskenkünstlerin Ruth Senestier endlich eine Spur zum Mörder gefunden zu haben, doch dann stellen sie fest, dass die Morde an den arischen Frauen einem weitaus beängstigenderen Plan folgen… 
„Auf unerklärliche Weise war es Hitler mit seiner wortkargen Art und dem lächerlich Zweifingerbart gelungen, wie ein Filmstar die Frauen in seinen Bann zu schlagen. Er konnte noch so viel in sein Mikrofon schimpfen, übertrieben herumgestikulieren und wie ein Irrer auftreten, der hinter Gitter gehörte – er hatte eine Leidenschaft, eine Begeisterung, eine Blindheit in ihnen geweckt, die nicht abrissen. Hitler, der elektrische Generator der Frauen. 
Minna war also kaum überrascht, dass in den obersten Gesellschaftsschichten Berlins das gleiche Phänomen herrschte. Ungeachtet ihres unbekümmerten Auftretens bildeten die Adlondamen offenbar eine anspruchsvolle, dem Führer vollkommen ergebene Sekte.“ (S. 465) 
Allein für den Mut, als Franzose einen schaurigen Thriller zu inszenieren, der in der finstersten Epoche der deutschen Geschichte verortet ist, gebührt dem versierten Jean-Christophe Grangé Respekt. Ihm gelingt es, die politisch so fatale, gesellschaftlich zerbrochene Atmosphäre im Berlin Ende der 1930er Jahre so authentisch zu beschreiben, dass es einem als Leser ungewöhnlich leicht fällt, sich in diesen Malstrom aus Volksverhetzung, Antisemitismus und Nazi-Adel einzufühlen. 
Das Unbehagen angesichts der perfekt organisierten Schrecken, die dort flächendeckend verbreitet wurden, ist bei der Lektüre des verstörenden Stoffes natürlich ständiger Begleiter. Vor dem Hintergrund des Massenmordes, den die Nazis nicht nur an Juden, sondern u.a. auch an „nicht lebenswerten“, psychisch kranken Menschen verübten, erscheinen die Morde an wohlhabenden Nazi-Ehefrauen zunächst wenig spektakulär, aber Grangé nutzt die brutalen Serienmorde an den prominenten Frauen des Wilhelmklubs für eine Reise in die Finsternis der abartigen Nazi-Ideologie. 
Zwar weist „Die marmornen Träume“ auch einige Längen auf, aber Grangé weiß seinen Figuren jeweils ein starkes Profil zu verleihen. So unterschiedlich die beiden Psychoanalytiker und der SS-Offizier von Herkunft und Ansichten auch sind, vereint sie auf überzeugende Weise der Kampf gegen die ominöse „Operation Europa“, die das Trio weit über Deutschlands Grenzen hinaus führt.  
Grangé ist mit seinem neuen Roman eine gut funktionierende Mischung aus Historien-Drama und Noir-Thriller gelungen, wobei die Ermittlungen immer neue Wendungen nehmen und am Ende zu einem dann doch etwas enttäuschend platten Finale führen.  

