Lucius Shepard - „Endstation Louisana“

Donnerstag, 16. Juli 2009

(Edition Phantasia, 157 S., Pb.)
Es ist noch gar nicht so lange her, da erschien bei Edition Phantasia mit „Aztech“ eine furiose Science-Fiction-Novelle des 1947 geborenen amerikanischen Schriftstellers Lucius Shepard, der sich aber ebenso in den Genres Fantasy und Horror beheimatet fühlt, wie er mit der prägnanten Horror-Story „Endstation Louisana“ eindrucksvoll dokumentiert.
So könnte man auch Grail bezeichnen, dieses kleine Nirgendwokaff am Golf mit einem aus zwei Blocks bestehenden Geschäftsviertel, ein paar Fischerbooten am verwitterten Kai, etlichen Bars, den benachbarten Kirchen The Assembly of God und St. Jude’s und dem Restaurant Vida’s Moonlight Diner. Die 29-jährige Inhaberin Vida Dumars war vor elf Jahren aus Grail weggelaufen und ließ sich in New Orleans von einem Hexer namens Clifford Marsh misshandeln. Seit ihrer Rückkehr nach Grail versucht sie diese Schmach zu vergessen. Sie ist die amtierende Mittsommernachtskönigin, zu der alle zwanzig Jahre ein zehnjähriges Mädchen gekürt wird, das alles Unglück der Stadt auf sich nehmen muss, damit es der Stadt selbst gut geht. Diesen Pakt schlossen Grails Gründerväter vor Jahrhunderten mit einem mysteriösen „Guten Grauen Mann“. Am Abend des 22. Juni, als Vidas Nachfolgerin gekürt werden soll, hat der durchreisende Musiker Jack Mustaine, mit seinem BMW eine Panne am Straßenrand von Grail, wartet die Reparatur seines Wagens in der Stadt ab und lernt Vida kennen und lieben. Doch dann stattet der „Gute Graue Mann“ der Stadt wieder einen Besuch ab, und über das Schicksal von Grail und seinen Bewohnern wird neu verhandelt ... „Endstation Louisana“ beschreibt den magischen Pantheismus im Süden von Louisana mit eindringlicher Intensität.

Lucius Shepard - „Aztech“

(Edition Phantasia, 111 S., Pb.)
Der 1947 geborene amerikanische Schriftsteller hat sich bislang sowohl in Fantasy-, Science-Fiction- als auch Horror-Kreisen einen Namen gemacht und präsentiert in der neu gegründeten Science-Fiction-Paperback-Reihe des Bellheimer Verlags Edition Phantasia mit „Aztech“ eine kleine, aber sehr feine SciFi-Erzählung. Das darin utopische Szenario treibt dabei die aktuelle politische und soziale Situation auf dem gesamtamerikanischen Kontinent nur auf die Spitze. In Lateinamerika herrschen anarchistische Zustände. Allein die mächtigen Drogenkartelle sorgen trotz ständiger kriegerischer Auseinandersetzung für etwas soziale Ordnung. Dagegen haben sich die reichen Vereinigten Staaten mit einem riesigen Elektrozaun an der gesamten Grenze zu Mexiko abgeschottet.
Der 24-jährige Eddie Poe, der mit seinem Vater aus den Staaten nach Mexiko gegangen ist und dort eine Personenschutzfirma leitet, erhält den Auftrag, mit Zett einen Abgesandten der High-Tech-Firma Aztech zu einem Treffen mit dem Drogenboss Carbonell zu begleiten. Doch die Verhandlungen enden in einer riesigen Schießerei, bei der Zett tödlich verletzt wird und Eddie mit seiner Freundin Lupe von seiner eigenen Crew gefangen genommen wird. Die durch Drogen zu Kampfmaschinen mutierten, Sammys genannten Söldner zwingen auch Eddie zum Drogenkonsum. Allein seine mediengeile Freundin Lupe, mit der er für ihre Sendung auch live vor der Kamera fickt, um ihre Einschaltquoten in die Höhe zu treiben, kann ihm offensichtlich helfen, nicht nur den Konflikt zwischen seiner eigenen und der neuen Sammy-Persönlichkeit zu lösen, sondern auch den innerhalb des gesellschaftlichen Brandherdes, der zu explodieren droht… Sehr spannende, zeitweise auch witzige Parabel über die Beziehungen von Politik, Sex, Medien, Macht und Manipulation.

