Jean Ray - „Malpertuis“

Samstag, 30. Mai 2009

(Festa, 206 S., Pb.)
Jean Ray (1887-1964) ist ein fast schon legendärer belgischer Autor, der unter etlichen Pseudonymen seine fantastischen Geschichten veröffentlichte und ein abenteuerliches Leben geführt haben soll. Rein A. Zondergeld, Autor des „Lexikon der phantastischen Literatur“, ist es zu verdanken, in einer Pariser Buchhandlung auf Jean Ray gestoßen zu sein und bald auch den Roman „Malpertuis“ erstanden zu haben, den er für den Festa-Verlag im Rahmen seiner „bizarren Bibliothek“ übersetzte.
Der Roman beginnt mit der Versammlung der Familie am Sterbebett von Onkel Cassave. In seinem Testament verfügt er, dass sein Vermögen gleichmäßig unter seinen Verwandten in Form einer lebenslangen Rente aufgeteilt wird – unter der Voraussetzung, dass jeder seinen Wohnsitz nach Malpertuis verlegt, das etwas unheimlich anmutende Heim des Sterbenden. Angesichts der hohen Rente lassen sich alle Verwandten darauf ein, auch der gut zwanzigjährige Ich-Erzähler Jean Jacques. Doch nicht nur rattengroße Kreaturen mit menschlichen Zügen und alte griechische Götter bevölkern das alte Herrenhaus. Für einige Bewohner wird Malpertuis zu einer tödlichen Falle, für Jean Jacques dagegen zu einem unheimlichen Gefängnis... Atmosphärisch dichter Grusel von einem leider viel zu wenig bekannten Meister des Genres.

David J. Schow - „Der Schacht“

(Festa, 458 S., Pb.)
Zwar ist David J. Schow nicht in den beiden wegweisenden Horror-Anthologien „Splatterpunk 1 + 2“, die Paul M. Sammon 1990 veröffentlicht hat, vertreten gewesen, aber der Schauspieler, Drehbuchautor (u.a. „The Crow“) und Schriftsteller gehört fraglos zu den wichtigsten Protagonisten des expliziten Splatter-Horrors, dessen Weg Clive Barker mit seinen „Büchern des Blutes“ geebnet hat. Schows Roman „The Shaft“ erschien ursprünglich 1990 und ist endlich auch in Festas vorbildlicher Horror-Taschenbuch-Reihe erhältlich.
In Oakwood, einem nicht so hübschen Stadtteil von Chicago, spukt es. Und zwar im vierstöckigen, heruntergekommenen Gebäude Kenilworth Arms in der Garrison Street, das die Unterkunft für etliche ebenso abgefuckte Typen darstellt, u.a. für den Drogendealer Boner, der gleich zu Anfang beim Pissen in seine eigene dunkle Badewanne von etwas „Kaltem, Samtweichem und Blasigem“ verschluckt wird. Zu den neueren Bewohnern des unheimlichen Gebäudes zählen auch der Computergehäuse-Verkäufer Jonathan, der von seiner Freundin Amanda verlassen wurde und nun in Chicago bei seinem Kumpel Bash sein Glück als Grafiker versucht. Oder Cruz, der mitschuldig daran gewesen ist, dass die Freundin seines Gangsterbosses einfach aus dem fünften Stock sprang und als Matsch am Poolrand aufschlug. In Chicago verdingt er sich als Drogendealer, bis Gras über die Sache gewachsen ist. So kreuzen sich in Kenilworth Arms die Wege etlicher Loser und werden nach und nach durch blutige Ereignisse aus ihrer Lethargie gerüttelt … Die liebevolle Zeichnung seiner desillusionierten Charaktere, der schonungslose Stil und die Spannung der coolen Story machen „Der Schacht“ zu einem zurecht gefeierten Klassiker nicht nur des Splatterpunk-Genres.

