Bill Willingham, Kevin Nowlan u.a. - “Sandman: Was Sie schon immer über Träume wissen wollten…”

Samstag, 4. April 2009

(Speed/Tilsner, 42 S., Pb.)
Der eigentliche „Sandman“-Zyklus, der gemeinhin als „das größte Epos in der Geschichte der Comics“ (Los Angeles Time Magazine) betrachtet wird, war mit dem elften Band „Das Erwachen“ eigentlich beendet, aber sein Schöpfer Neil Gaiman wird wohl doch immer mal wieder neue „Sandman“-Geschichten aus seinem Hut zaubern.
Das gerade mal 42 Seiten umfassende „Sandman“-Special „Was Sie schon immer über Träume wissen wollten…“ ist auf der einen Seite eine kleine Einführung in das farben- und figurenprächtige Universum von Sandman und seinen Geschwistern, den Ewigen, die kurz vorgestellt werden, gefolgt von kurzen Inhaltsangaben der elf „Sandman“-Bände, die in einheitlicher Aufmachung bei Speed neu aufgelegt wurden. Schließlich werden auch die wichtigsten der ständig präsenten Nebendarsteller vorgestellt, wie der Kürbiskopf Mervyn, der Rabe Matthew, der Bibliothekar Lucien, Luzifer, die „zweihunnertunfuffzich“ Jahre alte Hexe Mad Hettie und andere, ehe in kurzen und amüsanten Comic-Stories die Fragen beantwortet werden, wodurch Alpträume verursacht werden, ob Traumgestalten schlafen und selber auch Träume haben, warum so viele Träume sexueller Natur sind, warum manche Leute in Farbe und manche in Schwarz-Weiß träumen, was immer wiederkehrende Träume verursacht, ob in Träumen universelle Symbole auftauchen, die von Fachleuten gedeutet werden können, warum man Schlafwandler nicht aufwecken soll, wieso man sich oft nur schlecht an seine Träume erinnern kann. Ein zweiseitiges Portrait von Neil Gaiman und eine Bibliographie runden das kleine Heft schließlich ab.

Brian K. Vaughan, Pia Guerra, José Marzán, Jr. - „Y - The Last Man – Entmannt“

(Tilsner, 128 S., Pb.)
Ohne ersichtlichen Grund sterben in Brooklyn, New York, alle Jungen und Männer in der Bevölkerung auf grausame, blutige Weise. Bald stellt sich heraus, dass überhaupt jedes Lebewesen, das ein Y-Chromosom in sich trägt, Opfer dieser geheimnisvollen Seuche geworden ist. Allein Yorick Brown und sein Kapuzineräffchen scheinen immun gegen die männervernichtende Krankheit zu sein.
Derweil toben in Nablus, Westbank, Straßenkämpfe, die amerikanische Forscherin Dr. Frozan wird in Al Karak, Jordanien, Opfer eines Attentats, und Dr. Mann, Biotechnologin, erwartet in Boston, Massachusetts, ihren eigenen Klon auf die Welt zu bringen... Zwei Monate später sammeln die überlebenden Frauen noch immer die männlichen Leichen von der Straße, aus Bürocentern und ihren Wohnungen, um sie in Krematorien zu verbrennen. Zugleich fordern sie die politischen Ämter und hochdotierten Jobs der verstorbenen Männer ein, so dass sich eine ganz neue Frauenbewegung herauskristallisiert. Gut getarnt begibt sich Yorick auf den Weg nach Washington, wo seine Mutter Abgeordnete im Unterhaus ist, und versucht mit ihr die bohrende Frage zu beantworten, warum ausgerechnet er überlebt hat... Spannende, originelle Story, die sich wirklich aufdrängt, verfilmt zu werden.

Brian K. Vaughan, Pia Guerra, Jose Marzán, Jr. - “The Last Man – Tage wie diese”

(Vertigo/Speed, 128 S., Pb.)
Wir erinnern uns: Im Sommer 2002 hat eine unbekannte Seuche innerhalb weniger Stunden die komplette männliche Weltbevölkerung, Menschen, Spermien, Föten und Tiere ausgelöscht. Einzig der Amateur-Entfesselungskünstler Yorick Brown und sein ebenfalls männliches Kapuzineräffchen Ampersand sind wie durch ein Wunder von dieser Katastrophe verschont geblieben.
In Teil 1 der intelligenten Comic-Geschichte „The Last Man“ machte sich Yorick auf den Weg nach Washington zu seiner Mutter, einer Kongressabgeordneten, wo er zusammen mit der Regierungsagentin 355 nach Boston geschickt wird, um die Klon-Spezialistin Dr. Allison Mann ausfindig zu machen. Zu dritt machen sie sich auf den Weg nach Kalifornien, um ein Daten-Backup machen zu können, nachdem Terroristen Dr. Manns Laboratorium in Schutt und Asche gelegt haben. Doch ihnen sind die „Töchter der Amazonen“ auf den Versen, Männer hassende und –mordende Frauen, die auch den letzten Mann auf Erden beseitigen wollen. In Teil 2 kann Yorick mit einer Gasmaske als Frau verkleidet ein Ticket für einen Zug raus aus Boston ergattern, doch werden sie dort von den Amazonen aufgespürt und gezwungen, ihre Reise vorzeitig zu beenden. Sie landen in dem malerischen Ort Marrisville, Ohio, wo sich Yorick in seine schöne Pflegerin Sonia verliebt. Doch wie sich sehr bald herausstellt, lauern auch in Marrisville neue Gefahren, zumal auch die Amazonen, unter ihnen auch Yoricks Schwester Hero, auf Herausgabe des letzten lebenden Mannes drängen…