Nick Mamatas - „Abwärts – Move Under Ground“

(Edition Phantasia, 199 S., Pb.)
In den limitierten Vorzugsausgaben des aufwändig gestalteten Hardcover-Programms hat der Verlag Edition Phantasia bislang fast ausschließlich – auch moderne - Klassiker der Science-fiction- und Horror-Literatur wie ausgewählte Werke von H.P. Lovecraft, Ray Bradbury,
Clive Barker, Peter Straub oder Stephen King veröffentlicht. In der recht jungen Paperback-Reihe eröffnet man nun auch hoffnungsvollen Newcomern die Möglichkeit, auf dem
deutschen Markt entdeckt zu werden.
Nick Mamatas wurde bereits für seine Story „Northern Gothic“ für den Bram Stoker Award nominiert, hat sich in den USA mit etlichen Beiträgen für Musik- und Underground-Magazine einen Namen gemacht und legt nun mit „Abwärts – Move Under Ground“ seinen ersten Roman vor, mit dem er den berühmten Beat-Autoren Jack Kerouac, Neal Cassidy und William S. Burroughs neues Leben einhaucht. Nachdem der Ich-Erzähler Jack mit Büchern wie „On The Road“ (1957) den American Way of Life kritisierte und die Sinnsuche einer entwurzelten Generation beschrieb, befindet er sich in den 60ern auf der Flucht vor seinen Fans und zieht sich in Big Sur zum Meditieren zurück und widmet sich seinem „spontanen Schreiben“. Er liest die Briefe seines Freundes Neal, dem er nie antwortet, mit dem ihn aber die Hoffnung verbindet, die Welt vor dem Grauen zu retten, das irgendwo da draußen in der Tiefe lauerte. Tatsächlich werden Jack, Neal und später auch Bill Burroughs mit dem Ausbruch des sagenhaften R’lyeh konfrontiert, der Heimat des urzeitlichen Gottes Cthulhu, dessen Heerscharen von Schoggothen und Kultisten bereits in Menschengestalt zu schlüpfen versuchen und die Menschheit zu vernichten drohen. Die drei Beatniks machen sich auf eine Reise durch ein apokalyptisches Amerika, von Nevada über San Francisco bis nach New York, um sich dem Bösen entgegenzustellen … Mamatas versteht es blendend, die
Sprache und das Anliegen der Beat-Autoren mit dem kosmischen Schrecken Lovecrafts zu verbinden. Heraus gekommen ist ein herrlich abgedrehtes, groteskes Road Movie in Romanform.

H.P. Lovecraft - “Der Kosmische Schrecken“

Freitag, 10. Juli 2009

(Festa, 317 S., HC)
Echte Lovecraft-Fans, die es sich auch noch leisten können, haben mit den bei Edition Phantasia veröffentlichten, bislang zehn sorgfältig editierte Bände umfassenden „Gesammelten Werken“ von H.P. Lovecraft bereits das Nonplusultra in den heimischen Bücherregalen stehen. Für den kleineren Geldbeutel bietet der Festa-Verlag, der schon viel an Sekundärliteratur und Lovecraft-verwandten Autoren veröffentlicht hat, aber auch schön eingebundene Geschichtensammlungen an, von denen der erste nun mit „Der Kosmische Schrecken“ vorliegt.
Kaum ein anderer Autor bot in seinen Erzählungen so viel Stoff für tiefenpsychologische Deutungen, denn der scheue Lovecraft war bekanntermaßen ein echter Sonderling mit ausgeprägten Vorurteilen gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten, ein Atheist und Materialist, der in seinen Geschichten nichtsdestotrotz grauenhafte Gottheiten schuf. So einigen begegnet man auch in „Der Kosmische Schrecken“. In neuer Übersetzung liegen hier mit „Die Ratten im Gemäuer“, „Das Ding auf der Schwelle“, „Dagon“, „Der Flüsterer im Dunkeln“, „Der Außenseiter“ und „Der Schatten über Innsmouth“ einige der populärsten Storys des amerikanischen Schriftstellers vor. Dazu gibt es sehr aufschlussreiche Anmerkungen zu letzterer Geschichte von S.T. Joshi und David E. Schultz sowie die von Lovecraft verworfene Version dieser schaurigen Novelle. Mit „Namenlose Kulte“ ist ein weiterer Lovecraft-Band bereits in Vorbereitung.

