Helene Tursten - „Tod im Pfarrhaus“

Dienstag, 16. Februar 2010

(btb, 352 S., HC)
Jacob Schyttelius, ein junger Lehrer, wird in dem Ferienhaus seiner Eltern von Kommissar Sven Andersson und seiner Kollegin Irene Huss erschossen aufgefunden, nachdem sie vom Rektor der Schule über dessen Verschwinden informiert wurden. Merkwürdig ist das mit dem Blut des Toten auf dem Computerbildschirm gezeichnete, von einem Kreis umrandete Pentagramm. Als die beiden Göteburger Kommissare seinen Eltern, das Pfarrer-Ehepaar Sten und Elsa Schyttelius, die Nachricht über den Tod ihres Sohnes überbringen wollen, werden auch sie erschossen in ihren Betten aufgefunden.
Im Arbeitszimmer des Pfarrers findet sich wiederum das bekannte Pentagramm in Blut auf dem PC-Monitor. Eine Untersuchung der Computer ergibt, dass alle Daten von der Festplatte gelöscht worden sind. Hängen die Morde mit den satanistischen Aktionen in der Gemeinde zusammen, denen der Pfarrer intensiv auf die Spur zu kommen versuchte? Oder spielt sich hier eine Familientragödie ab? Irene Huss macht sich auf den Weg nach London, wo Jacobs Schwester, die Computer-Spezialistin Rebecka Schyttelius, lebt und momentan wegen schwerer Depressionen behandelt wird. Während ihre Kollegen in Schweden mit dem Satanisten-Verdacht nicht weiterkommen, glaubt Irene, dass Rebecka und ihr Umfeld in London tiefer in den Fall verstrickt sind als angenommen. Spannender Schweden-Krimi in bester Tradition von Henning Mankell und Hakan Nesser.

Kjell Ola Dahl - „Sommernachtstod“

Montag, 15. Februar 2010

(Ehrenwirth, 480 S., HC)
Der Erfolg von Henning Mankells Krimis um Kommissar Kurt Wallander beschert mittlerweile auch weiteren Krimi-Autoren aus dem skandinavischen Raum hierzulande eine erhöhte Aufmerksamkeit. Mit einem kniffligem Fall hat es zum Beispiel auch der norwegische Kriminalhauptkommissar Gunnarstranda in „Sommernachtstod“ zu tun. Zunächst wird die attraktive Reisebüroangestellte Katrine am Samstagnachmittag kurz vor Feierabend im Geschäft von einem heruntergekommenen älteren Mann körperlich angegriffen, dann fühlt sich ihr eifersüchtiger Freund Ole von ihr betrogen, und auf der Party von Björn und Annabeth Gerhardsen bedrängt sie auch noch der Gastgeber.
Nachdem sich die Party-Gesellschaft allmählich aufgelöst und Katrines Freund mit anderen Gästen noch auf den Weg in die Stadt gemacht hat, lässt sich Katrine von Henning abholen, einem Freund, mit dem sie hin und wieder auch mal intim geworden ist – so auch diese Nacht. Als Katrine am nächsten Tag erdrosselt und nackt aufgefunden wird, macht sich nicht nur Henning durch seine unstimmige Aussage verdächtig, auch ihr Freund Ole verschweigt zunächst, dass er mit einer anderen Frau in der besagten Nacht zusammen war. Kompliziert wird die Geschichte, als auch Henning in der Wohnung seines Bruders tot aufgefunden wird. Selbstmord? Gunnarstranda und sein Kollege Frank Frölich dringen immer tiefer in ein weit verzweigtes Labyrinth aus Lügen, Affären und Intrigen. Raffinierter Krimi mit überraschenden Wendungen und kauzigen Kommissaren.

Kjell Ola Dahl - „Schaufenstermord“

(Ehrenwirth, 508 S.)
Nach den beiden gefeierten schwedischen Krimi-Autoren Henning Mankell und Hakan Nesser ist der Norweger Kjell Ola Dahl der nächste große Wurf aus skandinavischen Gefilden, der die Leser mit skurrilen Morden und pfiffigen wie kauzigen Kommissaren erfrischt. Nach seinem Erstling „Sommernachtstod“ schickt Ola Dahl seine beiden Kommissare Gunnarstranda und Frank Frolich erneut auf Tätersuche in Oslo.
Der siebzigjährige Antiquitäten-Händler Reidar Folke Jespersen wird eines Morgens nackt im Schaufenster seines Geschäfts leblos aufgefunden, sorgfältig auf einem Stuhl drapiert und mit mysteriösen Schriftzeichen versehen. Schon bald entdecken die beiden liebenswürdigen Kommissare eine Vielzahl von Verdächtigen mit Motiven. Da ist einmal seine attraktive Frau Ingrid, die ein Verhältnis mit einem ihrer ehemaligen Tanzschüler hat, dem Reidar auf die Spur gekommen ist. Oder Reidars jüngere Brüder Arvid und Emmanuel, denen er beim Verkauf des Geschäfts ins Gehege gekommen ist. Oder Jonny Stokmo, ein ehemaliger Mitarbeiter, den der alte Mann fristlos entlassen hatte. Und was hat es mit der geheimnisvollen, schönen Frau auf sich, die der Ermordete kurz vor seinem Tod empfangen hatte? Gunnarstranda und Frolich kommen der Lösung des Falls aber erst auf die Spur, als sie tiefer in die Vergangenheit des Opfers tauchen. Ola Dahl hat einen fesselnden, vielschichtigen Krimi mit äußerst sympathischen Kommissaren geschrieben und braucht sich gewiss nicht hinter Mankell und Nesser zu verstecken.

