Lemony Snicket - Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: „Die unheimliche Mühle (4)“ + „Die Schule des Schreckens (5)“ + „Die dunkle Allee (6)“

Sonntag, 7. Februar 2010

(Manhattan, je ca. 200 S., HC)
Nachdem die ersten drei Episoden über die betrüblichen Ereignisse, denen die durch einen Hausbrand zu Waisen gewordenen Baudelaire-Geschwister Violet, Klaus und Sunny während ihrer Odyssee von einem neuen Vormund zum anderen ausgesetzt sind, im vergangenen Jahr erfolgreich mit Jim Carrey verfilmt worden sind, erscheinen nun die nächsten drei, wieder wenig erfreulichen Episoden neu im hübsch gestalteten Hardcover. Auf der Flucht vor dem Verwandlungskünstler und Erbschaftsjäger Graf Olaf setzt der Baudelaire-Vermögungsverwalter Mr. Poe die Kinder in den Zug nach Jammerau in „die unheimliche Mühle“, wo sie als Sklaven in einem Sägewerk arbeiten sollen, bis sie volljährig sind.
Der im wahrsten Sinne durch eine ihn stets umgebende Rauchwolke undurchsichtige „Sir“ verspricht den Kindern dafür, sie vor Graf Olaf zu beschützen, aber natürlich gelingt es dem gerissenen Bösewicht erneut, den Baudelaires Angst und Schrecken einzujagen.
Nachdem sie den Schrecken der Mühle entkommen sind, schickt Mr. Poe die Baudelaire-Waisen auf „Die Schule des Schreckens“, die von einem größenwahnsinnigen, falsch Geige spielenden Direktor namens Nero geleitet wird. Ein Super-Computer soll verhindern, dass Graf Olaf in die Nähe der Kinder gelangt, aber in der Verkleidung eines Sportlehrers bekommt er einmal die drei Geschwister unter seine Fittiche. Zusammen mit den Zwillingen Isidora und Duncan, mit denen sich die Baudelaires anfreunden, entwickeln sie einen Plan, dem Internat und Graf Olaf zu entkommen … Nach der erfolgreichen Flucht kehren Violet, Klaus und Sunny in ihre Heimatstadt zurück, wo Mr. Poe sie in die Obhut des Ehepaars Esmé und Jerome Elend in eine riesige Penthouse-Wohnung eines 66-Etagen-Hauses in „Die dunkle Allee“ ziehen. Während Jerome sehr bemüht um die Kinder ist, kümmert sich seine Frau als sechstwichtigste Finanzberaterin der Stadt allein darum, was in und was nicht. Da Waisen gerade in sind, hatten die Baudelaire-Kinder Glück, bei den Elends eine neue Heimat zu finden. Doch das Glück hält natürlich wieder nicht lange an, denn der verhasste Graf Olaf taucht diesmal als Auktionator Gustav auf, um den Kindern das Leben schwer zu machen … Erfolgreich und fantasiereich spinnt Lemony Snicket das Konzept der etwas anderen Jugend-Literatur auch in den Bänden 4 bis 6 weiter. Hoffentlich lassen auch die nächsten Bände nicht lange auf sich warten!

Lemony Snicket - Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: „Das düstere Dorf (7)“ + „Das schaurige Spital (8)“ + „Der grausige Jahrmarkt (9)“