H.P. Lovecraft - „Der Ruf des Dämon – Dunkle Geschichten“

(Eichborn LIDO)
Neben Edgar Allan Poe ist Howard Philips Lovecraft (1890-1937) einer der bedeutendsten Wegbereiter der modernen Horror-Literatur gewesen. Das kosmische Grauen, das Lovecraft in seinen Erzählungen heraufbeschwor, eignet sich aufgrund seiner extrem bildhaften Sprache besonders gut für die immer beliebter werdenden Grusel-Hörbücher. Nachdem LPL Records bereits mit „Der Cthulhu Mythos“, „Der Schatten über Innsmouth“ und „Das Ding auf der Schwelle & Die Ratten im Gemäuer“ die bekanntesten Lovecraft-Storys als Hörbücher veröffentlicht haben, legt der Eichborn-Verlag nun mit der Doppel-CD „Der Ruf des Dämon“ nach. Die beiden hier vertretenen Stories „Der Hund“ und „Das Fest“ sind zwar nicht so bekannt wie andere, wobei Lovecraft selbst sogar erstere als seine schlechteste Erzählung betrachtete, entfalten aber nichtsdestotrotz ihre mehr als unheimliche Wirkung. In „Der Hund“ berichtet der Ich-Erzähler von seinem makabren Museum und seinen abscheulichen Ausstellungsstücken.
Mit den Themen Leichenraub und dekadente Todessehnsucht versuchte Lovecraft hier die Literatur der französischen Décadence von Autoren wie Baudelaire und Huysmans auf die Spitze zu treiben, was durchaus augenzwinkernde Züge annimmt.
In „Das Fest“ besucht der Ich-Erzähler das fremdartige Julfest in einer albtraumhaften Hafenstadt, die von einer jahrhundertealten Rasse bewohnt wird und dort ihre schaurigen Rituale durchführt … Beide Geschichten werden von Simon Jäger (Synchron-Stimme u.a. von Josh Hartnett und Heath Ledger) sehr stimmungsvoll erzählt. Dazu sorgt das Orchester der Schatten für einen atmosphärisch dichten Soundtrack aus Klavier, Bläsern, Cello und Percussions. Drei Gedichte, von Simon Newby im Original gelesen, und ein informatives Booklet runden die Produktion sehr schön ab.

H.P. Lovecraft - “Gesammelte Werke: Erzählungen – 5 Bände” + “Saat von den Sternen”

(edition phantasia)

200 S., HC)
Der exklusive Kleinverlag edition phantasia hat sich der dankbaren Aufgabe angenommen, das Gesamtwerk des bedeutenden Schriftstellers herauszugeben, und legt eine insgesamt fünf Bände umfassende erste Werkgruppe mit Erzählungen vor.
Mit seinen beklemmenden Visionen von uralten Göttern mit unaussprechlichen Namen wie Nyarlathotep, Yog-Sototh und Cthulhu, die einst von der Erde verstoßen wurden und sich seither danach sehnen, an ihre alte Wirkungsstätte zurückzukehren, avancierte Lovecraft nach Edgar Allan Poe zum bedeutendsten Horror-Schriftsteller Amerikas und wurde durch seinen Cthulhu-Mythos unsterblich. In „Erzählungen I“, dem ersten, auf 350 limitierten und handnummerierten Band der ersten, nur komplett zu beziehenden Werkgruppe, sind neben den aus den Suhrkamp-Sammelbänden wie „In der Gruft“, „Stadt ohne Namen“ und „Die Katzen von Ulthar“ bekannten Geschichten wie „Das Grab“, „Die Aussage des Randolph Carter“, „Celephais“, „Der Tempel“, „Die Musik des Erich Zann“ und „Azathoth“ bereits sieben bislang hierzulande unveröffentlichte, von Joachim Körber (der sich als Übersetzer vieler Bücher von Stephen King, Peter Straub und Clive Barker sowie als Herausgeber verschiedener Horror-Anthologien einen Namen gemacht hat) übersetzte Geschichten enthalten, die das Herz eines jeden Lovecraft-Fans höher schlagen lassen. Schließlich hat es Lovecraft wie kaum ein anderer verstanden, beklemmende Atmosphären zu kreieren, die den Leser nachhaltig zu beeindrucken wussten und die eindrucksvoll das Bild einer ohnmächtigen Menschheit zeichnete, die den mächtigen, alten Göttern hilflos ausgeliefert war.
„Erzählungen II“ widmet sich dem reiferen Werk des Autors und enthält u.a. seine berühmten Geschichten “Die Ratten im Gemäuer”, “In der Gruft”, “Cthulhus Ruf” und “Pickmans Modell". Zwar sind im Gegensatz zum ersten Band keine Erstveröffentlichungen vertreten, was den zweiten Band aber - abgesehen von der exklusiven Gestaltung - so wertvoll macht, ist das informative Vorwort des Lovecraft-Experten Marco Frenschkowski, der zu jeder Geschichte auch noch eine interessante Einführung verfasste, die jeweils gerade auf die ganz spezielle Ästhetik des Autors eingeht.
In “Erzählungen 3” sind mit “Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath”, “Der Fall Charles Dexter Ward” und “Die Farbe aus dem All”, die Lovecraft Ende der 20er Jahre verfasst hatte und die - wie Frenschkowski in seinem Vorwort anmerkt - einmal mehr eine “Topographie des Schreckens” entfalten und sich dabei auf unheimliche Weise der Genres historischer Roman, Science Fiction und Fantasy bedienen, zugleich Lovecrafts längsten Erzählungen zusammengefasst, die fast schon Roman-Charakter haben. Für Lovecraft-Liebhaber sind vor allem die ausführlichen historischen Anmerkungen von Frenschkowski zu jeder Geschichte von besonderem Reiz.
Abseits der “Gesammelten Werke” hat der Verlag mit “Saat von den Sternen” eine weithin unbekannte Facette von Lovecraft ans Tageslicht befördert, nämlich die Ausformung seiner Ästhetik des Schreckens in makabren Gedichten, die hier in zweisprachiger Fassung und vollfarbig von Heiner Stiller illustriert veröffentlicht worden sind. Kenneth W. Faig, Jr. verfasste dazu eine einfühlsame Einleitung, in der er nicht nur auf den Sonett-Zyklus “Fungi from Yuggoth”, sondern auch auf Lovecrafts Leben und Werk eingeht, und Muriel E. Eddy, eine persönliche Bekannte Lovecrafts, schließt den schönen Band mit einer “Reminiszenz” ab, die weitere Facetten von Lovecrafts Persönlichkeit enthüllt.