Anna Burns – „Milchmann“

Samstag, 22. Februar 2020

(Tropen, 456 S., HC)
Sie nennt sich selbst „Vielleicht-Freundin“, weil sich die Identität der 18-jährigen Protagonistin vor allem aus der unverbindlichen Quasi-Beziehung mit „Vielleicht-Freund“ herauskristallisiert. Vielleicht deshalb, weil sie sich aus verschiedenen Gründen definitiv nicht vorstellen kann, mit „Vielleicht-Freund“ zusammenzuleben. Aber dann ist da noch das Gerede über den ominösen, immerhin schon einundvierzigjährigen „Milchmann“, seit Schwager Eins womöglich das Gerücht in die Welt gesetzt hat, dass sie eine Affäre mit dem Mann unterhalte. Dabei hat sie den Annäherungsversuchen von „Milchmann“ nie nachgegeben, ist nie in sein Auto gestiegen, wenn er neben ihr hielt, während sie im Gehen in „Ivanhoe“ las.
Ma hat dagegen ganz konkrete Vorstellungen über den idealen Mann für ihre Tochter, die noch drei jüngere Schwestern hat sowie einen im Bürgerkrieg gefallenen Bruder und einen, der vor dem Bürgerkrieg geflohen ist. Die an sich unkomplizierte Beziehung mit „Vielleicht-Freund“, das gelegentliche Joggen mit Schwager Drei, das Besuchen eines Französisch-Kurses im Stadtzentrum sowie das Lesen im Gehen bieten „Vielleicht-Freundin“ ausgesuchte Fluchtmöglichkeiten aus der brutalen Realität, in der die paramilitärischen „Verweigerer“ auf die Soldaten des „Landes jenseits der See“ treffen. Dass sich „Vielleicht-Freundin“ mit einem „Verweigerer“, „Milchmann“, einlässt, macht sie verdächtig, und schon bemerkt sie beim Joggen mit Schwager Drei stets das Klicken von Kameras aus den Büschen heraus.
Aber sie zieht durch diese Gerüchte auch „Verweigerer“-Groupies an, Mädchen, die mit gutgemeinten Ratschlägen ihre Freundschaft zu erringen bemüht sind. Aber die erschreckende Realität lässt „Vielleicht-Freundin“ ihre eigene Geschichte schreiben …
„In einem Bezirk, der von Verdächtigungen, Mutmaßungen und Vagheit lebte, wo alles spiegelverkehrt war, war es außerdem unmöglich, eine Geschichte zu erzählen oder sie eben nicht zu erzählen und einfach den Mund zu halten, nichts konnte hier gesagt oder nicht gesagt werden, das nicht hinterher als einzig wahre Wahrheit verbreitet wurde.“ 
Die 1962 in Belfast geborene Anna Burns hat bereits in ihrem 2001 veröffentlichten Debütroman „No Bones“ ihre Erfahrungen mit dem nordirischen Bürgerkrieg verarbeitet. Nun wird ihr u.a. 2018 mit dem renommierten Man Booker Prize ausgezeichneter Roman „Milkman“ auch hierzulande veröffentlicht. Es bedarf einer gewissen Eingewöhnung in den fraglos wortgewaltigen, sprachgewandten Stil der Nordirin, die ihre Geschichte seltsam unverortet in Zeit und Raum als endlosen Monolog durch die namenlose Protagonistin erzählen lässt. Dennoch braucht es nur wenige Seiten, bis auch der letzte Leser begreift, dass Burns hier eine sehr persönliche Sichtweise auf den besagten Bürgerkrieg offenbart.
Es ist keine leichte Lektüre, die die Preisträgerin mit „Milchmann“ offeriert. Schließlich bietet der durchgängige Monolog so gut wie keine Handlung, dafür aber eine für ein 18-jähriges Mädchen sehr reife, vielschichtige Reflexion über die beängstigenden Ereignisse um sie herum. In einer bedrohlichen Atmosphäre, in der die Angst immer neue paranoide Züge annimmt, sieht sich die Ich-Erzählerin gezwungen, ihren eigenen Weg zu gehen, auch entgegen der gutgemeinten Ratschläge ihrer Mutter und der bösartigen Gerüchte über ihre nicht existierende Beziehung zum „Milchmann“. Indem sie sich einer konventionellen Dramaturgie verweigert und „Milchmann“ als Tagebuch-ähnliche Selbstreflexion anlegt, untergräbt sie nicht nur die Lesegewohnheiten ihres Publikums, sondern fordert auch dessen anhaltende Aufmerksamkeit heraus. Dass „Milchmann“ gerade zum „Brexit“ auch in Deutschland veröffentlicht wird, mag kein Zufall sein, lenkt der außergewöhnliche Roman den Blick über die Grenzen zementierter Meinungen hinaus und wartet bei aller Ernsthaftigkeit mit erfrischend schwarzem Humor auf.
Leseprobe Anna Burns - "Milchmann"

