Neil Gaiman - „Die Messerkönigin“

Dienstag, 2. Februar 2010

(Heyne, 368 S., Tb.)
Als Erfinder der wunderbaren „Sandman“-Geschichten ist Neil Gaiman bereits ein König unter den Fantasy-Schreibern. Und mit seinen beiden Romanen „Niemalsland“ und „Sternwanderer“ hat er einfach zwei wunderbare, zauberhafte Märchen erzählt, die süchtig nach mehr gemacht haben. Mit „Die Messerkönigin“ ist jetzt eine Kurzgeschichtensammlung erschienen, die die reichhaltige Palette von Gaimans Erzählkunst und Fantasiereichtum offenbart.
In der ausführlichen, 35seitigen vom Verfasser selbst geschriebenen Einführung erläutert Gaiman auf witzige Weise die Hintergründe der einzelnen Storys, die oft eine ungewohnt erotische Komponente aufweisen. Schaurig schön sind vor allem unheimliche Storys wie „Das Hochzeitsgeschenk“ oder die an Lovecraft anknüpfende Innsmouth-Geschichte „Nur mal wieder das Ende der Welt“. Gaimans wahre Stärken liegen aber zweifellos in den wundervollen, verträumten Fantasy-Märchen wie „Ohne Furcht und Tadel“, die die Schwierigkeit eines Ritters in der Jetztzeit beschreibt, den Heiligen Gral einer schrulligen Oma abzukaufen, oder „Schnee, Glas, Äpfel“, die Gaiman-Variante des Grimm-Märchens „Schneewittchen“ darstellt. Auf der anderen Seite schimmert in grotesken Stories wie „Im Dutzend billiger“ oder „Shoggoth’s Old Peculiar“ Neil Gaimans trockener britischer Humor so gnadenlos durch, dass man aus dem Grinsen kaum noch rauskommt. Wer also nicht unbedingt auf eine bestimmte Art von Fantasy festgelegt ist, wird an den vielen, ganz unterschiedlichen Geschichten seine helle Freude haben.

Neil Gaiman - „Die Bücher der Magie 1“

Montag, 1. Februar 2010

(Vertigo/Speed, 200 S., Pb)
Während Harry Potter in aller Munde ist und die Bücher-Bestsellerlisten ebenso beherrscht wie die Kinocharts, machen einem die nun als Paperback zusammengefassten „Bücher der Magie“ von Neil Gaiman („Sandman“) darauf aufmerksam, dass die Figur des Harry Potter ihren Ursprung in Tim Hunter hat, dem 1990 von Neil Gaiman zum Leben erweckten Jungen, der von vier geheimnisvollen Männern in Trenchcoats in die Geschichte und die Möglichkeiten der Magie eingewiesen wird, um dann entscheiden zu können, ob er der Merlin des 21. Jahrhunderts werden möchte.
Im ersten Kapitel, „Das unsichtbare Labyrinth“, wird Timothy auf eine Reise in die Vergangenheit geführt, wo er Atlantis, Merlin, Luzifer und die Erzengel, aber auch die ägyptischen, fernöstlichen und nordischen Mythen kennen lernt. John Constantine entführt den Jungen anschließend in die „Schattenwelt“, wo ihm Madame Xanadu die Karten legt und von den Mächten der Dunkelheit verfolgt wird. Märchenhaft, aber nicht weniger gefährlich geht es im „Land des Sommerzwielichts“ zu, wo Tim Bekanntschaft mit dem Elfenvolk und dem Bewacher von König Artus macht, dann aber in Gefangenschaft gerät. Am Ende macht ihn Mister E in „Die Straße ins Nirgendwo“ mit den elementaren Gesetzen der Magie vertraut. Doch wie wird sich Timothy entscheiden? Neil Gaiman hat seine Faszination für Kinderliteratur zu einer wunderbaren, vielschichtigen Erzählung über die Möglichkeiten der Kindheit und Jugend ausgeformt und dabei die Grundsätze der Magie weitaus fundamentaler ins Spiel gebracht, als es bei Harry Potter je auch nur im Ansatz geschehen könnte.

