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Mittwoch, 30. März 2011

(Heyne, 528 S., Tb.)
Im Boston des Jahres 1962 stehen die Zeichen auf Neuanfang. Große Investitionen sollen getätigt werden, um das heruntergekommene West End zu sanieren und die Weichen für das „Neue Boston“ zu stellen, das sich gern als Zentrum für Manager, Forscher und Intellektuelle etablieren möchte. Doch nach dem Attentat auf John F. Kennedy geht die Angst auch in Boston um. Dreizehn zu Tode strangulierte, teilweise vergewaltigte und verstümmelte Frauen werden dem sogenannten „Boston Strangler“ zugeschrieben, den das Boston Police Department einfach nicht stoppen zu können scheint.
Deshalb setzt Generalstaatsanwalt Alvan Byron ein All-Star-Team ein, dem auch der Staatsanwalt Michael Daley aus dem Amt für Enteignung und Gemeinwohl angehören soll. Noch ahnt er nicht, dass auch seine Brüder mit dem Fall verbunden sind. Der Polizist Joe Daley ist gerade erst einem Fernsehbericht zum Opfer gefallen, als er bei einer Reportage über illegale Wetten dabei zu sehen ist, wie er aus einem der illegalen Wettannahmestellen herauskommt, und Ricky Daley ist mit der „Observer“-Reporterin Amy Ryan liiert, die mit ihrer Kollegin auf die Story des Würgers von Boston angesetzt wird.
„Sie spürte, dass die Stimmung in der Stadt mit ihrer Würger-Hysterie und der ganzen selbstsüchtigen, instinktiven Angst, die alle erfasst hatte, auch etwas Erhellendes hatte. Was hier in Boston passierte, war wie eine Offenbarung: Der Würger hatte allen klargemacht, dass es inmitten der Herde keine Sicherheit gab. Jeder einzelne war verwundbar. Der Tod konnte einen wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen, genauso wie die Kugel von Lee Harvey Oswald.“ (S. 75)
Schon bei ihren ersten Recherchen wird Amy klar, dass in den Ermittlungen gravierende Fehler begangen wurden. Auffällig ist vor allem der Umstand, dass die Morde nicht nur einem Muster folgen, doch die Polizei ist stets von nur einem Täter ausgegangen.
Doch die Würger-Morde bilden nur den roten Faden in „Strangler“. Viel intensiver wird die Familiengeschichte der Daleys aufgearbeitet, die zunächst nur den Tod des Vaters zu betrauern hat, doch in den Wirren der Kämpfe zwischen Polizei, Stadtplanern und organisiertem Verbrechen haben die Daleys bald weitere Opfer zu beklagen. William Landay wählt die damals sensationslüstern von der Presse ausgeschlachteten „Boston Strangler“-Morde als Aufhänger für ein ausgefeiltes gesellschaftliches Portrait, in dem eine Polizistenfamilie nicht immer allein auf der Seite der Guten steht.   
Landay nimmt sich viel Zeit, seine Figuren zu portraitieren, ihre Gewissensbisse, finanziellen Sorgen, persönlichen Ängste und Verquickungen mit Familienangehörigen, Freunden, - teilweise verhassten –Kollegen und Partnern zu schildern. Herausgekommen ist dabei kein konventioneller Serienmörder-Thriller à la James Patterson, Kathy Reichs, Patricia Cornwell oder Cody McFadyen, sondern eine atmosphärisch dichte Familiengeschichte, in der alle Beteiligten für ihre moralischen Verfehlungen einen hohen Preis zahlen müssen.

 

 

William Landay - „Jagdrevier“

Donnerstag, 24. März 2011

(Heyne, 526 S., Tb.)
Bei einer Drogenrazzia im Bostoner Viertel Mission Flats unter der Leitung der beiden Polizisten Artie Trudell und Julio Vega im Jahre 1987 soll ein Versteck der berüchtigten Gang Mission Posse ausgehoben werden, doch bei der Aktion wird Trudell tödlich verletzt. Zehn Jahre später entdeckt Benjamin Truman, Polizeichef im beschaulichen Versailles, Maine, bei einer Routinestreife am Lake Mattaquisett in einer Hütte die Leiche des Bostoner Staatsanwalts Robert M. Danziger.
Das FBI hat sofort Harold Braxton im Visier, den Anführer der Mission Posse, der auch für den Mord an Trudell verantwortlich gemacht wird. Truman, der noch nie mit einem Mord zu tun hatte, ist fasziniert von dem Fall und macht sich mit dem pensionierten Detective John Kelly auf den Weg nach Boston, um dort auf eigene Faust zu ermitteln. Truman lernt nicht nur Kellys attraktive Tochter Caroline kennen, die als Bezirksstaatsanwältin in Boston arbeitet, sondern auch Detective Martin Gittens, der über gute Kontakte im Viertel verfügt. Wie Truman den Akten in Danzigers Büro entnehmen kann, wollte dieser den Fall Trudell wieder aufrollen, wobei ein Informant namens „Raul“ eine Rolle spielt.
„Der Fall Trudell mit all seinen verborgenen Taten und geheimen Motiven lag klar vor mir. Ich wusste, dass Raul nicht existierte – zumindest nicht der Raul, von dem im Durchsuchungsbeschluss die Rede war. Detective Julio Vega hatte Raul mit besten Absichten erfunden und benutzte ihn, um sich von Richtern Durchsuchungsbeschlüsse zu beschaffen.
Die Gerichte hatten von Vega Besseres verlangt als die Junkies und Spitzel, die ihn mit Informationen von der Straße fütterten. Also hatte Vega den Informanten erfunden, der alle Informanten überflüssig machte, ein Orakel der Straße, dessen Glaubwürdigkeit es nur im Traum eines Richters geben konnte. Und dann geriet alles außer Kontrolle. Mit einem Schuss hatte Braxton nicht nur Vegas Partner ermordet, sondern auch den ganzen Schwindel entlarvt. Er verwandelte einen erschwindelten Routine-Durchsuchungsbeschluss in einen Prozess. Und er verwandelte Julio Vega von einem unscheinbaren, gewöhnlichen Polizisten in einen stümpernden, lügenden Schurken, dessen Gesicht die Titelseite von USA Today zierte. So kam Harold Braxton mit dem Mord an Artie Trudell davon.“ (S. 225f.)
Doch so einfach liegt der Fall dann doch nicht, wie Truman bald feststellen muss. Auf der Suche nach dem geheimnisvollen Informanten stößt der Polizeichef aus Maine auf immer neue Aussagen und Indizien, bis er sogar selbst ins Visier der Ermittlungen gerät.
William Landay hat mit seinem Debüt einen atmosphärisch dichten Roman in bester Südstaaten-Thriller-Tradition eines Dennis Lehane und John Grisham geschaffen. So wie der Icherzähler Truman mit seinen Ermittlungen stets neue Richtungen einschlägt und bald nicht mehr sagen kann, wem er noch vertrauen kann, wird auch der Leser beständig an der Nase herumgeführt. Bis zur überraschenden Auflösung des Ganzen schildert Landay mit viel Liebe zum Detail und hervorragenden Figurenschilderungen die eigenwillige Bande zwischen Polizisten, Staatsanwälten, Dealern und Informanten, aber mehr als eine Ahnung, wie die Zusammenhänge tatsächlich aussehen, bekommt der Leser über lange Zeit nicht vermittelt. Genau das macht „Jagdrevier“ so unglaublich spannend.