Leslie Silbert - „Der Marlowe Code“

Samstag, 7. November 2009

(Blanvalet, 416 S., HC)
Als der englische Dramatiker Christopher Marlowe an einem Frühlingsabend des Jahres 1593 den Jahrmarkt an der London Bridge besucht, lässt er sich von einer seltsamen Alten die Karten legen, wobei ihm ein früher, gewaltsamer Tod prophezeit wird. Doch der selbstbewusste Bühnenautor, der zu den pfiffigsten Spionen seiner Majestät, Königin Elizabeth I., zählt, lässt sich von dieser Prognose nicht beirren. Doch die Wahrsagerin sollte Recht behalten. Gerade als Marlowe herauszufinden versucht, was es mit der geplanten Verschwörung gegen seine Königin auf sich hat, wird er in eine Falle gelockt und ermordet, die Umstände seines Todes verschleiert, so dass die Beweise für die Verschwörung unentdeckt bleiben…
Im heutigen London macht sich ein adliger, die Katze genannter Meisterdieb auf elegante Weise an einem Safe zu schaffen, der ein Jahrhunderte altes Manuskript enthält, doch bevor er seinen Coup genießen kann, wird der Baron gestellt, worauf sich dieser schnell selbst vergiftet. Das Manuskript gelangt in die Hände des smarten Geschäftsmannes Cidro Medina, der es in New York Kate Morgan übergibt, einer früheren Literaturwissenschaftlerin und Renaissance-Expertin, die nun für eine dem CIA zugehörige private Ermittlungsagentur arbeitet. Sie entschlüsselt das geheimnisvolle Manuskript als eine Sammlung von brisanten Spionageberichten, die der britische Spion Thomas Phelippes zusammengetragen hat und auch heute noch von hoher Brisanz ist. Kate macht sich auf den Weg nach London, muss aber schnell feststellen, dass ihr Leben in Gefahr gerät… Vielschichtiger, raffiniert zwischen den Epochen springender Spionage-Thriller mit interessantem historischem Background.

Ian Rankin - „Die Kinder des Todes“

Freitag, 6. November 2009

(Manhattan, 543 S., HC)
Während Detective Inspector John Rebus seine mysteriösen Brandverletzungen an den Händen im New Royal Infirmary in Edinburgh auskuriert, berichtet ihm seine Partnerin Detective Sergeant Siobhan Clarke von einem schrecklichen Fall, bei dem an einer Schule im kleinen Küstenstädtchen South Queensbury zwei Schüler getötet und einer verletzt wurde, während sich der vermeintliche Todesschütze, der ehemalige Soldat Lee Herdman, offensichtlich selbst eine Kugel in den Kopf schoss. Rebus hat zwar mit einer internen Ermittlung zu kämpfen, weil der Gauner Marty Fairstone bei einem Brand in seiner Wohnung ums Leben gekommen war und Rebus ihm nachweislich kurz vorher einen Besuch abgestattet hatte.
Rebus wird wegen Tatverdachts zunächst vom Dienst suspendiert, hilft seinen Kollegen Clarke und Hogan aber bei der Auflösung der Bluttat an der Port Edgar Academy. Man vermutet gemeinhin, dass Herdman seine soldatische Vergangenheit psychisch noch nicht verarbeitet hat, aber es bleibt ein Rätsel, warum er ausgerechnet in den Aufenthaltsraum der Schule ging und die drei Jungs erschießen wollte, von denen James Bell, der Sohn des Parlamentariers Jack Bell, mit einer Schulterverletzung mit dem Leben davonkam. Recht schnell schalten sich allerdings zwei Ermittler von der Royal Army ein, so dass Rebus vermutet, dass mehr hinter dem Fall steckt. Und tatsächlich, bei dem Beziehungsgeflecht der involvierten Jugendlichen und Herdmans zwielichtigem Bekanntenkreis tun sich ganz andere Abgründe auf, die die Tragödie heraufbeschworen haben… Gewohnt spannender, atmosphärisch dicht erzählter John-Rebus-Krimi vom Meister des britischen Krimis.