(Manhattan, je ca. 230 bis 260 S., HC)
Spätestens durch die kongeniale Verfilmung der ersten drei Lemony-Snicket-Bände als „Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse“ ist auch die entzückende literarische Vorlage von einer breiteren Öffentlichkeit entdeckt worden und ein Lesevergnügen vor allem für „Harry Potter“-Fans geworden. Nach die verwaisten Baudelaire-Kinder Violet, Klaus und Sunny von einem Vormund zum nächsten geschickt wurden und sich dabei immer wieder des Erbschleichers Graf Olaf erwehren mussten, der den Kindern in immer neuen Verkleidungen nachstellt, landen die drei bemitleidenswerten Kinder nun im Dorf F.F., das sich den Aphorismus „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“ auf die Fahnen geschrieben hat.
Dort hoffen die Baudelaires die verschleppten Quagmeir-„Drillinge“ Duncan und Isadora zu finden, die mit geheimnisvollen Terzetten eine Spur zu ihrem momentanen Gefängnis legen. Doch nebenbei haben die Baudelaire-Waisen auch die Hausarbeit des ganzen Dorfes zu erledigen und Graf Olaf in der Verkleidung eines Meisterdetektivs zu enttarnen … In „Das schaurige Spital“ werden die Baudelaires im „Kaufhaus Zur Letzten Gelegenheit“ zunächst von den Freiwilligen Freudenspendern davor bewahrt, als gesuchte Mörder festgenommen zu werden, um dann ins Henry-J.-Heimlich-Hospital verschleppt zu werden, wo sie im Archiv auf ihre eigenen Akten stoßen und einige fürchterliche Vorkommnisse zu überstehen haben … Schließlich verschlägt es die Baudelaires im Kofferraum von Graf Olafs Auto auf den „grausigen Jahrmarkt“, wo sie als Monströsitäten verkleidet herauszufinden versuchen, ob vielleicht doch ein Elternteil das schreckliche Feuer überlebt haben könnte, das die drei Kinder plötzlich zu Waisen gemacht hatte. Auch hier ist wieder spannende Unterhaltung garantiert!

Neil Gaiman - „Anansi Boys“

Samstag, 6. Februar 2010

(Heyne, 448 S., Tb.)
Obwohl Fat Charlie Nancy eigentlich nie richtig dick gewesen ist, wurde er seinen Spitznamen nie los. Das hatte er seinem Vater zu verdanken, der – wie die meisten Kinder von ihren Eltern sagen würden – nur peinlich gewesen ist. Dennoch will ihn Fat Charlie zu seiner Hochzeit einladen, muss aber telefonisch erfahren, dass sein Vater bei einer Karaoke-Show einfach tot von der Bühne direkt vor die blondeste Urlauberin im Saal gefallen ist, bevor er „I Am What I Am“ ins Mikrofon schmettern konnte.
Bei der Beerdigung erklärt ihm die kauzige Nachbarin Mrs. Higgler, dass Fat Charlies Vater eigentlich der afrikanische Tiergott Anansi gewesen ist und dass Fat Charlie noch einen Bruder namens Spider hat. Dieser schleicht sich auf recht unverfrorene Weise in Charlies Leben, nistet sich in Charlies Wohnung ein, geht mit seiner Verlobten Rosie aus, schwärzt ihn bei seinem Chef an, dass Fat Charlie bald von der Polizei wegen Veruntreuung verhaftet wird. Nun ist es für Charlie gar nicht so leicht, Spider wieder aus seinem Leben verschwinden zu lassen, hat dieser doch scheinbar ganz allein die göttlichen Fähigkeiten seines Vaters geerbt …
Neil Gaiman hat sowohl in seiner gefeierten Comic-Serie „Sandman“ als auch in Romanen wie „Niemalsland“ und „American Gods“ alte Mythen und Legenden in moderne, packende und fantasievolle Geschichten eingewoben. Von dieser ausgeprägten Fähigkeit zeugt auch der als bester Fantasy-Roman bei den British Fantasy Awards 2006 ausgezeichnete Genie-Streich „Anansi Boys“, den Gaiman selbst als „Horror-Thriller-Geister-Romantik-Comedy-Familien-Epos“ beschreibt. Tiefgründige, geistreiche und humorvolle Unterhaltung ist dabei absolut garantiert.