Neil Gaiman - „Sternwanderer“

(Heyne, 240 S., Tb.)
Als Schöpfer der Kult-Comic-Figur Sandman längst zu Weltruhm gekommen, konnte Neil Gaiman auch als Drehbuch- und Romanautor als hervorragender Geschichtenerzähler von sich reden machen. Nach dem in Zusammenarbeit mit Fantasy-Autor Terry Pratchett entstandenen „Ein gutes Omen“ und seinem Solo-Romandebüt „Niemalsland“ erscheint mit „Sternwanderer“ sein langerwartetes zweites Buch, das einmal mehr beweist, dass der mittlerweile in den USA lebende Brite ein wunderbarer Erzähler von klassischen Märchen mit zeitlosem Flair ist.
„Sternwanderer“ ist die fantasiereiche Geschichte des kleinen Tristan, der an einem jener seltenen Tage gezeugt worden ist, als das streng bewachte Tor in der Mauer zwischen dem Dörfchen Wall und dem Feenreich anlässlich des Markttages geöffnet wurde und sich die seltsamsten und hübschesten Fabelwesen unter die Dorfbewohner mischen konnten. Tristan verliebt sich in das geheimnisvolle Mädchen Victoria, das seinem Begehren nur dann nachgeben will, wenn er ihr einen bestimmten vom Himmel gefallenen Stern bringt. Wagemutig macht sich Tristan auf die verbotene Reise ins Feenreich und muss im Wettstreit mit einer Hexenkönigin und den potentiellen Erben der Königskrone seinen wertvollen Stern finden. Gaiman bedient sich bei seiner zärtlichen Liebesgeschichte, die er als witzige wie abenteuerliche Fabel voller überschwänglicher und magischer Momente über die Erfüllung von Herzenswünschen verpackt hat, klassischer Märchenmotive und webt die vielschichtigen Handlungsstränge mit herzzerreißender Poesie und ungebändigter Leidenschaft eines Erzählers, der König in einem Reich ist, in dem nichts unmöglich scheint.

Ray Bradbury - „Feuersäule“

Donnerstag, 21. Januar 2010

(edition phantasia, 148. S., HC)
Mit seinen verfilmten Sci-Fi- und Grusel-Klassikern „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Der illustrierte Mann“ und „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“ avancierte Ray Bradbury zu den berühmtesten und besten Sci-Fi- und Horror-Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit „Feuersäule“ liegt nun ein wunderbarer Band mit zwölf Horror-Geschichten vor, die zwischen 1944 und 1951 entstanden sind und in der Übersetzung von Joachim Körber überwiegend erstmalig in deutscher Sprache. In „Die schreiende Frau“ erzählt die zehnjährige Margaret Leary, wie sie eine schreiende Frau aus der Erde im heimischen Garten hört, doch niemand ihr glauben will, bis sie ihrem Vater sagen kann, was sie genau gehört hat. „Kulissen in der Nacht“ handelt von einer seltsamen Begegnung zwischen Paul und dem seit Monaten verschollenen Matt, der einfach nicht mehr nach Hause gehen will, während „Das schwarze Riesenrad“ die Geschichte des skurrilen Jahrmarktdirektors Mr. Cooger erzählt, dessen dunkles Geheimnis von den beiden Freunden Hank und Paul gelüftet wird. Und in „Der See“ wird Harald auf tragische Weise mit seiner im See verschwundenen Jugendliebe Tally konfrontiert, als er mit seiner Braut Margaret in den Flitterwochen an den See zurückkehrt.
Ray Bradbury vermochte in diesen und anderen kurzen Geschichten bereits seine Stärke, das Kind in uns wieder zum Leben zu erwecken, eindrucksvoll zu demonstrieren. Es sind Geschichten, die uns auf magische Weise mit einem wohligen Schauer auf dem Rücken an die Träume und Erlebnisse unserer eigenen Kindheit denken lassen. Das in Samt eingebundene Buch wurde von Lillian Mousli wunderschön illustriert, die ersten hundert Exemplare der auf 250 limitierten Edition sogar vom Autor und der Künstlerin signiert.