Ian Rankin - „Die Tore der Finsternis“

(Manhattan, 542 S., HC)
Ehe er sich versieht, muss Detective Inspector John Rebus in Tulliallan die Schulbank des Scottish Police College drücken, nachdem er gegenüber seiner Vorgesetzten, Detective Chief Superintendent Gill Templer, ausgerastet war und sie mit einem Becher Tee beworfen hatte. Zusammen mit fünf weiteren aufsässigen Kollegen aus den Reihen der schottischen Polizei soll Rebus seine Kenntnisse in korrektem Verhalten auffrischen und Teamarbeit lernen. Dafür setzt sie ihr Ausbilder, DCI a.D. Tennant, auf einen älteren, ungelösten Fall an, den Mord an Eric Lomax.
Da Rebus damals bei den Ermittlungen beteiligt gewesen ist, bemüht er sich, die neu aufgenommene Ermittlungsarbeit zu verschleppen und sich auf einen frischen Fall zu konzentrieren, von dem er gerade abgezogen worden war, der Ermordung des Kunsthändlers Edward Marber. Zusammen mit seiner Kollegin Siobhan Clarke sucht Rebus Motive und Beweise und stößt schnell auf den Kriminellen M.G. Cafferty, der sich aber schwer dingfest machen lässt. Je weiter die Ermittlungen von Rebus und Clarke auf der einen Seite, am Fall Lomax auf dem College aber vorangehen, um so mehr treten die Verbindungen zwischen beiden Morden zutage. Als die beiden Detectives schließlich erkennen, dass die Spuren der Mörder nicht nur in Edinburghs Unterwelt führen, sondern bis in die höchsten Polizeikreise, wird die Situation für die Ermittler äußerst brenzlig. Raffinierter und komplexer Krimi um den beliebten Serienhelden John Rebus.

Max Dax/Robert Defcon - „Nur was nicht ist ist möglich. Die Geschichte der Einstürzenden Neubauten“

Donnerstag, 5. November 2009

(Bosworth, 320 S., HC)
Einem international bedeutsamen kulturellen Phänomen wie den Einstürzenden Neubauten kann man sich auf verschiedene Weise nähern, will man ihre aufregende Geschichte in Buchform fassen, als reich bebilderte Biographie, wie sie Neubauten-Intimus Klaus Maeck mit „Hör mit Schmerzen“ vorgelegt hat, als ausführlich kommentierte Diskographie (Kirsten Borchardts „Einstürzende Neubauten“) oder eben als aussagekräftige O-Ton-Collage, wie es jetzt Max Dax und Robert Defcon getan haben. In einem Zeitraum von zwei Jahren haben die beiden engagierten Autoren 49 Einzelinterviews mit den Mitgliedern und Vertrauten der Einstürzenden Neubauten geführt und die ausführlichen Statements nach bestimmten Themenkomplexen sortiert und ohne die einleitenden Fragen kommentarlos neu zusammengesetzt und aneinandergereiht.
So erfahren wir im ersten Kapitel „Ich“, wie die Neubauten-Mitglieder zu ihren außergewöhnlichen Namen kamen, im nachfolgenden „Westberlin“ reflektieren Blixa Bargeld, Alexander Hacke & Co. die wilden Tage und Nächte im Berlin der Achtziger, die von Hausbesetzungen und Atomkriegängsten geprägte Endzeitstimmung. Die Neubauten wollten damals eigentlich keine Musik machen, sondern nur nerven, Interesse erzeugen. Auf über 300 Seiten erfährt der interessierte Leser eine Menge Intimes, Interessantes und Aufschlussreiches aus den Mündern der Macher selbst, über ihre Ansichten, Arbeitsweisen, Tourneen und das Selbstverständnis nach 25 Jahren Einstürzende Neubauten. Einen intimeren Einblick in das Wesen dieser wichtigen Band wird man wohl kaum noch bekommen.

Maximilian Dax & Johannes Beck - „The Life And Music Of Nick Cave - An Illustrated Biography“