Kjell Ola Dahl - „Lügenmeer“

(Ehrenwirth, 350 S., HC)
Allein die ansprechende wie einheitliche Covergestaltung (wie man sie ähnlich auch vom Kollegen Henning Mankell her kennt) verführt bei den Büchern des norwegischen Krimi-Autors Kjell Ola Dahl schon zum Kauf. Aber auch in literarischer Hinsicht bieten die Romane von Dahl stets spannendes Lesevergnügen. So wie Mankell seinen Kommissar Kurt Wallander und Håkan Nesser seinen Van Veeteren in der skandinavischen Krimi-Szene etabliert haben, ermittelt das ungleiche Gespann Gunnarstranda und Frølich nun schon zum dritten Mal.
Als die engagierte Journalistin Lise Fagernes vom „Verdens Gang“ in einem Osloer Parkhaus die Leiche einer jungen Frau entdeckt, deutet zunächst alles auf Selbstmord durch eine Überdosis Heroin hin. Bei der von Gunnarstranda eigenmächtig angeordneten Obduktion stellt sich jedoch heraus, dass Kristine Ramm aber zuvor mit Äther betäubt worden ist. Wenig später verschwindet auch ihr Freund, der aus Kenia stammende Stuart Takeyo, der dann aber im Laufe der Ermittlungen in Kenia gesichtet wird. Unabhängig voneinander machen sich Fagernes und Frølich auf die Reise nach Kenia, um Takeyo wegen des Mordes an Kristine Ramm zu befragen. Währenddessen stößt Gunnarstranda daheim in Oslo bei seinen Zeugenbefragungen auf ein schwer zu entwirrendes Lügengeflecht. Sicher scheint nur zu sein, dass der Mord an der jungen Frau und das Verschwinden von Takeyo mit einem Pharmakonzern zu tun hat, der mit einem – längst verbotenen – Heilmittel gegen AIDS viel Geld zu machen versucht. Spannende Katz-und-Maus-Hatz mit vielen Wendungen.

Walter Moers - „Rumo & Die Wunder im Dunkeln“

(Piper, 698 S., HC)
Wer bislang das Vergnügen gehabt hat, mit Käpt’n Blaubär und seinen Gefährten das wundersame Land Zamonien erkunden zu dürfen, wird sich freuen, dass es mit „Rumo & Die Wunder im Dunkeln“ endlich ein neues Abenteuer zu erleben gilt. Der kleine Wolpertingwelpe Rumo soll einmal der größte Held Zamoniens werden, aber davon weiß er natürlich noch nichts.
Zu Beginn seiner Geschichte ist er nur der auf einem kleinen Bauernhof von Fhernhachenzwergen verwöhnte Welpe, dessen Leben sich in dem Moment ändert, als er zwischen all den Gerüchen des ländlichen Lebens eines Morgens einen silbernen Faden riecht. Mit diesem Duft ist eine seltsame Unruhe und unbestimmte Sehnsucht verbunden. Doch bevor er sich auf die Witterung machen kann, wird er von einem Teufelsfelszyklopen in einen Sack gesteckt und auf den Teufelsfelsen verschleppt wird. In der Grotte der Gefangenen wird der junge Welpe erwachsen und stark. Mit der Haifischmade Smeik fasst er einen abenteuerlichen Fluchtplan und kann von dem teuflischen Felsen fliehen. Seinen silbernen Faden scheint Rumo in Wolperting in der schönen Rala gefunden zu haben, doch es gibt noch viele Kämpfe zu fechten, kuriose Wesen kennen zu lernen und Furcht erregende Abenteuer zu bestehen. Irgendwo zwischen Tolkien, Terry Pratchett und Michael Ende hat Walter Moers eine ganz eigene Welt kreiert, die vor witzigen und fantasiereichen Wesen und Abenteuern nur so sprüht. Willkommen in Zamonien!

Walter Moers - „Schamlos“

(Eichborn, 144 S., HC)
Seit über zehn Jahren belustigt und schockiert das Kleine Arschloch auf herrlich anarchistische Weise sein Publikum. Mit „Schamlos“ wird dem rotzfrechen Bengel ohne Schamgefühl und moralische Werte nun ein außergewöhnliches Denkmal gesetzt.
In unzähligen Comic-Strips und –Büchern und sogar einem Kinofilm ist der pubertäre Anarchist zu einem echten Star avanciert, der zwar auch die Sittenwächter auf den Plan rief, aber mit seinem unbekümmerten, hemmungslosen Charakter insgeheim unsere unterdrückten Fantasien zum Ausdruck bringt.
Die vorliegende Retrospektive bietet weniger die vielleicht zu erwartende „Best of“-Sammlung aus den mittlerweile zahlreichen „Kleines Arschloch“-Bänden. Zwar sind so einige Strips vertreten, auch der allererste, der bezeichnenderweise in einem Porno-Shop spielt, aber vor allem finden sich hier interessante Anekdoten, z.B. Walter Moers' Erinnerungen daran, wie er diese Figur erfunden hat, Faksimiles des Tagebuchs, in das das Kleine Arschloch seine unglaublichen Erlebnisse und Gedanken niederschreibt, Skurriles aus dem Merchandise-Bereich, Ausflüge in die Welt des Kleinen Arschlochs und die Kunst, letztlich auch sowohl überschäumende wie zerschmetternde Fanbriefe mit entsprechenden Antworten, unveröffentlichte Tagebuchnotizen und Zeichnungen, alles schön mit Kommentaren des Autors versehen, und als Gimmick gibt’s die „Kleine Arschloch“-Maske obendrein dazu. Statt einer lieblosen Zusammenstellung bekannten Materials bietet „Schamlos“ also durchaus neue und höchst vergnügliche Einblicke in die Welt des pubertierenden, pickligen, bebrillten Arschlochs.