Brian Michael Bendis/Marc Andreyko - „Torso“

(Speed, 280 S., Pb.)
Zusammen mit dem „100 Bullets“-Autoren Brian Azzarello zählt Brian Michael Bendis zu den wichtigsten Erneuerern des US-Crime Comics. Gemeinsam mit Marc Andreyko („Dr. Strange: What is it that disturbs you, Stephen?“, “The Lost”) kreierte er mit “Torso” eine “true crime graphic novel”, die sich mit dem berühmten Ermittler Eliot Ness beschäftigt. Nachdem er und seine schlagkräftige Truppe (die „Untouchables“) Al Capone das Handwerk gelegt haben, wartet ein neuer Schlagzeilen machender Fall auf ihn.
Als neuer Polizeidirektor von Chicago räumt er nicht nur mit den Alkohol-Schmugglern und Casino-Betreibern, sondern auch der Korruption innerhalb der Polizeibehörde auf. Doch dann hat er es mit einem Killer zu tun, der überall in der Stadt schrecklich zugerichtete Leichen hinterlässt. Da der so genannte „Torso-Killer“ die Leichen ohne Kopf, Hände und Füße zurücklässt, bleiben die Leichen unidentifizierbar. Methodische, stets gleich ausgeführte Schnitte lassen ähnlich wie bei Jack The Ripper auf einen Experten auf dem Gebiet der menschlichen Anatomie schließen, außerdem weisen die Leichen Spuren einer merkwürdigen Chemikalie auf, die der Täter selbst erfunden zu haben scheint. Eine spannende Jagd auf den gerissenen Killer und gegen die Zeit beginnt, denn es steht die Wahlversammlung der Republikaner an. Bald wird auch ein Verdächtiger festgenommen, der angeblich ein Geständnis abgelegt haben soll, am nächsten Tag aber erhängt in seiner Zelle aufgefunden wird. Die Spur führt schließlich in das Elendsviertel an den Hafendocks, von wo die meisten anonymen Opfer herzukommen scheinen… Ausdrucksstark in Schwarz-Weiß gezeichneter, mit authentischen Fotos verzierter Thriller, den Andreyko bereits für Miramax für die große Landwand umzusetzen beginnt.

Craig Thompson - „Blankets“

(Speed, 592 S., Pb.)
Craig lebt mit seinem jüngeren Bruder Phil und seinen streng christlichen Eltern in einer Kleinstadt in Wisconsin, wo er mit seinen langen Haaren als Außenseiter gilt und als Mädchen oder Schwuchtel beschimpft wird. Nicht immer verhält sich Craig loyal seinem kleinen Bruder gegenüber und macht sich Vorwürfe, dass er seine Beschützerrolle vernachlässigt, wenn es gefährlich wird, zum Beispiel, wenn Phil vom Babysitter sexuell missbraucht wird, was Craig mehr ahnt als wirklich weiß. Dass er in der Schule Gedichte über Leute schreibt, die ihre Exkremente essen, hilft ihm auch nicht viel weiter. Als Flucht aus der bedrohlichen Realität dient Craig das Zeichnen, doch irgendwann bemerkt er, dass die Zeichnungen nur Erinnerungen darstellen, die er verbrennen möchte.
Nicht mal im christlichen Weihnachtscamp erfährt Craig die ersehnte Anerkennung – bis er dort das Mädchen Raina kennen lernt. Doch das Camp geht viel zu schnell vorbei. Die beiden frisch Verliebten schreiben sich, dann besucht Craig Raina für zwei Wochen in Michigan. Dort kommen sie sich zwar näher, doch Raina scheint vollkommen von ihrer Beschützerrolle ihrer geistig behinderten Adoptivgeschwistern Ben und Laura aufgezehrt zu werden…
Mit viel Gefühl beschreibt und zeichnet Craig Thompson in „Blankets“ die schwierige Zeit des Erwachsenwerdens, die Wunder der ersten Liebe und die Restriktionen einer fundamentalistisch christlichen Erziehung in ehrlichen Worten und zarten Schwarz-Weiß-Zeichnungen.