Neil Gaiman - „American Gods“

Donnerstag, 4. Februar 2010

(Heyne, 624 S., HC)
Eigentlich kann sich Shadow glücklich schätzen. Von seinen sechs Jahren Gefängnisstrafe braucht er wegen guter Führung nur die Hälfte abzusitzen, zumal ihn draußen seine Frau Laura und sein Freund Robbie mit einem Job im Fitness-Club erwarten. Am Tage seiner Entlassung erfährt er jedoch, dass seine Frau bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Auf dem Weg zu ihr lernt er den geheimnisvollen Mr. Wednesday kennen, der alles über Shadow zu wissen scheint und ihm einen lukrativen Job als Leibwächter und Laufbursche anbietet, wohl wissend, dass auch Shadows Freund Robbie bei dem Autounfall umgekommen ist, während Laura ihm einen Blow-Job verpasst hat. Shadow nimmt den Job an und findet sich schnell in einer Welt wieder, die ihm vollkommen unwirklich erscheint.
Zunächst besucht ihn seine tote Frau Laura und verspricht Shadow, auf ihn aufzupassen. Dann lernt er an dem mysteriösen Ort House on the Rock die merkwürdigen Gefährten seines neuen Arbeitgebers kennen, allesamt Behüter des göttlichen und mythischen Wissens, das vor langer Zeit mit den Einwanderern aus Europa, Asien und Afrika nach Amerika gelangt ist. Da sie befürchten, ihre alte Macht an die neuen Götter namens Geld, Ruhm, Macht und Medien zu verlieren, ruft Mr. Wednesday, hinter dem sich niemand Geringerer als der Übergott Odin verbirgt, zu einer entscheidenden Schlacht auf, bei der Shadow eine Schlüsselrolle zugedacht ist. „Sandman“-Schöpfer Neil Gaiman ist mit seinem dritten Roman ein faszinierendes Epos gelungen, das auf fantasiereiche, charmante und höchst unterhaltsame Weise die schwindende Macht religiöser Traditionen in der modernen Welt schildert, in der nur noch materielle und oberflächliche Werte die Oberhand gewonnen haben.

Neil Gaiman - „Die Messerkönigin“

Dienstag, 2. Februar 2010

(Heyne, 368 S., Tb.)
Als Erfinder der wunderbaren „Sandman“-Geschichten ist Neil Gaiman bereits ein König unter den Fantasy-Schreibern. Und mit seinen beiden Romanen „Niemalsland“ und „Sternwanderer“ hat er einfach zwei wunderbare, zauberhafte Märchen erzählt, die süchtig nach mehr gemacht haben. Mit „Die Messerkönigin“ ist jetzt eine Kurzgeschichtensammlung erschienen, die die reichhaltige Palette von Gaimans Erzählkunst und Fantasiereichtum offenbart.
In der ausführlichen, 35seitigen vom Verfasser selbst geschriebenen Einführung erläutert Gaiman auf witzige Weise die Hintergründe der einzelnen Storys, die oft eine ungewohnt erotische Komponente aufweisen. Schaurig schön sind vor allem unheimliche Storys wie „Das Hochzeitsgeschenk“ oder die an Lovecraft anknüpfende Innsmouth-Geschichte „Nur mal wieder das Ende der Welt“. Gaimans wahre Stärken liegen aber zweifellos in den wundervollen, verträumten Fantasy-Märchen wie „Ohne Furcht und Tadel“, die die Schwierigkeit eines Ritters in der Jetztzeit beschreibt, den Heiligen Gral einer schrulligen Oma abzukaufen, oder „Schnee, Glas, Äpfel“, die Gaiman-Variante des Grimm-Märchens „Schneewittchen“ darstellt. Auf der anderen Seite schimmert in grotesken Stories wie „Im Dutzend billiger“ oder „Shoggoth’s Old Peculiar“ Neil Gaimans trockener britischer Humor so gnadenlos durch, dass man aus dem Grinsen kaum noch rauskommt. Wer also nicht unbedingt auf eine bestimmte Art von Fantasy festgelegt ist, wird an den vielen, ganz unterschiedlichen Geschichten seine helle Freude haben.