Walter Moers - „Die Stadt der Träumenden Bücher“

(Piper, 464 S., HC)
Bereits mit Käpt’n Blaubär und dem Kleinen Arschloch hat uns Walter Moers zwei nicht mehr aus der deutschen Populärkultur wegzudenkende Kultfiguren geschenkt. Seit seinem Romandebüt „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ hat sich Moers allerdings auch als ebenso fantasiebegabter Märchenerzähler erwiesen, der mit dem wunderbaren Zamonien eine ähnlich schillernde Fantasy-Welt erschuf wie Terry Pratchett mit seiner Scheibenwelt oder Neil Gaiman mit seinem Sandman-Universum. In seinem neuen Zamonien-Epos „Die Stadt der Träumenden Bücher“ gelangt der junge Lindwurmfeste-Bewohner Hildegunst von Mythenmetz in den Besitz eines mysteriösen Manuskripts, das ihm sein Dichtpate Danzelot von Silbendrechsler vermacht hat.
So macht sich der junge Dichter mit dem Manuskript auf nach Buchhaim, der legendären Stadt der Träumenden Bücher, in deren unterirdischen Labyrinthen allerlei antiquarische Schätze versteckt sind. Mythenmetz erwirbt in einem Antiquariat den abenteuerlichen Reiseführer „Die Katakomben von Buchhaim“ des legendären, seit fünf Jahren verschollenen Bücherjägers Colophonius Regenschein und macht sich so mit den Geheimnissen vor allem der Untenwelt vertraut, in der raffinierte, raffgierige und brutale Bücherjäger auf der Jagd nach den Schätzen der Goldenen Liste sind, seltenen Büchern wie „Das Blutige Buch“, „Die Dämonenflüche des Nokimo Norken“ oder das „Handbuch der gefährlichen Gesten“. Mythenmetz begegnet während seiner Suche nach dem Autor des geheimnisvollen Manuskripts so etlichen kuriosen Gestalten und hat natürlich unzählige Abenteuer zu bestehen, da sich bald herumspricht, von welch großer literarischer Qualität sein Manuskript ist… Walter Moers hat sich mit diesem literarischen Manifest und schillernden Märchen voller skurriler Figuren und unaussprechlicher Namen einmal mehr selbst übertroffen. Das nächste Zamonien-Abenteuer wird bereits mit Spannung erwartet.

Walter Moers - „Wilde Reise durch die Nacht“

(Eichborn, 208 S., HC)
Mit seinen ersten beiden Romanen „Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär“ und „Ensel und Krete“ hat sich der Comic-Zeichner Walter Moers („Das kleine Arschloch“) sogleich in die Herzen von Märchen- und Fantasy-Fans geschrieben. Für seine neue Geschichte hat er sich eine ganz besondere Idee ausgedacht: Auf der Grundlage von 21 Kupferstichen von Gustave Doré, dem erfolgreichsten Illustrator des 19. Jahrhunderts, erzählt Moers die Geschichte des zwölfjährigen Gustave Doré, der eines Nachts als Kapitän bei einem verheerenden Siamesischen Zwillingstornado sein Schiff verliert und selbst fast zu Tode kommt.
Doch in letzter Minute lässt er sich auf ein Spiel mit dem Sensenmann ein, um seine Seele zu retten. Allerdings muss er sechs kaum zu bewältigende Aufgaben lösen und u.a. eine schöne Jungfrau aus den Klauen eines Drachen befreien, die Namen von drei Riesen erraten und dem Tod einen Zahn vom Schrecklichsten Aller Ungeheuer bringen. Moers schildert diese „wilde Reise durch die Nacht“ mit unglaublicher Fantasie, wie sie auf ähnliche Weise Comic-Autor Neil Gaiman mit seinen Romanen „Niemalsland“ und „Sternwanderer“ dokumentiert hat.

Lemony Snicket - Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: "Der schreckliche Anfang (1)“ + „Das Haus der Schlangen (2)“ + „Der Seufzersee (3)“