Kate Atkinson - „Die vierte Schwester“

(Droemer, 400 S.,, HC)
Während der Mathematiker Victor sich ganz um seine wichtigen Studien kümmert, ist seine Frau Rosemary – immerhin eine frühere Krankenschwester – völlig mit der Erziehung ihrer vier Töchter Sylvia, Amelia, Julia und Olivia überfordert. Allein das dreijährige Nesthäkchen Olivia erfüllt die Familie mit Sonnenschein. Doch eines Nachts im Jahr 1970 verschwindet die Kleine aus einem Zelt im Garten und wird nicht mehr aufgefunden. Dreißig Jahre später stirbt Victor, und die Schwestern wundern sich über die Blaue Maus Olivias, die sie im Haus ihres Vaters finden, die Olivia aber nie aus den Händen gegeben hatte …
1994 verschafft sich ein Unbekannter Zutritt zur Kanzlei von Theo Wyre, sticht auf einen Kollegen ein und tötet dabei auch gleich Theos innig geliebte Tochter Laura, die in der Kanzlei ihrem Vater zuliebe einen Ferienjob angenommen hatte. Der Mörder wird jedoch nie gefunden. Nach zehn Jahren nimmt Theo die Ermittlungen selbst in die Hand … An einem Samstag im Spätsommer 1979 scheitert Michelle an der eigenen Ambition, alles perfekt machen zu müssen, spaltet mit einer Axt den Kopf ihres Mannes Keith und wartet auf die Polizei. Nach ihrer Verurteilung und der Entlassung aus dem Gefängnis verschwindet Michelle spurlos …
Der Privatdetektiv Jackson Brodie, der selbst noch damit zu kämpfen hat, dass ihn seine Frau verlassen hat, wird mit den drei Fällen beauftragt, macht sich aber keine Illusionen, dass er sie auch lösen könne. Dafür dringt er tief in die von Trauer, Leid und unerfüllten Sehnsüchten geprägten Lebensgeschichten der Beteiligten ein und wird dadurch schmerzlich an das Drama seines eigenen Lebens erinnert … Psychologisch vielschichtiger und spannender Roman, der vor allem die zerstörerischen Qualitäten familiärer Tragödien aufzeigt.

Niccolò Ammaniti - „Die Herren des Hügels“

(C. Bertelsmann, 256 S., HC)
In dem süditalienischen Dorf Acqua Traverse ist im Sommer 1978 so heiß, dass sich nur die Kinder aus den Häusern trauen. Der neunjährige Michele gehört mit seiner fünfjährigen Schwester Maria einer kleinen Gruppe von Kindern an, die unter Führung des zwölfjährigen Antonio Natale immer wieder Wettrennen oder andere Wettbewerbe unter sich austrägt, wobei der Verlierer stets eine der gemeinen Aufgaben zu erfüllen hat, die ihm der verhasste Antonio aufträgt.
Eines Tages radelt die sechsköpfige Clique zu einem etwas entfernteren Hügel. Als Michele aufgetragen wird, das verfallene Haus auf dem Hügel zu erkunden, entdeckt er in einem Verlies einen zunächst für tot gehaltenen Jungen. Erschüttert von seiner Entdeckung, erzählt er niemandem davon, kehrt aber immer wieder zurück, stellt fest, dass der Junge noch lebt, in seinem Alter ist und versorgt wird. Stutzig wird er allerdings, als er bei ihm einen Topf entdeckt, den er von zuhause kennt. Und bald muss er feststellen, dass sein Vater an der Entführung des Sohnes eines norditalienischen Industriellen beteiligt ist. Nachdem die Lösegeldübergabe gescheitert ist, planen die Entführer, den Jungen umzubringen, aber die Rechnung haben sie ohne Michele gemacht. Die Verfilmung des spannenden wie gefühlvollen Romans mit herrlichen Landschaftbeschreibungen lief übrigens jüngst auf der diesjährigen Berlinale.

Val McDermid - „Echo einer Winternacht“

Freitag, 3. April 2009

(Droemer, 557 S., HC)
Sie nennen sich selbst die Laddies fi’ Kirkcaldy und sind seit ihrer Jugend die besten Freunde: Alex „Gilly“ Gilby, Sigmund „Ziggy“ Malkiewicz, Davey „Mondo“ Kerr und Tom „Weird“ Mackie. Als die vier Studenten am 16. Dezember 1978 nach einer Party im schottischen Universitätsstädtchen St. Andrews aber auf einem alten keltischen Friedhof über die neunzehnjährige Kneipenbedienung Rosie Duff stolpern, die schwer verletzt im Schnee liegt, kann selbst Medizinstudent Ziggy ihr nicht mehr helfen. Da andere Tatverdächtige nicht auszumachen sind und sich jeder der vier von der Party hätte stehlen können, um das Mädchen zu vergewaltigen und zu erstechen, werden aus den Zeugen schnell mutmaßliche Täter. Da ihre Schuld aber nicht bewiesen werden kann, bleiben sie abgesehen von ein paar üblen Drohungen, bösen Scherzen und Prügeleien ungeschoren…
25 Jahre später werden ungelöste Mordfälle wieder aufgerollt, die man mittels neuer Verfahren wie DNA-Analyse nun doch noch aufzuklären hofft. Doch während die Beweise im Fall Rosie Duff bei einem Umzug abhanden gekommen zu sein scheinen, nimmt offensichtlich jemand anderer die Gerechtigkeit in seine Hand: Ziggy verbrennt in seinem Haus, Davey wird nach einem Einbruch erstochen. Vor allem Alex glaubt nicht an Zufall und macht sich auf die Suche nach dem Rachetäter. Dabei sind nicht nur Rosies Brüder Colin und Brian verdächtig, sondern auch der plötzlich auftauchende Programmierer Macfadyen, der behauptet, Rosies Sohn zu sein…
Extrem spannende Tätersuche, aber auch einfühlsames Portrait einer anfangs eingeschworenen Jungen-Clique, die unter dem öffentlichen Druck allmählich auseinander fällt.