Neil Gaiman - „Die Bücher der Magie 1“

Montag, 1. Februar 2010

(Vertigo/Speed, 200 S., Pb)
Während Harry Potter in aller Munde ist und die Bücher-Bestsellerlisten ebenso beherrscht wie die Kinocharts, machen einem die nun als Paperback zusammengefassten „Bücher der Magie“ von Neil Gaiman („Sandman“) darauf aufmerksam, dass die Figur des Harry Potter ihren Ursprung in Tim Hunter hat, dem 1990 von Neil Gaiman zum Leben erweckten Jungen, der von vier geheimnisvollen Männern in Trenchcoats in die Geschichte und die Möglichkeiten der Magie eingewiesen wird, um dann entscheiden zu können, ob er der Merlin des 21. Jahrhunderts werden möchte.
Im ersten Kapitel, „Das unsichtbare Labyrinth“, wird Timothy auf eine Reise in die Vergangenheit geführt, wo er Atlantis, Merlin, Luzifer und die Erzengel, aber auch die ägyptischen, fernöstlichen und nordischen Mythen kennen lernt. John Constantine entführt den Jungen anschließend in die „Schattenwelt“, wo ihm Madame Xanadu die Karten legt und von den Mächten der Dunkelheit verfolgt wird. Märchenhaft, aber nicht weniger gefährlich geht es im „Land des Sommerzwielichts“ zu, wo Tim Bekanntschaft mit dem Elfenvolk und dem Bewacher von König Artus macht, dann aber in Gefangenschaft gerät. Am Ende macht ihn Mister E in „Die Straße ins Nirgendwo“ mit den elementaren Gesetzen der Magie vertraut. Doch wie wird sich Timothy entscheiden? Neil Gaiman hat seine Faszination für Kinderliteratur zu einer wunderbaren, vielschichtigen Erzählung über die Möglichkeiten der Kindheit und Jugend ausgeformt und dabei die Grundsätze der Magie weitaus fundamentaler ins Spiel gebracht, als es bei Harry Potter je auch nur im Ansatz geschehen könnte.

Neil Gaiman - „Sternwanderer“

(Heyne, 240 S., Tb.)
Als Schöpfer der Kult-Comic-Figur Sandman längst zu Weltruhm gekommen, konnte Neil Gaiman auch als Drehbuch- und Romanautor als hervorragender Geschichtenerzähler von sich reden machen. Nach dem in Zusammenarbeit mit Fantasy-Autor Terry Pratchett entstandenen „Ein gutes Omen“ und seinem Solo-Romandebüt „Niemalsland“ erscheint mit „Sternwanderer“ sein langerwartetes zweites Buch, das einmal mehr beweist, dass der mittlerweile in den USA lebende Brite ein wunderbarer Erzähler von klassischen Märchen mit zeitlosem Flair ist.
„Sternwanderer“ ist die fantasiereiche Geschichte des kleinen Tristan, der an einem jener seltenen Tage gezeugt worden ist, als das streng bewachte Tor in der Mauer zwischen dem Dörfchen Wall und dem Feenreich anlässlich des Markttages geöffnet wurde und sich die seltsamsten und hübschesten Fabelwesen unter die Dorfbewohner mischen konnten. Tristan verliebt sich in das geheimnisvolle Mädchen Victoria, das seinem Begehren nur dann nachgeben will, wenn er ihr einen bestimmten vom Himmel gefallenen Stern bringt. Wagemutig macht sich Tristan auf die verbotene Reise ins Feenreich und muss im Wettstreit mit einer Hexenkönigin und den potentiellen Erben der Königskrone seinen wertvollen Stern finden. Gaiman bedient sich bei seiner zärtlichen Liebesgeschichte, die er als witzige wie abenteuerliche Fabel voller überschwänglicher und magischer Momente über die Erfüllung von Herzenswünschen verpackt hat, klassischer Märchenmotive und webt die vielschichtigen Handlungsstränge mit herzzerreißender Poesie und ungebändigter Leidenschaft eines Erzählers, der König in einem Reich ist, in dem nichts unmöglich scheint.