Sonntag, 7. Februar 2010

(Manhattan, je ca. 180 S., HC)
Bereits die Tatsache, dass Lemony Snicket (das Pseudonym für den 34-jährigen Autor Daniel Handler) mit seiner bislang elf Bände umfassenden „Reihe betrüblicher Ereignisse“ erstmals die „Harry Potter“-Romane von der Spitze der Bestsellerliste der Kinderbücher der „New York Times“ verdrängen konnte, mag verdeutlichen, dass es neben dem allgegenwärtigen Potter-Fieber auch weitere interessante Kindergeschichten zu erzählen gibt. Im Zuge der auf den ersten drei Bänden basierenden, äußerst gelungenen Verfilmung von „Lemony Snicket“ mit dem wandlungsfähigen Jim Carrey in der Hauptrolle veröffentlicht der Manhattan-Verlag die schöne Kinderbuchreihe (an denen wie bei Harry Potter auch jung gebliebene Erwachsene ihre Freude haben werden) in handlicher, sehr schöner gebundener Ausführung.
In „Der schreckliche Anfang“ werden die drei Baudelaire-Kinder, die erfinderische Violet (14), der Büchernarr Klaus (12) und die kleine, mit vier scharfen Zähnen ausgestattete Sunny (4), eines Tages an der Kahlen Küste von Mr. Poe aufgesucht, der ihnen die schreckliche Mitteilung überbringen muss, dass sie ihre Eltern beim Brand ihres Hauses verloren haben. In ihrem Testament haben die geliebten Eltern bestimmt, dass die drei Waisen von ihrem Verwandten, Graf Olaf, adoptiert werden. Sehr schnell erfahren sie, dass Graf Olaf mit seiner unheimlichen Theatergruppe alles versucht, an das große Vermögen der Kinder zu kommen. Durch eine Heirat mit Violet könnte zum Beispiel Graf Olaf sofort über das Geld verfügen. Gelingt es den Kindern, den perfiden Plan des Bösewichts zu erkennen und zu durchkreuzen?
Nachdem sich Graf Olaf als unwürdiger Ziehvater erwiesen hat, kommen die Kinder zu Onkel Monty in „Das Haus der Schlangen“. Er plant gerade eine Expedition nach Peru und hat mit Stefano einen neuen Assistenten eingestellt, der sich – zum Schrecken der Kinder – als Graf Olaf entpuppt. Doch als Onkel Monty dem Schurken auf die Schliche kommt, ist es für ihn schon zu spät… Schließlich kommen die Waisen zu Tante Josephine, deren Haus gefährlich wacklig über dem „Seufzersee“ schwebt. Sie verlor ihren Mann Ike durch die blutrünstigen Seufzerseesauger und lebt in ständiger Angst vor weiteren Unglücken. Natürlich taucht einmal mehr Graf Olaf in Verkleidung auf und treibt die Familie in ein weiteres gefährliches Abenteuer… Trotz all der betrüblichen Ereignisse fesselt diese Reihe auch durch ihren feinen Humor und die sehr gefühlvolle Schilderung des Schicksals der Baudelaire-Waisen, die sich nie unterkriegen lassen.

Lemony Snicket - Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: „Die unheimliche Mühle (4)“ + „Die Schule des Schreckens (5)“ + „Die dunkle Allee (6)“

(Manhattan, je ca. 200 S., HC)
Nachdem die ersten drei Episoden über die betrüblichen Ereignisse, denen die durch einen Hausbrand zu Waisen gewordenen Baudelaire-Geschwister Violet, Klaus und Sunny während ihrer Odyssee von einem neuen Vormund zum anderen ausgesetzt sind, im vergangenen Jahr erfolgreich mit Jim Carrey verfilmt worden sind, erscheinen nun die nächsten drei, wieder wenig erfreulichen Episoden neu im hübsch gestalteten Hardcover. Auf der Flucht vor dem Verwandlungskünstler und Erbschaftsjäger Graf Olaf setzt der Baudelaire-Vermögungsverwalter Mr. Poe die Kinder in den Zug nach Jammerau in „die unheimliche Mühle“, wo sie als Sklaven in einem Sägewerk arbeiten sollen, bis sie volljährig sind.
Der im wahrsten Sinne durch eine ihn stets umgebende Rauchwolke undurchsichtige „Sir“ verspricht den Kindern dafür, sie vor Graf Olaf zu beschützen, aber natürlich gelingt es dem gerissenen Bösewicht erneut, den Baudelaires Angst und Schrecken einzujagen.
Nachdem sie den Schrecken der Mühle entkommen sind, schickt Mr. Poe die Baudelaire-Waisen auf „Die Schule des Schreckens“, die von einem größenwahnsinnigen, falsch Geige spielenden Direktor namens Nero geleitet wird. Ein Super-Computer soll verhindern, dass Graf Olaf in die Nähe der Kinder gelangt, aber in der Verkleidung eines Sportlehrers bekommt er einmal die drei Geschwister unter seine Fittiche. Zusammen mit den Zwillingen Isidora und Duncan, mit denen sich die Baudelaires anfreunden, entwickeln sie einen Plan, dem Internat und Graf Olaf zu entkommen … Nach der erfolgreichen Flucht kehren Violet, Klaus und Sunny in ihre Heimatstadt zurück, wo Mr. Poe sie in die Obhut des Ehepaars Esmé und Jerome Elend in eine riesige Penthouse-Wohnung eines 66-Etagen-Hauses in „Die dunkle Allee“ ziehen. Während Jerome sehr bemüht um die Kinder ist, kümmert sich seine Frau als sechstwichtigste Finanzberaterin der Stadt allein darum, was in und was nicht. Da Waisen gerade in sind, hatten die Baudelaire-Kinder Glück, bei den Elends eine neue Heimat zu finden. Doch das Glück hält natürlich wieder nicht lange an, denn der verhasste Graf Olaf taucht diesmal als Auktionator Gustav auf, um den Kindern das Leben schwer zu machen … Erfolgreich und fantasiereich spinnt Lemony Snicket das Konzept der etwas anderen Jugend-Literatur auch in den Bänden 4 bis 6 weiter. Hoffentlich lassen auch die nächsten Bände nicht lange auf sich warten!