Michael Shea - „Die Farbe aus der Zeit“

(Festa, 174 S., HC)
Aus der Reihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ stammt Michael Sheas Fortsetzung von Lovecrafts berühmter Novelle „Die Farbe aus dem All“. Der im Original bereits 1984 veröffentlichte Roman erzählt die Geschichte der beiden befreundeten Dr. Gerald Sternbruck und Dr. Ernst Carlsberg, die einen Campingurlaub an einem Stausee in Neuengland machen.
Nach fünf Tagen bemerken sie bei einem Bootsausflug einen merkwürdigen farbigen Schimmer auf der Oberfläche des Sees, außerdem eine sonderbare Trägheit, die sie befallen zu haben schien. Als sie tags darauf über einen schmalen Pfad in den angrenzenden Wald gehen, häufen sich die mysteriösen Beobachtungen, die sich am deutlichsten in übergroßen Insekten manifestierten. Als sie die Ranger Harms und Arnold von ihren düsteren Vorahnungen und dem Verdacht berichten wollen, das Seewasser könne vergiftet sein, sind diese von einer ermattenden Krankheit gezeichnet, spielen die Ereignisse jedoch herunter. Erst kurz vor seinem Tod schickt Hazzard Harms die beiden alten Herrn zu seiner Schwester Sharon, die ihm bereits vor dreißig Jahren bedeutet hatte, auf den See zu achten. Gemeinsam mit der resoluten Frau machen sich die beiden Männer auf die Jagd nach dem „Feind“ im Wasser. Dabei erfahren Sternbruck und Carlsberg, dass vor fünfzig Jahren ein Meteorit in der Nähe des Sees eingeschlagen sei, worauf es einige unerklärliche Todesfälle gab, denen H. P. Lovecraft persönlich auf den Grund ging, um sie dann in seiner Geschichte „Die Farbe aus dem All“ zu verarbeiten... Michael Shea versteht es geschickt, den psychedelischen Horror von Lovecraft in dessen Sinne heraufzubeschwören.

Gustav Meyrink - „Der Mönch Laskaris“

(Festa, 320 S.,Pb.)
Seit seinem ersten Roman „Der Golem“ (1915) ist Gustav Meyrink (1868 – 1932) aus der deutschsprachigen phantastischen Literatur nicht mehr wegzudenken. Zwar sind weitere Werke wie „Das grüne Gesicht“, „Der weiße Dominikaner“ und „Walpurgisnacht" heute längst nicht mehr so bekannt wie zu Meyrinks Lebzeiten, doch üben seine Geschichten, die das Ausbrechen ihrer Helden aus dem Gefängnis der bekannten Realitäten zu beschreiben versuchen, auch heute noch eine große Faszination aus, stehen sie doch in einer langen Tradition, die von Edgar Allan Poe über E.T.A. Hoffmann bis zu Kubin, Strobl und Lasack führt.
In der Storys-Sammlung „Der Mönch Laskaris“ wird zudem deutlich, wie sehr ägyptische Mysterienweisheit, indisch-theosophisches Gedankengut und tibetisch-taoistische Weisheiten Eingang in Meyrinks Schaffen eingeflossen sind. Die 130 Seiten umfassende titelgebende Geschichte „Der Mönch Laskaris“ wendet sich aber zunächst dem beliebten „Goldmacher“-Motiv zu, nämlich der Verwandlung von unedlen Metallen in Gold. Ein geheimnisvoller griechischer Mönch verteilt sein magisches Pulver an verschiedene Alchimisten, die oftmals Ruhm und Ehre erreichen, aber oft unglücklich enden. In „Der Opal“ werden wir mit indischen Sitten vertraut gemacht, die einem das Tragen des besagten Edelsteins doch etwas verleiden können. „Der Mann auf der Flasche“ ist eine merkwürdige Marionetten-Komödie, die für viele Darsteller leider tödlich endet. Und schön gruselig ist auch „Die Pflanzen des Dr. Cinderella“, die sich als Kreuzung von pflanzlichem und menschlichem Gewebe entpuppen...

William Hope Hodgson - „Das Haus an der Grenze“

(Festa, 174 S., Pb.)
In der Reihe „Die bizarre Bibliothek“ erscheint mit „Das Haus an der Grenze“ ein kleiner Klassiker der phantastischen Literatur, der erstmals 1908 veröffentlicht wurde und als bekanntestes und bestes Werk des britischen Seemanns William Hope Hodgsons (1875-1918) gilt. Ähnlich wie H.P. Lovecraft beschwört Hodgson in diesem Roman das „kosmische Grauen“ herauf, ein oftmals schwer nachzuvollziehender, leicht wirrer Streifzug durch die abenteuerlichen, irren (?) Visionen eines Mannes, der mit seiner Schwester Mary und seinem treuen Hund Pfeffer ein von bösen Mächten oder gar dem Teufel selbst bewohnten Haus – so erzählen sich die Bewohner des westirischen Dorfes Kraighten – ein abgeschiedenes Leben führt.
Das Haus liegt inmitten eines riesigen Anwesens mit wild wuchernden Gärten, seine diabolischen Wurzeln liegen allerdings in einer dunklen, tiefen Schlucht, die sich dreihundert Meter von der Rückseite des Hauses entfernt auftut und allgemein nur „der Höllenschlund“ genannt wird. Als der Hausbesitzer mit seinem Hund diese Schlucht entdeckt, weckt er schweineartige Kreaturen aus dem Erdinnern, die daraufhin massiv das Haus in Beschlag zu nehmen versuchen. Der Angriff kann abgewehrt werden, die unheimlichen Geschöpfe verschwinden, doch die Neugierde ist geweckt. Als der Icherzähler mit seinem Hund in die Tiefen der Schlucht hinabsteigt, wird er schrecklicher Dinge gewahr, die er in einer Art Tagebuch zusammenfasst. Jahrzehnte später wird dieses Manuskript von zwei Anglern aufgefunden. Auch sie empfinden ein unheimliches Gefühl beim Anblick des nun verfallenen Hauses… Psychologisch interessanter, aber auch stark verquaster Horror à la Lovecraft.