Jonathan Ames - „Henry und Louis“

(Europa, 448 S., HC)
Bereits mit seiner Geschichtensammlung „Flüchtig wie die Nacht“ hat sich der junge Kolumnist der „New York Press“, Jonathan Ames, als talentierter Erzähler mit viel Witz, melancholischer Gelassenheit und einer unbekümmerten Sexualität erwiesen. Sein Roman „Henry und Louis“ erzählt die aberwitzige Geschichte einer ganz außergewöhnlichen Männerfreundschaft.
Louis Ives, ein romantischer, stets elegant wie ein junger Gentleman gekleideter Englischlehrer aus New Jersey, verliert seinen Job, als er mit dem Büstenhalter einer Kollegin im Lehrerzimmer erwischt wird. Ein Foto auf einem Buchumschlag von Henry James bringt ihn auf die Idee, nach New York zu ziehen. Er findet Unterschlupf bei dem komischen Kauz Henry Harrison, einem ehemaligen Schauspieler und wenig beachteten Dramatiker, dessen Lebenssinn darin besteht, sich unbemerkt in Opern und Musicals zu schmuggeln und kostenlose Mahlzeiten bei älteren Frauen aus guter Gesellschaft abzustauben. Während Louis seine Leidenschaft für Frauenwäsche durch Verabredungen mit Transsexuellen auslebt, versucht er verzweifelt, auch Henrys sexuellem Leben auf die Spur zu kommen. Obwohl die beiden Männer auch ständig über Kleinigkeiten aneinander geraten, wird immer wieder deutlich, wie sehr sie einander brauchen. Jonathan Ames beschreibt die Freundschaft zweier völlig unterschiedlicher Männer mit einem erfrischenden Humor und frech-frivolen Episoden kurioser sexueller Abenteuer.

Peter Ackroyd - „William Blake. Dichter, Maler, Visionär“

(Knaus, 475 S., HC)
Der Untertitel der Biografie über William Blake (1757-1827) deutet bereits an, über welche vielschichtigen Qualitäten das wahnsinnige Genie William Blake verfügt hat. In seinem umfangreichen Werk beleuchtet der Autor vor dem Hintergrund einer aufregenden Epoche, die vom Vorabend der Französischen Revolution bis zur Restauration währte, das Leben und Werk eines Künstlers, der auf der einen Seite die sozialen Missstände in seiner Gesellschaft beklagte, auf der anderen Seite Gedichte über die freie Liebe schrieb.
Er idealisierte Englands Vergangenheit und verschmolz biblische und keltische Mythen zu einer eigenen Kosmologie, verkehrte als religiöser Mystiker mit den Himmelsboten und brach in seinen Kupferstichen mit erotischen Tabus, während der 45 Jahre lang treu an der Seite seiner Frau Catherine lebte. Er erfand für sich neue Drucktechniken und fertigte ca. 580 Kupferstiche als Auftragsarbeiten an. Vor allem ist uns William Blake aber als der letzte religiöse Dichter Englands in Erinnerung geblieben. Ackroyd macht all die oft gegensätzlichen Facetten von Blakes Genius transparent und hat sein Werk mit vielen wunderbaren s/w- und Farb-Abbildungen bereichert.

Axel Schmidt/Klaus Neumann-Braun - „Die Welt der Gothics – Spielräume düster konnotativer Transzendenz“

Donnerstag, 2. April 2009

(Verlag für Sozialwissenschaften, 336 S., Pb.)
Bereits der Untertitel macht deutlich, dass es sich bei vorliegendem Buch um eine streng wissenschaftliche Abhandlung über das kulturell immer signifikanter werdende Phänomen der schwarzen Szene handelt, die in den letzten Jahren aus einem subkulturellen Randphänomen zu einem elementaren Bestandteil der Popkultur gewachsen ist. Da als Ausgangspunkt der wissenschaftliche Studie das „Phänomen des jugendzentrischen Satanismus“ gewählt wurde, muss man zunächst Schlimmes befürchten, aber die Autoren haben sich tatsächlich die Mühe gemacht, Interviews mit den Gothics zu führen, Clubs wie das KUZ in Mainz, das „Rind“ in Rüsselsheim und das „Nachtleben“ in Frankfurt mit ihren szenespezifischen Veranstaltungen ebenso zu besuchen wie das WGT und das M’era Luna in den Jahren 2000 und 2001.
Es wird die Geschichte, die Wertvorstellungen, das Lebensgefühl und die ästhetischen Praxen der schwarzen Szene beschrieben, um sich abschließend mit dem Religionsbegriff innerhalb der Gothics zu befassen. Schon früh stellen die Autoren dabei fest, dass eine scharfe Trennung zwischen Gothic-Szene und satanistischen Kreisen besteht. Fazit: „Gothic lässt sich zusammengefasst begreifen als ein flexibler und nicht verpflichtender, synkretistisch-patchwork-artiger, stilistisch-ästhetischer überformter, damit auf die individuelle Kreativität und Originalität setzender, stark individualisierter/privatisierter und moderat gegenkultureller resp. `spielerisch-häretischer´ Rekurs auf traditionelle Glaubens- und Ideologiesysteme mit dem Ziel, sich auf der Basis dieser Glaubens- und Religions-Bricolage von der `Normalgesellschaft´ in kontrollierbaren Grenzen abzuheben“ (S. 321). Doch von solchen wissenschaftlichen Analysen sollte man sich nicht zu sehr abschrecken lassen. Die Studie erweist sich nämlich als überaus fundiert und gewährt faszinierende Einblicke in die schwarze Szene.