Lemony Snicket - Eine Reihe betrüblicher Ereignisse: „Das düstere Dorf (7)“ + „Das schaurige Spital (8)“ + „Der grausige Jahrmarkt (9)“

(Manhattan, je ca. 230 bis 260 S., HC)
Spätestens durch die kongeniale Verfilmung der ersten drei Lemony-Snicket-Bände als „Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse“ ist auch die entzückende literarische Vorlage von einer breiteren Öffentlichkeit entdeckt worden und ein Lesevergnügen vor allem für „Harry Potter“-Fans geworden. Nach die verwaisten Baudelaire-Kinder Violet, Klaus und Sunny von einem Vormund zum nächsten geschickt wurden und sich dabei immer wieder des Erbschleichers Graf Olaf erwehren mussten, der den Kindern in immer neuen Verkleidungen nachstellt, landen die drei bemitleidenswerten Kinder nun im Dorf F.F., das sich den Aphorismus „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“ auf die Fahnen geschrieben hat.
Dort hoffen die Baudelaires die verschleppten Quagmeir-„Drillinge“ Duncan und Isadora zu finden, die mit geheimnisvollen Terzetten eine Spur zu ihrem momentanen Gefängnis legen. Doch nebenbei haben die Baudelaire-Waisen auch die Hausarbeit des ganzen Dorfes zu erledigen und Graf Olaf in der Verkleidung eines Meisterdetektivs zu enttarnen … In „Das schaurige Spital“ werden die Baudelaires im „Kaufhaus Zur Letzten Gelegenheit“ zunächst von den Freiwilligen Freudenspendern davor bewahrt, als gesuchte Mörder festgenommen zu werden, um dann ins Henry-J.-Heimlich-Hospital verschleppt zu werden, wo sie im Archiv auf ihre eigenen Akten stoßen und einige fürchterliche Vorkommnisse zu überstehen haben … Schließlich verschlägt es die Baudelaires im Kofferraum von Graf Olafs Auto auf den „grausigen Jahrmarkt“, wo sie als Monströsitäten verkleidet herauszufinden versuchen, ob vielleicht doch ein Elternteil das schreckliche Feuer überlebt haben könnte, das die drei Kinder plötzlich zu Waisen gemacht hatte. Auch hier ist wieder spannende Unterhaltung garantiert!

Neil Gaiman - „Anansi Boys“

Samstag, 6. Februar 2010

(Heyne, 448 S., Tb.)
Obwohl Fat Charlie Nancy eigentlich nie richtig dick gewesen ist, wurde er seinen Spitznamen nie los. Das hatte er seinem Vater zu verdanken, der – wie die meisten Kinder von ihren Eltern sagen würden – nur peinlich gewesen ist. Dennoch will ihn Fat Charlie zu seiner Hochzeit einladen, muss aber telefonisch erfahren, dass sein Vater bei einer Karaoke-Show einfach tot von der Bühne direkt vor die blondeste Urlauberin im Saal gefallen ist, bevor er „I Am What I Am“ ins Mikrofon schmettern konnte.
Bei der Beerdigung erklärt ihm die kauzige Nachbarin Mrs. Higgler, dass Fat Charlies Vater eigentlich der afrikanische Tiergott Anansi gewesen ist und dass Fat Charlie noch einen Bruder namens Spider hat. Dieser schleicht sich auf recht unverfrorene Weise in Charlies Leben, nistet sich in Charlies Wohnung ein, geht mit seiner Verlobten Rosie aus, schwärzt ihn bei seinem Chef an, dass Fat Charlie bald von der Polizei wegen Veruntreuung verhaftet wird. Nun ist es für Charlie gar nicht so leicht, Spider wieder aus seinem Leben verschwinden zu lassen, hat dieser doch scheinbar ganz allein die göttlichen Fähigkeiten seines Vaters geerbt …
Neil Gaiman hat sowohl in seiner gefeierten Comic-Serie „Sandman“ als auch in Romanen wie „Niemalsland“ und „American Gods“ alte Mythen und Legenden in moderne, packende und fantasievolle Geschichten eingewoben. Von dieser ausgeprägten Fähigkeit zeugt auch der als bester Fantasy-Roman bei den British Fantasy Awards 2006 ausgezeichnete Genie-Streich „Anansi Boys“, den Gaiman selbst als „Horror-Thriller-Geister-Romantik-Comedy-Familien-Epos“ beschreibt. Tiefgründige, geistreiche und humorvolle Unterhaltung ist dabei absolut garantiert.

Neil Gaiman - „American Gods“

Donnerstag, 4. Februar 2010

(Heyne, 624 S., HC)
Eigentlich kann sich Shadow glücklich schätzen. Von seinen sechs Jahren Gefängnisstrafe braucht er wegen guter Führung nur die Hälfte abzusitzen, zumal ihn draußen seine Frau Laura und sein Freund Robbie mit einem Job im Fitness-Club erwarten. Am Tage seiner Entlassung erfährt er jedoch, dass seine Frau bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Auf dem Weg zu ihr lernt er den geheimnisvollen Mr. Wednesday kennen, der alles über Shadow zu wissen scheint und ihm einen lukrativen Job als Leibwächter und Laufbursche anbietet, wohl wissend, dass auch Shadows Freund Robbie bei dem Autounfall umgekommen ist, während Laura ihm einen Blow-Job verpasst hat. Shadow nimmt den Job an und findet sich schnell in einer Welt wieder, die ihm vollkommen unwirklich erscheint.
Zunächst besucht ihn seine tote Frau Laura und verspricht Shadow, auf ihn aufzupassen. Dann lernt er an dem mysteriösen Ort House on the Rock die merkwürdigen Gefährten seines neuen Arbeitgebers kennen, allesamt Behüter des göttlichen und mythischen Wissens, das vor langer Zeit mit den Einwanderern aus Europa, Asien und Afrika nach Amerika gelangt ist. Da sie befürchten, ihre alte Macht an die neuen Götter namens Geld, Ruhm, Macht und Medien zu verlieren, ruft Mr. Wednesday, hinter dem sich niemand Geringerer als der Übergott Odin verbirgt, zu einer entscheidenden Schlacht auf, bei der Shadow eine Schlüsselrolle zugedacht ist. „Sandman“-Schöpfer Neil Gaiman ist mit seinem dritten Roman ein faszinierendes Epos gelungen, das auf fantasiereiche, charmante und höchst unterhaltsame Weise die schwindende Macht religiöser Traditionen in der modernen Welt schildert, in der nur noch materielle und oberflächliche Werte die Oberhand gewonnen haben.