China Miéville - „Spiegel“

Mittwoch, 8. Juli 2009

(Edition Phantasia, 130 S., HC)
Der in London lebende China Miéville zählt in seiner englischen Heimat mit nur wenigen Romanen bereits zu den meistbeachteten Horror-Schriftstellern und wurde schon mit Auszeichnungen wie dem British Fantasy Award, dem Arthur C. Clarke Award und dem Locus Award geehrt. Nun bringt der Bellheimer Verlag Edition Phantasia Miéville auch dem deutschen Publikum nahe.
„Spiegel“ ist eine kleine, aber feine Horror-Erzählung, die von Jorge Luis Borges’ „Das Buch der imaginären Wesen“ inspiriert der interessanten Vorstellung nachspürt, was geschehen könnte, wenn unsere Spiegelbilder ein Eigenleben entwickeln würden. Das kurze Szenario spielt sich in einem apokalyptisch zerstörten London ab, in dem sich Sholl in einem gestrandeten Doppeldecker-Bus mit vergitterten Fenstern häuslich eingerichtet hat. Sporadisch zerfetzt das Donnern von Handfeuerwaffen die Luft. Führerlos versuchen einzelne militärische Trupps, Kontakt zu ihren Befehlshabern und zur nicht mehr vorhandenen Regierung aufzunehmen. Sholl macht sich auf den Weg zu einem dieser versprengten Trupps und versucht Anhänger für seinen Plan zu finden, den so genannten Patschogen den Garaus zu machen. Sie haben sich einst aus der Abhängigkeit von den Menschen befreien können, waren nicht mehr nur Spiegelbilder, sondern entwickelten erst hinter dem verspiegelten Glas ein eigenes, die Menschen zutiefst erschreckendes Dasein, dann traten sie durch das Glas auf die andere Seite und entfachten einen fürchterlichen Krieg. Sholl begibt sich in den U-Bahn-Schacht von Hampstead, um dort den Vampiren, niederen Formen der Patschogen, entgegenzutreten… Höchst interessantes und vergnüglich zu lesendes Gedankenspiel um die Welt, die sich möglicherweise hinter unseren Spiegelbildern verbirgt. Die auf 250 nummerierte Exemplare limitierte Vorzugsausgabe wurde wunderschön von Reinhard Kleist illustriert und sowohl vom Autor als auch vom Illustrator handsigniert.