Klaus Farin & Kirsten Wallraff - „Die Gothics“

(Tilsner, 216 S., Pb.)
Vor zwei Jahren hat der Gründer und Leiter des Berliner Archivs der Jugendkulturen e.V., Klaus Farin, mit „Die Gothics“ bereits einen informativen Führer durch die Schwarze Szene veröffentlicht, der sich nicht nur durch eine differenzierte, wenn auch nur einführende Auseinandersetzung mit szenerelevanten Themen wie Ursprung und Entwicklung der Schwarzen Szene, literarischen Vorlieben, Sex, Satan, Tod und Faschismus auszeichnete, sondern vor allem die Anhänger der Szene selbst zu Wort kommen ließ und ablichtete. Damit wurde erstmals ein authentisches Bild der Grufti-Szene gezeichnet, die in den Medien sonst immer schlagzeilenadäquat in ein diffuses Licht von Grabschändungen, Schwarzen Messen und Vampir-Erotik gestellt worden ist.
Für die Neuauflage wurde das ursprünglich 128 Seiten umfassende Buch um den gut 90 Seiten langen Beitrag „Weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz“ von Kirsten Wallraff erweitert, die sich 1994 in ihrer Sozialpädagogik-Diplomarbeit mit der Schwarzen Szene auseinandersetzte, aber auch selbst seit über fünfzehn Jahren in sie involviert ist. Sie macht von vornherein deutlich, dass es nicht möglich ist, ein umfassendes Bild der Schwarzen Szene zu kreieren, da es gerade hier um das Ausleben von zwar gemeinsamen, aber vor allem stark individuellen Vorlieben und Gefühlen geht. Die Gemeinsamkeiten zeigen sich rein äußerlich vor allem im Outfit und musikalischen Präferenzen, und so nimmt die Auseinandersetzung mit der Mode samt Hairstyling und Körperschmuck sowie den Farben Schwarz und Weiß fast die Hälfte des Beitrags ein, während die Beschäftigung mit der Musik, Literatur und religiös-philosophischen Themen eher oberflächlich bleibt und gerade bei den musikalischen Zuordnungen böse Patzer passiert sind (so werden Skinny Puppy in die Gothic-, Delerium und Kirlian Camera in die Industrial- und Omala in die Ritual-Ecke gesteckt). Interessant ist allerdings die abschließende Beurteilung bezüglich der Einbindung der Szene in den soziokulturellen Kontext, bei dem deutlich wird, wie schwierig gerade in einer so gefühlsbetonten Szene die Gratwanderung zwischen gesellschaftlichen Zwängen und individuellen Bedürfnissen ist, was in der Regel dazu führt, die rein äußerlichen Merkmale im „Alter“ abzulegen und sich allenfalls noch mit szenerelevanten Inhalten auseinanderzusetzen.

Klaus N. Frick - „Zwei Whisky mit Neumann“

(Tilsner, 92 Seiten, Softcover)
Seit 1986 bringt der Punk Klaus N. Frick sein Egozine „ENPUNKT“ heraus, das mit teils ironischen Untertiteln wie „Fanzine für Science Fiction, Punk und Dosenbier“, „Zeitschrift für angewandtes Spießertum“, „Das Fanzine für Spät-Pubertierende“ oder „Die Zeitschrift für die spießige Frau von heute“ überwiegend Erlebnisberichte des Herausgebers und alleinigen Autors veröffentlicht und weniger Reflexionen von kulturellen Ereignissen in der Szene. „Beim ENPUNKT ging es nie um scharfsinnige Analysen oder seriöse Berichterstattung - das ist auch nicht Sinn eines Egozines“, schreibt Frick im Vorwort der Anthologie seiner Kurzgeschichten.
„Sinn eines Egozines ist die Kommunikation einerseits und die Förderung des Egos des Herausgebers andererseits.“ Die zwanzig Geschichten aus 34 bis 2000 erschienenen „ENPUNKT“-Ausgaben sind - bis auf eine Ausnahme - reine Erlebnisberichte und besitzen alle „streng subjektiven Charakter“. Nach einem sechsseitigen Fotoalbum und einem Vorwort, in dem der Autor den Unterschied zwischen Fanzine und Egozine erläutert, folgt schließlich die lose Aneinanderreihung verschiedener Erlebnisse, die im Prinzip so trivial wie unspannend sind. Interessent ist allein der authentische Charakter, den eigentlich alle Publikationen des in Berlin ansässigen „Archiv der Jugendkulturen“ besitzen. Aus erster Hand bekommt der Leser einen Einblick in das Denken und Fühlen und die Überzeugungen eines Punks, doch wird man zumindest bei Frick über eine oberflächliche Betrachtung nicht hinauskommen. So erfährt man in der Geschichte „Nazis aufm Flohmarkt“, dass sich der Autor gern mal Naziplatten in seinen „Giftschrank“ stellt, um die Leute zu irritieren, als es dann zur Begegnung mit einem Neonazi kommt, geht Frick eben nach Hause, weil es ihm reicht. Andere Geschichten handeln vom Saufen und dem Morgen danach, als man sich nicht mehr daran erinnert, was man mit dem Mädchen, das morgens neben einem aufwacht, zu tun hat.