Neil Gaiman - „Die Messerkönigin“

Dienstag, 2. Februar 2010

(Heyne, 368 S., Tb.)
Als Erfinder der wunderbaren „Sandman“-Geschichten ist Neil Gaiman bereits ein König unter den Fantasy-Schreibern. Und mit seinen beiden Romanen „Niemalsland“ und „Sternwanderer“ hat er einfach zwei wunderbare, zauberhafte Märchen erzählt, die süchtig nach mehr gemacht haben. Mit „Die Messerkönigin“ ist jetzt eine Kurzgeschichtensammlung erschienen, die die reichhaltige Palette von Gaimans Erzählkunst und Fantasiereichtum offenbart.
In der ausführlichen, 35seitigen vom Verfasser selbst geschriebenen Einführung erläutert Gaiman auf witzige Weise die Hintergründe der einzelnen Storys, die oft eine ungewohnt erotische Komponente aufweisen. Schaurig schön sind vor allem unheimliche Storys wie „Das Hochzeitsgeschenk“ oder die an Lovecraft anknüpfende Innsmouth-Geschichte „Nur mal wieder das Ende der Welt“. Gaimans wahre Stärken liegen aber zweifellos in den wundervollen, verträumten Fantasy-Märchen wie „Ohne Furcht und Tadel“, die die Schwierigkeit eines Ritters in der Jetztzeit beschreibt, den Heiligen Gral einer schrulligen Oma abzukaufen, oder „Schnee, Glas, Äpfel“, die Gaiman-Variante des Grimm-Märchens „Schneewittchen“ darstellt. Auf der anderen Seite schimmert in grotesken Stories wie „Im Dutzend billiger“ oder „Shoggoth’s Old Peculiar“ Neil Gaimans trockener britischer Humor so gnadenlos durch, dass man aus dem Grinsen kaum noch rauskommt. Wer also nicht unbedingt auf eine bestimmte Art von Fantasy festgelegt ist, wird an den vielen, ganz unterschiedlichen Geschichten seine helle Freude haben.

Neil Gaiman - „Die Bücher der Magie 1“

Montag, 1. Februar 2010

(Vertigo/Speed, 200 S., Pb)
Während Harry Potter in aller Munde ist und die Bücher-Bestsellerlisten ebenso beherrscht wie die Kinocharts, machen einem die nun als Paperback zusammengefassten „Bücher der Magie“ von Neil Gaiman („Sandman“) darauf aufmerksam, dass die Figur des Harry Potter ihren Ursprung in Tim Hunter hat, dem 1990 von Neil Gaiman zum Leben erweckten Jungen, der von vier geheimnisvollen Männern in Trenchcoats in die Geschichte und die Möglichkeiten der Magie eingewiesen wird, um dann entscheiden zu können, ob er der Merlin des 21. Jahrhunderts werden möchte.
Im ersten Kapitel, „Das unsichtbare Labyrinth“, wird Timothy auf eine Reise in die Vergangenheit geführt, wo er Atlantis, Merlin, Luzifer und die Erzengel, aber auch die ägyptischen, fernöstlichen und nordischen Mythen kennen lernt. John Constantine entführt den Jungen anschließend in die „Schattenwelt“, wo ihm Madame Xanadu die Karten legt und von den Mächten der Dunkelheit verfolgt wird. Märchenhaft, aber nicht weniger gefährlich geht es im „Land des Sommerzwielichts“ zu, wo Tim Bekanntschaft mit dem Elfenvolk und dem Bewacher von König Artus macht, dann aber in Gefangenschaft gerät. Am Ende macht ihn Mister E in „Die Straße ins Nirgendwo“ mit den elementaren Gesetzen der Magie vertraut. Doch wie wird sich Timothy entscheiden? Neil Gaiman hat seine Faszination für Kinderliteratur zu einer wunderbaren, vielschichtigen Erzählung über die Möglichkeiten der Kindheit und Jugend ausgeformt und dabei die Grundsätze der Magie weitaus fundamentaler ins Spiel gebracht, als es bei Harry Potter je auch nur im Ansatz geschehen könnte.