Ray Bradbury - „Vom Staub kehrst du zurück“

(Edition Phantasia, 171 S., Pb.)
Bislang machte der sympathische wie engagierte Kleinverlag Edition Phantasia allein von wertvollen limitierten Werken und Vorzugsausgaben von Schriftstellern wie Stephen King, Clive Barker, H.P. Lovecraft oder Philip K. Dick von sich reden. Nun startet auch eine Horror- und eine Fantasy-Paperback-Reihe, die mit der wundervollen neuen Geschichte von Ray Bradbury, „Vom Staub kehrst du zurück“, ihren poetischen Anfang nimmt.
Bradbury, der für so unvergessliche Bücher wie „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Der illustrierte Mann“, „Das Böse kommt aus leisen Sohlen“ und „Halloween“ verantwortlich zeichnet, widmet sich darin einmal mehr dem traditionellen Halloween-Fest, der Zeit des Geschichtenerzählens. Er verarbeitet darin vor allem eigene Kindheitserinnerungen an diese ausgelassene Zeit und erzählt in seiner unnachahmlich bildhaften, zauberhaften Sprache von einem Haus mit neunundneunzig oder einhundert Kaminen auf einem einsamen Hügel in Illinois, wo sich Jahr für Jahr die merkwürdigsten Gestalten und Wesen zu einem ganz besonderen Familienfest zusammenfinden: die Tausendmal-Ur-Grandmère, die als Mutter von Nofretete bereits nur noch flüsternder Staub und Papyrus ist; die junge Hexe Cecy, die nach Belieben in den Geist anderer Menschen fliehen kann und sich in Gestalt Anderer zu verlieben sucht; Onkel Einar und Mademoiselle Angelina Marguerite, ein Rätsel verkehrten Lebens, das mit jedem Tag immer jünger wird. Der Junge Timothy ist ganz fasziniert von dieser magischen Welt auf dem Dachboden des Hauses. Er wurde einst in einem Korb vor der Tür des Hauses gefunden, mit Shakespeare als Stütze und Poes „Der Untergang des Hauses Usher“ als Kopfkissen. Ihm ist aufgetragen, die Geschichte dieser Familie zu bewahren… Ein märchenhaft schönes Buch über die Macht der Fantasie und der Sprache und der unheimlichen Geschichten, die man sich zu Halloween erzählt.

Ray Bradbury - „Der Katzenpyjama“

Mittwoch, 20. Januar 2010

(Edition Phantasia, 184 S., Pb.)
Durch die Verfilmungen seiner Romane/Story-Sammlungen „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“ und „Der illustrierte Mann“ wurde der 1920 geborene amerikanische Schriftsteller Ray Bradbury weltberühmt. Bis heute fühlt er sich in den Genres Horror, Fantasy, Science-Fiction und Kriminalroman zuhause und verblüfft seine Leser mit seiner unnachahmlichen Fabulierkunst und grenzenlosen Fantasie. Nun legt der Bellheimer Kleinverlag in seiner noch jungen Paperback-Reihe „Science Fiction“ einen kleinen, feinen Band mit 22 bislang hierzulande unveröffentlichten Short Storys des Genre-Meisters vor, die Bradburys Golden Retriever Don Albright in dessen Keller aufgestöbert hat.
Sie stammen überwiegend aus den 40er Jahren und aus jüngerer Zeit und konfrontieren den Leser mit vergnüglichen wie absurden Geschichten. So erzählt „Chrysalis“ von einer kurzen Sommerfreundschaft eines weißen und schwarzen Jungen, in „Das Haus“ sucht eine unverhofft zur Besitzerin eines uralten, verstaubten Hauses gewordene Frau nach ihrer Lebensfreude, während in „Heil, Häuptling!“ dreizehn amerikanische Senatoren in einem Indianer-Casino die gesamten Vereinigten Staaten beim Glücksspiel verloren haben. „Ganz natürlich“ beschreibt das Warten einer schwarzen Nanny auf den angekündigten Besuch des weißen Jungen, den sie aufgezogen hat und der jetzt ein berühmter Schriftsteller geworden ist. In „Alle meine Feinde sind tot“ verzweifelt jemand, der die Todesanzeige seines letzten noch verbliebenen Feindes entdeckt, erhält dann aber überraschenden Nachschub … So wandert der Autor mit seinen Lesern ganz entspannt mit leicht melancholischen Tönen und anregend lyrischer Sprache durch faszinierende Geschichten, von denen man bald noch mehr verschlingen möchte.