Gilbert Furian & Nikolaus Becker - “Auch im Osten trägt man Westen”

(Tilsner, 122 S., Pb.)
In Sachen Jugendkulturen leistet das Berliner Archiv der Jugendkulturen beispielhafte Arbeit nicht nur hinsichtlich der Sammlung von Materialien, sondern auch im Bereich eigener Veröffentlichungen zu verschiedenen Aspekten jugendlicher Protestbewegungen. Im Gegensatz zu vielen Publikationen der sogenannten seriösen Presse, in denen Außenstehende Phänomene zu beschreiben und zu analysieren versuchen, die sie weder verstehen wollen, noch ausreichend kennen, liegt der Hauptaugenmerk der in Zusammenarbeit mit dem Archiv der Jugendkulturen veröffentlichten Bücher eindeutig auf der direkten Einbezugnahme der jeweiligen Jugendgruppierungen.

Auch in dem aktuellen Werk, das sich mit Punks in der DDR befasst, stehen ausführliche und vor allem auch aussagekräftige Interviews mit und Fotos von ehemaligen DDR-Punks im Mittelpunkt, so dass der Leser ein faszinierend authentisches Bild der Punk-Szene im ehemaligen Ostdeutschland erhält. Die Gründe, warum man in der DDR Punk geworden ist, welche Vorstellungen man damit verbunden hat und was letztlich aus den Punks von damals heute geworden ist, stellen sich dabei ebenso vielseitig dar wie das individualistische Outfit der einzelnen Punks. Einen besonderen Aspekt, der im vorliegenden Werk auch entsprechend gewürdigt wird, stellt allerdings die Konfrontation zwischen Punks und DDR-Staatsorganen dar. Mit Abbildungen von Dokumenten, die die staatlichen Ermittlungen, Kontrollen und Strafverfolgungen demonstrieren, wird deutlich aufgezeigt, wie man in der DDR mit Hetzern “gegen die bestehende gesellschaftlichen Verhältnisse” umgegangen ist, aber das Buch zeigt auch, wie die Punks ihren Willen zur Selbstentfaltung bis heute gestärkt haben und in der Lage sind, “mit kraftvoller Phantasie ihre Lebensentwürfe zu zeichnen und zu leben” (Furian).

Archiv der Jugendkulturen e.V. (Hrsg.) - „50 Jahre BRAVO“

(Archiv der Jugendkulturen e.V., 264 S., Pb.)
Als am 26. August 1956 die erste BRAVO mit einer Startauflage von 30.000 Exemplaren erschien, konnte man für 50 Pfennig eine „Zeitschrift für Film und Fernsehen“ erwerben, deren Titelbild Marilyn Monroe und Richard Widmark zierten und die den farbigen Roman „Gepeinigt bis aufs Blut!“ enthielt. Seitdem hat die BRAVO wie kaum eine andere Zeitschrift jugendkulturelle Trends dokumentiert und bedient, bis sie Ende der 70er und Anfang/Mitte der 90er auf eine stolze Auflage von 1,4 Millionen verkaufter Exemplare Woche für Woche kommt.
Der Schwerpunkt der vorliegenden Dokumentation liegt bei den Aspekten „BRAVO als Spiegelbild des Zeitgeistes“, „Kommerzialisierung von Jugend(kulturen)“ und „Sexualität“. Dr. Martin Goldstein alias „Dr. Jochen Sommer“ schreibt hier erstmals über seine 15-jährigen Erfahrungen als Deutschlands bedeutendster Sexualaufklärer. Weitere Schwerpunkte liegen in der BRAVO-Berichterstattung über Punk, Techno und Drogen. Das ist alles sehr fundiert recherchiert und analysiert, mit vielen BRAVO-Scans illustriert und schließlich durch einen ausführlichen Anhang mit etlichen Charts abgerundet. Insofern stellt dieses großformatige Buch auch eine wunderbare Zeitreise durch die bundesdeutsche Jugendkultur(en) dar.