Neil Gaiman - „Sternwanderer“

(Heyne, 240 S., Tb.)
Als Schöpfer der Kult-Comic-Figur Sandman längst zu Weltruhm gekommen, konnte Neil Gaiman auch als Drehbuch- und Romanautor als hervorragender Geschichtenerzähler von sich reden machen. Nach dem in Zusammenarbeit mit Fantasy-Autor Terry Pratchett entstandenen „Ein gutes Omen“ und seinem Solo-Romandebüt „Niemalsland“ erscheint mit „Sternwanderer“ sein langerwartetes zweites Buch, das einmal mehr beweist, dass der mittlerweile in den USA lebende Brite ein wunderbarer Erzähler von klassischen Märchen mit zeitlosem Flair ist.
„Sternwanderer“ ist die fantasiereiche Geschichte des kleinen Tristan, der an einem jener seltenen Tage gezeugt worden ist, als das streng bewachte Tor in der Mauer zwischen dem Dörfchen Wall und dem Feenreich anlässlich des Markttages geöffnet wurde und sich die seltsamsten und hübschesten Fabelwesen unter die Dorfbewohner mischen konnten. Tristan verliebt sich in das geheimnisvolle Mädchen Victoria, das seinem Begehren nur dann nachgeben will, wenn er ihr einen bestimmten vom Himmel gefallenen Stern bringt. Wagemutig macht sich Tristan auf die verbotene Reise ins Feenreich und muss im Wettstreit mit einer Hexenkönigin und den potentiellen Erben der Königskrone seinen wertvollen Stern finden. Gaiman bedient sich bei seiner zärtlichen Liebesgeschichte, die er als witzige wie abenteuerliche Fabel voller überschwänglicher und magischer Momente über die Erfüllung von Herzenswünschen verpackt hat, klassischer Märchenmotive und webt die vielschichtigen Handlungsstränge mit herzzerreißender Poesie und ungebändigter Leidenschaft eines Erzählers, der König in einem Reich ist, in dem nichts unmöglich scheint.

Ray Bradbury - „Feuersäule“

Donnerstag, 21. Januar 2010

(edition phantasia, 148. S., HC)
Mit seinen verfilmten Sci-Fi- und Grusel-Klassikern „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Der illustrierte Mann“ und „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“ avancierte Ray Bradbury zu den berühmtesten und besten Sci-Fi- und Horror-Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit „Feuersäule“ liegt nun ein wunderbarer Band mit zwölf Horror-Geschichten vor, die zwischen 1944 und 1951 entstanden sind und in der Übersetzung von Joachim Körber überwiegend erstmalig in deutscher Sprache. In „Die schreiende Frau“ erzählt die zehnjährige Margaret Leary, wie sie eine schreiende Frau aus der Erde im heimischen Garten hört, doch niemand ihr glauben will, bis sie ihrem Vater sagen kann, was sie genau gehört hat. „Kulissen in der Nacht“ handelt von einer seltsamen Begegnung zwischen Paul und dem seit Monaten verschollenen Matt, der einfach nicht mehr nach Hause gehen will, während „Das schwarze Riesenrad“ die Geschichte des skurrilen Jahrmarktdirektors Mr. Cooger erzählt, dessen dunkles Geheimnis von den beiden Freunden Hank und Paul gelüftet wird. Und in „Der See“ wird Harald auf tragische Weise mit seiner im See verschwundenen Jugendliebe Tally konfrontiert, als er mit seiner Braut Margaret in den Flitterwochen an den See zurückkehrt.
Ray Bradbury vermochte in diesen und anderen kurzen Geschichten bereits seine Stärke, das Kind in uns wieder zum Leben zu erwecken, eindrucksvoll zu demonstrieren. Es sind Geschichten, die uns auf magische Weise mit einem wohligen Schauer auf dem Rücken an die Träume und Erlebnisse unserer eigenen Kindheit denken lassen. Das in Samt eingebundene Buch wurde von Lillian Mousli wunderschön illustriert, die ersten hundert Exemplare der auf 250 limitierten Edition sogar vom Autor und der Künstlerin signiert.

Ray Bradbury - „Vom Staub kehrst du zurück“

(Edition Phantasia, 171 S., Pb.)
Bislang machte der sympathische wie engagierte Kleinverlag Edition Phantasia allein von wertvollen limitierten Werken und Vorzugsausgaben von Schriftstellern wie Stephen King, Clive Barker, H.P. Lovecraft oder Philip K. Dick von sich reden. Nun startet auch eine Horror- und eine Fantasy-Paperback-Reihe, die mit der wundervollen neuen Geschichte von Ray Bradbury, „Vom Staub kehrst du zurück“, ihren poetischen Anfang nimmt.
Bradbury, der für so unvergessliche Bücher wie „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Der illustrierte Mann“, „Das Böse kommt aus leisen Sohlen“ und „Halloween“ verantwortlich zeichnet, widmet sich darin einmal mehr dem traditionellen Halloween-Fest, der Zeit des Geschichtenerzählens. Er verarbeitet darin vor allem eigene Kindheitserinnerungen an diese ausgelassene Zeit und erzählt in seiner unnachahmlich bildhaften, zauberhaften Sprache von einem Haus mit neunundneunzig oder einhundert Kaminen auf einem einsamen Hügel in Illinois, wo sich Jahr für Jahr die merkwürdigsten Gestalten und Wesen zu einem ganz besonderen Familienfest zusammenfinden: die Tausendmal-Ur-Grandmère, die als Mutter von Nofretete bereits nur noch flüsternder Staub und Papyrus ist; die junge Hexe Cecy, die nach Belieben in den Geist anderer Menschen fliehen kann und sich in Gestalt Anderer zu verlieben sucht; Onkel Einar und Mademoiselle Angelina Marguerite, ein Rätsel verkehrten Lebens, das mit jedem Tag immer jünger wird. Der Junge Timothy ist ganz fasziniert von dieser magischen Welt auf dem Dachboden des Hauses. Er wurde einst in einem Korb vor der Tür des Hauses gefunden, mit Shakespeare als Stütze und Poes „Der Untergang des Hauses Usher“ als Kopfkissen. Ihm ist aufgetragen, die Geschichte dieser Familie zu bewahren… Ein märchenhaft schönes Buch über die Macht der Fantasie und der Sprache und der unheimlichen Geschichten, die man sich zu Halloween erzählt.