Frank Festa (Hrsg.) - „Necrophobia – Meister der Angst“

(Festa, 440 S., Pb.)
Vor allem in den 80ern sind Anthologien von Horror-Geschichten auch hierzulande sehr populär gewesen – man denke nur an „Horror vom Feinsten“ oder Stephen Kings „Nachtschicht“ -, was vor allem den Bestsellererfolgen von Stephen King zu verdanken ist, der oft seine besten Ideen in Kurzgeschichten unterbrachte, aber auch Clive Barker, der seinen Durchbruch den „Büchern des Blutes“ zu verdanken hat. Dass Horror wieder etwas mehr in Mode kommt, ist zum einen Hörbuch-Verlagen wie LPL Records zu verdanken, die vor einiger Zeit mit „Necrophobia“ auf zwei CDs Kurzgeschichten von Briam Lumley, Joe R. Lansdale, H.P. Lovecraft, Gustav Meyrink, Richard Laymon und Graham Masterton so erfolgreich inszenierte, dass es mittlerweile eine Fortsetzung gibt. Und der Festa Verlag hat das Erfolgskonzept aufgegriffen und mit „Necrophobia“ eine wunderschöne Sammlung erschreckender Geschichten zusammengetragen.
Um die Geschichten der beiden „Necrophobia“-Hörbuch-Anthologien herum (wobei nicht jede Story von den CDs auch im vorliegenden Buch berücksichtigt werden konnte) hat Frank Festa insgesamt zwanzig Short Storys ausgewählt, die tatsächlich zum Besten zählen, was das Genre hergibt, von Klassikern wie H.P. Lovecraft, Gustav Meyrink, Clark Ashton Smith, Bram Stoker und William Hope Hodgson über die Wegbereiter des modernen Horrors wie Ramsey Campbell, F. Paul Wilson, Kim Newman, Graham Masterton und Richard Laymon bis zu Autoren, die es lohnt, sie endlich zu entdecken.

Steve Vance - „Der Mr. Hyde Effekt“

(Festa, 412 S., Pb.)
Als Horrorautor hat es Allen Blake Corbett zu erklecklichem Ruhm gebracht. Der Vielschreiber muss bereits etliche Romane unter Pseudonymen veröffentlichen, doch tut er sich mit seinem neuen Werk ungewöhnlich schwer. Zum Glück bezahlt er einen Kaffeejungen der Bezirkspolizei für Informationen, die Corbett oft als Inspiration für seine Geschichten dienen. Als Louis Angelina eines Donnerstagmorgens bei Corbett anruft, berichtet er ihm von zwei völlig zerfetzten Leichen acht Kilometer außerhalb von Los Angeles.
Am Tatort in Lynnview begegnet Corbett Douglas Morgan, einem Kolumnisten des Los Angeles Chronicle für unheimliche, mysteriöse Geschichten. Nachdem die Suche mit Polizeihunden in den umgebenden Wäldern erfolglos verlief, fragen sich die beiden, ob für dieses Gemetzel wirklich ein Mensch verantwortlich gewesen sein konnte. Sie beschließen, ihre eigenen Ermittlungen anzustellen, und erhalten dabei bald Unterstützung von der neunzehnjährigen Meg Talley, die sich zunächst selbst auf die Suche nach dem vermeintlichen Tiermenschen machen möchte, dann aber unversehens fast selbst Opfer der Bestie wird. Ihre Theorie, dass ein Werwolf für das Massaker in Lynnview und wenig später für eines in der Nachbarschaft verantwortlich sein muss, unterstützen auch Corbett und Morgan, während sich der junge Hobby-Ermittler Nicholas Grundel, der Vierte im Bunde, eher skeptisch zeigt. Doch das ungleiche Team wird schneller als erwartet mit der grausigen Wahrheit konfrontiert, als die Spur zum bekannten College-Dozenten Charles Gerald Cummings führt, der seit achtzehn Monaten vermisst gewesen ist. Nach seiner Verhaftung gesteht Cummings, der gesuchte „Tiermensch“ zu sein, doch damit hat das Grauen noch längst kein Ende gefunden … Atmosphärisch dichter und packender Werwolf-Thriller, dessen Fortsetzung „Das Mr. Hyde Erbe“ ebenfalls demnächst erscheinen wird.