Douglas Coupland – „Spieler Eins. Roman in 5 Stunden“

Samstag, 21. April 2018

(Tropen, 246 S., HC)
Die fast vierzigjährige Karen fliegt nach Toronto, um sich in der Cocktail-Lounge des Camelot-Hotels am Flughafen mit ihrem Blinddate Warren zu treffen. Dort wartet der als Barkeeper arbeitende trockene Alkoholiker Rick darauf, den Motivations-Guru Leslie Freemont zu treffen, ihm achttausendfünfhundert Dollar in bar in die Hand zu drücken, damit der 37-jährige, etwas niedergeschlagene Rick an dessen Power Dynamics Seminar teilnehmen kann. Luke wiederum, Pfarrer der Kirche des Neuen Glaubens, brütet bei einigen Whiskeys über seine Zukunft nach, nachdem er mit den 20.000 Dollar aus der Spendenkasse seiner Kirche das Weite gesucht hat.
Die autistische Rachel leidet darunter, dass sie zu keinen menschlichen Regungen fähig ist, keine Kunst und keinen Humor versteht. Sie ist auf der Suche nach einem Mann, der sie schwängert, weil sie hofft, als Mutter von ihrem Vater als vollwertiger Mensch akzeptiert zu werden.
Doch dann wird Karens Blinddate Warren vor der Bar von einem religiös motivierten Heckenschützen getötet, dann sorgt eine Giftgaswolke für Katastrophenstimmung, und ausgerechnet der Todesschütze Bertis verlangt Einlass in die nun hermetisch abgeriegelte Bar, in der die Besucher auf dem Fernsehbildschirm beobachten, wie der Ölpreis in die Höhe schnellt. Eingeschlossen in einer Bar, in der eigentlich niemand mehr sein möchte, beginnen Karen, Rachel, Luke, Rick und Bertis Allianzen zu schmieden und über den Sinn des Lebens zu philosophieren. So kommt der ehemaliger Pfarrer Luke zum Schluss:
„,Mit zwanzig weiß man, dass kein Rockstar mehr aus einem wird. Mit fünfundzwanzig weiß man, dass man es weder zum Zahnarzt noch zu sonst etwas Anständigem bringen wird. Und mit dreißig beginnt sich die Dunkelheit auf einen herabzusenken – man fragt sich, ob einem je ein erfülltes Leben beschieden sein wird, von Wohlstand und Erfolg ganz zu schweigen. Mit fünfunddreißig weiß man im Grunde, was man für den Rest des Lebens zu erwarten hat, und ergibt sich in sein Schicksal.“ (S. 105f.) 
Gleich mit seinem Romandebüt „Generation X“ avancierte Douglas Coupland Anfang der 1990er Jahre zum Sprachrohr für eine ganze Generation. In späteren Werken wie „Shampoo Planet“ und „Generation A“ hat es der kanadische Autor und Künstler immer wieder verstanden, das Lebensgefühl spezifischer Bevölkerungsgruppen und Generationen einzufangen, wobei er immer wieder religiöse, sexuelle, popkulturelle und virtuelle Thematiken verarbeitet.
In seinem 2010 veröffentlichten und zwei Jahre später bei Tropen/Klett-Cotta in deutscher Sprache erschienenen Roman „Spieler Eins. Roman in 5 Stunden“ entwirft Coupland einmal mehr ein postapokalyptisches Szenario, dessen Handlung einen recht überschaubaren Rahmen von fünf Stunden abdeckt und an sich wenig spektakulär erscheint.
Viel spannender als der für das Genre eher konventionelle Plot sind die ganz unterschiedlichen Figuren, die der Autor in einer Flughafenbar aufeinandertreffen lässt und ihnen eine je eigene Stimme verleiht – ergänzt durch Rachels Avatar „Spieler Eins“, der einen Blick auf die zukünftigen Ereignisse wirft und sie im weiteren Verlauf in einen Zusammenhang bringt.
Die Gespräche, die vor allem die autistische Rachel mit Fragen in Gang bringt, die sie auf ihrem Kompetenz-Seminar erlernt hat, geht die bunt zusammengewürfelte Truppe der Bedeutung des Lebens auf den Grund, wobei vor allem diskutiert wird, welche Rolle Gott darin spielt. Dabei gelingen Coupland immer wieder bemerkenswerte Aussagen, die den Leser mehr als nur inspirieren, sein eigenes Leben und das, was er daraus macht, zu reflektieren.
Leseprobe Douglas Coupland - "Spieler Eins"