Ray Bradbury - „Der Katzenpyjama“

Mittwoch, 20. Januar 2010

(Edition Phantasia, 184 S., Pb.)
Durch die Verfilmungen seiner Romane/Story-Sammlungen „Fahrenheit 451“, „Die Mars-Chroniken“, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“ und „Der illustrierte Mann“ wurde der 1920 geborene amerikanische Schriftsteller Ray Bradbury weltberühmt. Bis heute fühlt er sich in den Genres Horror, Fantasy, Science-Fiction und Kriminalroman zuhause und verblüfft seine Leser mit seiner unnachahmlichen Fabulierkunst und grenzenlosen Fantasie. Nun legt der Bellheimer Kleinverlag in seiner noch jungen Paperback-Reihe „Science Fiction“ einen kleinen, feinen Band mit 22 bislang hierzulande unveröffentlichten Short Storys des Genre-Meisters vor, die Bradburys Golden Retriever Don Albright in dessen Keller aufgestöbert hat.
Sie stammen überwiegend aus den 40er Jahren und aus jüngerer Zeit und konfrontieren den Leser mit vergnüglichen wie absurden Geschichten. So erzählt „Chrysalis“ von einer kurzen Sommerfreundschaft eines weißen und schwarzen Jungen, in „Das Haus“ sucht eine unverhofft zur Besitzerin eines uralten, verstaubten Hauses gewordene Frau nach ihrer Lebensfreude, während in „Heil, Häuptling!“ dreizehn amerikanische Senatoren in einem Indianer-Casino die gesamten Vereinigten Staaten beim Glücksspiel verloren haben. „Ganz natürlich“ beschreibt das Warten einer schwarzen Nanny auf den angekündigten Besuch des weißen Jungen, den sie aufgezogen hat und der jetzt ein berühmter Schriftsteller geworden ist. In „Alle meine Feinde sind tot“ verzweifelt jemand, der die Todesanzeige seines letzten noch verbliebenen Feindes entdeckt, erhält dann aber überraschenden Nachschub … So wandert der Autor mit seinen Lesern ganz entspannt mit leicht melancholischen Tönen und anregend lyrischer Sprache durch faszinierende Geschichten, von denen man bald noch mehr verschlingen möchte.

Ray Bradbury - „Bringen wir Constance um!“ + „Schneller als das Auge“

Dienstag, 19. Januar 2010

Ray Bradbury, der große Fabuliermeister der amerikanischen Literatur, der für verfilmte Meisterwerke wie „Der illustrierte Mann“, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“, „Die Mars-Chroniken“ und natürlich „Fahrenheit 451“ verantwortlich ist, hat sich mal wieder dem Krimi-Genre zugewandt. Ein namenloser Schriftsteller hat im kalifornischen Venice das Strandhaus seiner Freundin, der alternden Schauspielerin Constance Rattigan, aufgesucht, um dort seinen Roman zu beenden.
In einer stürmisch-verregneten Nacht des Jahres 1960 steht plötzlich seine Freundin vor der Tür und erzählt völlig aufgelöst, dass sie vom Tod verfolgt worden sei, und holt ein Telefonbuch von Los Angeles aus dem Jahre 1900 aus ihrer Handtasche. Für die Rattigan ist es ein Totenbuch, denn kaum ein Name dürfte noch unter den Lebenden weilen. Ein zweites Telefonbuch fand sie zuhause nach einem Spaziergang, ein sehr persönliches, das sie vor Jahren den Hollywood Helpers überlassen hatte, und nun sind die noch lebenden Personen in dem Buch mit roten Kreuzen versehen, zum Sterben auserkoren. Zusammen mit seinem Freund Crumley, seinem persönlichen Dr. Watson, macht sich der Schriftsteller auf die Suche nach den markierten Personen. Schon der erste Besuch unter dem Eintrag „Rattigan, Kathedrale St. Vibiana“ birgt eine Überraschung, der etliche weitere folgen sollen. Es sind dabei nicht nur Leichen, die den Weg der beiden Ermittler kreuzen. Sie – und der Leser – erhalten auch einen Blick in die goldene Ära Hollywoods mit all den exzentrischen Persönlichkeiten, die nicht alle den Ruhm geerntet haben, nach dem sie strebten. Gefühlvoll und atmosphärisch dicht geschrieben, fesselt die Geschichte von Anfang bis Ende und beweist, dass Bradbury auch mit über 80 Jahren noch ein wunderbarer Erzähler ist.
(Edition Phantasia, 204 S., Pb.)
Das beweist er auch mit den 21 erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Storys, die Ende der 90er entstanden und in dem Band „Schneller als das Auge“ versammelt worden sind. In der eröffnenden Titelgeschichte verfolgt ein Zuschauer gespannt, wie ein ihm überraschend ähnlicher Mann auf der Bühne bei einer Zaubervorführung ausgenommen wird, in „Sanfte Morde“ versucht ein altes Ehepaar, sich gegenseitig ins Jenseits zu befördern, „Ein schöner Schlamassel“ lässt noch einmal die goldene Ära Hollywoods aufleben, „Dorian in Excelsis“ dagegen die unsterbliche Magie großer Schriftsteller. Man kommt aus dem Staunen kaum noch heraus, wenn man sich erst einmal der unerschöpflichen Fantasie dieses großartigen Autors hingibt! (Diogenes, 320 S., HC)