Irmela Schneider/Christian W. Thomsen (Hrsg.) - “Hybridkultur. Medien - Netze - Künste”

Mittwoch, 1. April 2009

(Wienand, 368 S., Paperback)
Was Kraftwerk seit den 70er Jahren mit ihrem Mensch-Maschine-Konzept thematisiert haben, ist mittlerweile zu einer weit verbreiteten kulturellen Phänomen geworden, das kaum noch mit dem Instrumentarium moderner und postmoderner Theorien erklärt werden kann. Die vorliegende Aufsatzsammlung versucht, die gewaltigen sozialen und kulturellen Veränderungen unserer Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Hybridkultur, also der Vermischung und Durchdringung von bislang getrennten sozio-kulturellen Aspekten und dem damit einhergehenden Wertewandel, zu erklären, wobei die fünfzehn Autoren zwar aus ihren jeweiligen Disziplinen der Philosophie, Soziologie, Medien- und Kulturwissenschaft, Kunst-, Musik- und Literaturgeschichte heraus die Positionen ihrer Forschungsgebiete markieren, aber dabei die Notwendigkeit eines fruchtbaren Dialogs zwischen den Wissenschaften erkennen.
Nur der grenzüberschreitende Blick auf die Erscheinungen, wie sie in der Transkulturalität, der virtuellen Realität, dem Infotainment und der allseitigen Multimedialität zum Ausdruck kommen, so die These des Buches, lasst ein erhellendes Licht auf fundamentale Umstrukturierungen auch in der Art, Entwicklungen zu beobachten und zu beschreiben, werfen. Den Autoren geht es dabei nicht um eine neue Form einer den Kulturverfall thematisierenden Medienkritik, sondern zunächst um die Bewusstmachung, dass Medien, Künste und Wissenschaften immer mehr miteinander verwoben sind. Die Fragen, die sich aus diesen Erkenntnissen auch für die Zukunft stellen - und das ist der eigentlich bemerkenswerte Beitrag des Buches -, betreffen dabei aber nicht nur die manchmal die Alltagsrealität nur peripher durchdringenden Kunst- und Medienformen, sondern ganz elementar auch die Ausgestaltung sozialer Rollen und das Verhältnis der Geschlechter.

George Lipsitz - „Dangerous Crossroads - Popmusik, Postmoderne und die Poesie des Lokalen“

(Hannibal, 262 S., Pb.)
Dass sich die heutige Musikszene auf eine spannend zu beobachtende Öffnung der einzelnen Stile und Gattungen hin zu mehr oder weniger benachbarten musikalischen Ausdrucksformen eingelassen hat, ist sicherlich ein hervorragendes Beispiel für die postmoderne Vielfalt und Beliebigkeit, die mittlerweile in fast allen kulturellen Bereichen zu beobachten ist. Der an der Universität von San Diego Ethnic Studies lehrende Professor George Lipsitz entwirft in seinem nachdenklich stimmenden, ungemein anregenden Buch „Dangerous Crossroads“ ausgehend von der sogenannten Weltmusik ein vielschichtig angelegtes Panorama von sich einander begegnenden und miteinander vermischenden Musikstilen, wobei sich Lipsitz nicht mit der Analyse der rein musikalischen Stilmittel begnügt, sondern in erster Linie auf die Auswirkung der Weltökonomie auf kultureller Ebene abzielt, was gleichermaßen Chancen und Risiken birgt.
Bereits im umfangreichen Vorwort zur deutschen Ausgabe zieht der Autor Parallelen zwischen den Unruhen in Los Angeles von 1992 und den fremdenfeindlichen Gewaltanschlägen in Deutschland nach der Wende, sieht die Ursachen in jahrelanger rassischer, ökonomischer und politischer Unterdrückung ethnischer Minderheiten. Lipsitz beschreibt im folgenden, wie interethnische Zusammenarbeit zwar nicht unbedingt zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt, aber doch gewisse nationale kulturelle und politische Diskurse über die engen Staatsgrenzen hinaus anregen kann. Wer sich nicht scheut, den allgegenwärtigen Crossover auch jenseits seiner populären Ausprägungen, nämlich im indischen Reggae, in der Discomusik oder in der haitianischen Popmusik zu betrachten und seine politischen und interkulturellen Dimensionen zu erfassen, erhält mit Lipsitz’ detaillierter und anregend geschriebener Analyse einen interessanten Blick auf die Mechanismen und Auswirkungen von Begegnungen verschiedener Musikstile und -traditionen.

Ruth Mayer & Mark Terkessidis (Hrsg.) - „Globalkolorit - Multikulturalismus und Populärkultur“

(Hannibal, 340 S., Pb.)
Einen interessanten Beitrag zur Diskussion um die Mechanismen und Auswirkungen des Multikulturalismus, wie in er in der Postmoderne zur alltäglichen Wirklichkeit auch in Deutschland geworden ist, leistet die von Ruth Mayer und Mark Terkessidis zusammengestellte Aufsatzsammlung „Globalkolorit“, in der Autoren aus der ganzen Welt Beobachtungen und Analysen zu einzelnen multikulturellen Phänomen angestellt haben.
Dabei konzentrierten sie sich auf das vielschichtige Feld der Populärkultur, weil diese nicht mehr nur als verflachende, gleichgeschaltete Kultur der Massen zu begreifen ist, sondern als ambivalenter und dynamischer Prozeß wechselseitiger Abgrenzungen und Aneignungen.
Wie sehr sich Mainstream und Subkulturen mittlerweile durchdringen, demonstriert jedes Jahr aufs Neue die Berliner Love Parade. Der Tenor der hier versammelten Aufsätze geht schließlich auch hinsichtlich der multikulturellen Thematik des Bandes in die Richtung, vom Kulturbegriff als ein für allemal gegebenes Gut Abstand zu nehmen, da in ihm auch stets „rassistische“ Konnotationen mitschwingen. Dagegen wird hier Kultur als dynamischer Prozess, als flexible Struktur verstanden, die sich über die Verdichtung von Machtkämpfen, über Verschiebungen und Umkehrungen politischer, sozialer und ökonomischer Hierarchien und ästhetischer Symbolsysteme immer wieder neu gestaltet. An Beispielen wie Graffiti, einem türkischen Männercafé, deutsch-türkischem Rap in Berlin, dem Zusammenhang von schwarzer Musik und weißer Identität, deutschem Alternativtourismus in Griechenland oder Multikulturalismus und Aliens bei „Independence Day“ versuchen die Autoren des anspruchsvollen Bandes, mögliche Bezugspunkte für eine Diskussion um Multikulturalismus und Populärkultur in Deutschland zu geben und damit den Blick des Lesers für kulturelle Erscheinungen zu öffnen, die auch mal jenseits trivialer alltagsästhetischer Schemata streng nationaler Ausprägung zum Ausdruck kommen.

William Peter Blatty - „Der Exorzist“ + David Seltzer - „Das Omen“ + Ira Levin - „Rosemaries Baby“

(Area, 800 S., HC)
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lust am Grauen für lange Zeit gestillt, so dass die Horror-Literatur bis in die 70er Jahre hinein kaum nennenswerte Höhepunkte zu verzeichnen hatte. Schriftsteller wie Shirley Jackson, Richard Matheson und Fritz Leiber blieben vereinzelte Ausnahmen. Das änderte sich erst 1971 mit William Peter Blattys Roman „Der Exorzist“, der auf fesselnde Weise die Besessenheit des 12jährigen Mädchen Regan durch den Teufel und der Versuch seiner Austreibung durch einen Exorzisten schildert.
Die Angst vor einem Atomkrieg wich in den 70ern nun der Sorge um die Herrschaft des Antichristen, die auch in David Seltzers „Das Omen“ aufgegriffen wurde. Hier schlüpft der Antichrist in den Körper des Jungen David Thorn, der am 6. Juni um 6 Uhr geboren wurde und in dessen Umgebung die Menschen auf mysteriöse Weise sterben, bis sich die dunkle Prophezeiung von Satans Königreich auf Erden zu erfüllen scheint. Und in Ira Levins „Rosemaries Baby“ geht der erfolglose Schauspieler Guy Woodhouse einen Pakt mit dem Teufel ein, um seine Karriere anzukurbeln. Seine schwangere Frau Rosemarie, ohnehin von Sorgen und Ängsten gequält, ahnt nicht, dass bei der Geburt ihres Sohnes der Teufel seine Finger im Spiel hat. Zwar sind vor allem die erfolgreichen Verfilmungen durch William Friedkin („Der Exorzist“), Richard Donner („Das Omen“) und Roman Polanski („Rosemaries Baby“) berühmt geworden, doch es lohnt sich auf jeden Fall, auch die packenden literarischen Vorlagen zu studieren, die der Area-Verlag in einer extrem preisgünstigen und sehr handlichen gebundenen Ausgabe zusammengefasst hat.

Uli Wunderlich - „Der Tanz in den Tod“

(Eulen, 144 S., HC)
Wie so viele andere Themen, die im Mittelalter von alltäglicher Bedeutung waren und uns heute so geheimnisvoll anmuten, üben auch die Totentänze noch immer eine ausgesprochen ausgeprägte Faszination auf uns aus. Uli Wunderlich, Präsidentin der „Europäischen Totentanz-Vereinigung“, zeigt in ihrem reichhaltig illustrierten Buch die Ursprünge und Bedeutungen des Totentanzes zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen. Deutlich wird vor allem die enge Verbindung der Totentänze mit der uralten Angst des Menschen vor dem Tod und seine starke Ausprägung gerade im christlichen Europa. Schließlich diente der Totentanz im mitteleuropäischen Raum vor allem dazu, Tänze und Totenkult in Nähe von Gräbern als Teufelswerk zu verdammen.
 In allen Teilen der Welt symbolisieren die Darstellungen von tanzenden Skeletten Fürsorge und Abwehrriten, denn das Bild vom Tod war stets ambivalent, ein Helfer und Zerstörer. Ausgehend vom spanischen Danza de la Muerte, dem französischen Danse Macabre und dem ober- wie niederdeutschen Totentanz, spannt die Autorin einen weiten Bogen über Legenden, Totentanzaufführungen in der restlichen Welt über Totentanzdarstellungen in der Kunst bis hin zu seiner Bedeutung im 20. Jahrhundert. Eine Bibliografie und ein Verzeichnis der Totentänze im deutschsprachigen Raum rundet das mit 82 Farb- und 117 Schwarzweißabbildungen herrlich anschauliche Werk ab.