Ray Bradbury - „Bringen wir Constance um!“ + „Schneller als das Auge“

Dienstag, 19. Januar 2010

Ray Bradbury, der große Fabuliermeister der amerikanischen Literatur, der für verfilmte Meisterwerke wie „Der illustrierte Mann“, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“, „Die Mars-Chroniken“ und natürlich „Fahrenheit 451“ verantwortlich ist, hat sich mal wieder dem Krimi-Genre zugewandt. Ein namenloser Schriftsteller hat im kalifornischen Venice das Strandhaus seiner Freundin, der alternden Schauspielerin Constance Rattigan, aufgesucht, um dort seinen Roman zu beenden.
In einer stürmisch-verregneten Nacht des Jahres 1960 steht plötzlich seine Freundin vor der Tür und erzählt völlig aufgelöst, dass sie vom Tod verfolgt worden sei, und holt ein Telefonbuch von Los Angeles aus dem Jahre 1900 aus ihrer Handtasche. Für die Rattigan ist es ein Totenbuch, denn kaum ein Name dürfte noch unter den Lebenden weilen. Ein zweites Telefonbuch fand sie zuhause nach einem Spaziergang, ein sehr persönliches, das sie vor Jahren den Hollywood Helpers überlassen hatte, und nun sind die noch lebenden Personen in dem Buch mit roten Kreuzen versehen, zum Sterben auserkoren. Zusammen mit seinem Freund Crumley, seinem persönlichen Dr. Watson, macht sich der Schriftsteller auf die Suche nach den markierten Personen. Schon der erste Besuch unter dem Eintrag „Rattigan, Kathedrale St. Vibiana“ birgt eine Überraschung, der etliche weitere folgen sollen. Es sind dabei nicht nur Leichen, die den Weg der beiden Ermittler kreuzen. Sie – und der Leser – erhalten auch einen Blick in die goldene Ära Hollywoods mit all den exzentrischen Persönlichkeiten, die nicht alle den Ruhm geerntet haben, nach dem sie strebten. Gefühlvoll und atmosphärisch dicht geschrieben, fesselt die Geschichte von Anfang bis Ende und beweist, dass Bradbury auch mit über 80 Jahren noch ein wunderbarer Erzähler ist.
(Edition Phantasia, 204 S., Pb.)
Das beweist er auch mit den 21 erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Storys, die Ende der 90er entstanden und in dem Band „Schneller als das Auge“ versammelt worden sind. In der eröffnenden Titelgeschichte verfolgt ein Zuschauer gespannt, wie ein ihm überraschend ähnlicher Mann auf der Bühne bei einer Zaubervorführung ausgenommen wird, in „Sanfte Morde“ versucht ein altes Ehepaar, sich gegenseitig ins Jenseits zu befördern, „Ein schöner Schlamassel“ lässt noch einmal die goldene Ära Hollywoods aufleben, „Dorian in Excelsis“ dagegen die unsterbliche Magie großer Schriftsteller. Man kommt aus dem Staunen kaum noch heraus, wenn man sich erst einmal der unerschöpflichen Fantasie dieses großartigen Autors hingibt! (Diogenes, 320 S., HC)