(Die Gestalten Verlag, 178 S., Softcover im Großformat)
Bereits der kleine Photo-Band in dem Box-Set zum 93er Live-Album „Live Seeds“ dokumentierte nicht nur die unglaubliche Bühnenpräsenz, die Nick Cave bei seinen Live-Performances ausstrahlt, sondern legte vor allem Zeugnis über die ganz besondere Aura ab, die den charismatischen Künstler stets zu umgeben scheint. Die ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotographien können aus heutiger Sicht als Appetitanreger gedient haben für die längst überfällige deutschsprachige Biographie des australischen Ausnahmemusikers, wobei sich das von Maximilian Dax und Johannes Beck sorgfältig recherchierte und kurzweilig geschriebene Werk durch ein schönes Gleichgewicht von informativem Text und ausdrucksvollen Ganzseiten-Fotos auszeichnet.
Den beiden Autoren war von Beginn an daran gelegen, nicht weiter einer Mystifizierung des Rockstars Nick Cave zuzuarbeiten, sondern seinen Werdegang auch stets im Lichte der Zeit und der besonderen Lebensumstände zu betrachten, die Dinge zu erwähnen, die Cave antrieben und behinderten. Nach dem Vorwort von Johannes Beck bekommt der Leser erst einmal auf sieben durchgehenden Seiten rein visuelle Eindrücke aus Nick Caves Kindheit und Schulzeit vermittelt, und so bietet das großzügig mit über 100 Bildern aus Caves Leben ausgestattete Werk immer wieder Inseln emotional ansprechender Momentaufnahmen, die dem Leser Leben und Werk des außergewöhnlichen Künstlers nahebringen. Der dazugehörige Text schildert nicht nur Stationen von Nick Caves Leben und Werk, sondern bietet in konzentrierter Form auch unterhaltsame Episoden aus seinen Etappen zum Erfolg, setzt sich mit den einzelnen Alben und künstlerischen Einflüssen auseinander, läßt andere Künstler zu Wort kommen und wartet schließlich auch mit einer umfassenden Diskographie und Bibliographie auf und rundet damit ein farbenprächtiges, lustvoll designtes Werk ab, das man immer wieder gern zur Hand nimmt.

Douglas Coupland - „Alle Familien sind verkorkst“

Sonntag, 1. November 2009

(Hoffmann und Campe, 335 S., HC)
Mit seinem 1991 veröffentlichten Debüt „Generation X“ hat der 1961 geborene amerikanische Autor Douglas Coupland nicht nur ein beißend ironisches Portrait der Nach-Baby-Boom-Generation der zwischen 1960 und 1970 Geborenen gezeichnet, sondern sich sogleich in den Olymp der Kult-Autoren geschrieben. Wie in seinen nachfolgenden Romanen erweist sich Coupland auch mit seinem neuesten Streich als intelligenter Beobachter der amerikanischen Mittelschicht und ihrer Träume.
Er erzählt die kuriose wie liebenswerte Geschichte der Familie Drummond, deren Mitglieder eigentlich in ganz Nordamerika verstreut sind. Doch zum Weltraumausflug der Contergan-geschädigten Tochter und Schwester Sarah finden sich alle in Cape Canaveral zusammen: Die pillensüchtige, extrem sparsame Mutter Janet, ihr bankrotter Ex-Mann Ted, ihr Sohn Wade, der irgendwie auch immer blank ist und mit dem Gesetz auf Kriegsfuß steht, ihr anderer Sohn Bryan, dessen hysterische Frau mit dem Fantasienamen Shw das gemeinsame Kind abzutreiben gedenkt. Sie alle nehmen allerlei Schwierigkeiten bei ihrer Odyssee nach Orlando auf sich und kommen sich bei aller Hass-Liebe ausgerechnet durch einen deutschen Pharma-Erben wieder näher. Coupland beschreibt diese irrwitzigen Abenteuer so lebhaft und liebenswert, dass einem die schrägen Drummond-Vögel schon nach ein paar Seiten ans Herz wachsen. Die Coen-Brüder sollten sich die Filmrechte sichern.

Daniel Wallace - „Big Fish“

(Knaur, 222. S., Tb.)
Mit Filmen wie „Beetlejuice“ und „Edward mit den Scherenhänden“ hat Regisseur Tim Burton bislang am beeindruckendsten sein Faible für märchenhafte Geschichten in Szene setzen können. In dieser Tradition steht auch sein Film „Big Fish“, der auf dem Roman von Daniel Wallace basiert. Dieser schildert im Gegensatz zu seiner farbenprächtigen Leinwand-Adaption in knappen Sätzen ein wahrlich bezauberndes Märchen, in dem William Bloom seinen Vater erst richtig kennen lernt, als dieser bereits im Sterben liegt.
Bis dahin war das Leben von Edward Bloom eine Aneinanderreihung von unglaublichen Geschichten. Da rettete er einer Meerjungfrau das Leben, indem er ihr eine Giftschlange vom Leibe hielt. Oder er verschonte die kleine Gemeinde Ashland vor dem Riesen Karl, indem Edward ihm beibrachte, Gemüse anzubauen (während er im Film mit dem Karl auf Reisen ging). Bezaubernd auch, wie er das Herz seiner ersten großen Liebe zu erobern versuchte und wie er die Stadt Specter aufkaufte. Die sehr kurze Romanvorlage wurde von Tim Burton weitaus farbenprächtiger, witziger und märchenhafter umgesetzt, die schwierige Vater-Sohn-Beziehung besser herausgearbeitet. Dennoch bietet auch die Romanvorlage ein bezauberndes Lesevergnügen.