Joe R. Lansdale – „Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick“

Montag, 9. Mai 2016

(Tropen, 477 S., HC)
Willie Jackson ist nicht mal zwanzig Jahre alt, als er sich mit dem Plan befasst, sich auf den Weg nach Westen zu machen, um sich den schwarzen Soldaten anzuschließen, dreizehn Yankee-Dollar im Monat zu verdienen und Kleidung, Essen und ein Pferd zum Reiten zu bekommen. Doch sein Spaziergang zu Wilkes Gemischtwarenladen macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Als Sam Ruggert mitbekommt, dass Willie seiner Frau auf den Hintern schaut, muss Willie um sein Leben laufen, um nicht als Ehrengast bei einem Lynchmord zu enden.
Von seinem Pa bekommt er noch eine Pistole Kaliber 44 und seine alte Taschenuhr, wenig später töten Ruggerts Leute Willies Pa und das Schwein, brennen das Haus ab und schießen auf das altersschwache Pferd Jesse. Willie und Jesse kommen bis nach East Texas und kommen bei dem ehemaligen Soldaten Tate Loving unter, der den Jungen auf seiner Farm gegen Kost und Logis arbeiten lässt und ihn zudem in Lesen und Schießen unterrichtet.
Unter dem Namen Nat Love schließt sich Willie im Norden der Armee an und überlebt mit knapper Not einem Apachenüberfall. Zusammen mit Cullen, dem einzig anderen Überlebenden des Hinterhalts, desertiert Nat und lässt sich in Deadwood nieder, wo er sich in die wunderschöne Win verliebt. Doch Ruggert hat seine Suche nach dem lüsternen jungen Mann nicht aufgegeben und ist Nat dicht auf den Fersen. Nichtsdestotrotz hat Nat Zukunftspläne mit Win.
„Wir hatten Träume und waren uns einig darüber, dass sie so groß waren wie die der Weißen. Auch waren wir beide der Ansicht, dass wir hier draußen in der Wildnis eher wie alle anderen waren als irgendwo sonst. Dennoch hing weder ihr Herz noch meines an Deadwood.“ (S. 199) 
Doch bevor er sich ein neues Leben leisten kann, will er noch einen Schießwettbewerb gewinnen, an dem auch der legendäre Wild Bill Hickok teilnimmt …
Joe R. Lansdale hat bereits in seinen Kurzgeschichten „Soldierin‘“ und „Hide and Horns“ über den legendären Nat Love (1854 - 1921) geschrieben und nun für seine umfassende Western-Biographie über den als Sklaven geborenen Soldaten, Cowboy und Autor vor allem die Jahre zwischen seiner erzwungenen Flucht von zuhause bis zum finalen Duell mit seinem unbarmherzigen Verfolger Ruggert abgedeckt.
Wie schon in seinen Südstaaten-Thrillern zuvor macht Lansdale in „Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick“ auf die Probleme der Schwarzen aufmerksam, die auch nach offizieller Abschaffung der Sklaverei in den seltensten Fällen Gleichberechtigung erfahren. In gewohnt humorvoller, lockerer Sprache lässt der Autor seinen Protagonisten als Ich-Erzähler auftreten und sorgt so für die beabsichtigte Authentizität einer ebenso spannenden wie tragischen Geschichte. Und überhaupt geht es in diesem gewalttätigen, zuweilen blutig-brutalen Roman ums Geschichtenerzählen, denn so wie Nat Love seine Geschichte wiedergibt, wird die von Deadwood Dick wiederum von Wild Bill schon zu Lebzeiten in Groschenromanen veröffentlicht, wobei die Wahrheit oft keine wirkliche Rolle spielt und nur als grobe Inspiration für die Geschichten dient.
Und so kann sich auch der Leser von Lansdales Roman nicht sicher kann, wie nah an der Wahrheit Nats Schilderungen seines Lebens wohl sind. Abgesehen von dieser metaphorischen Spielerei ist Lansdale ein atmosphärisch dichter Western-Thriller gelungen, der von stark gezeichneten Figuren lebt, die der Leser kaum so schnell vergessen werden, und der mit einem furiosen Showdown endet.
Leseprobe Joe R. Lansdale - "Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick"