Richard Laymon - „Rache“

Montag, 5. April 2010

(Heyne, 557 S., Tb.)
Ausgerechnet in der heißesten Nacht des Jahres scheint Sherry es nicht zu schaffen, beim Liebesspiel mit ihrem Freund Duane vorher aufzuhören, sondern will ihn endlich in sich spüren. Doch das Kondom, das Duane hervorzaubert, sieht nicht mehr allzu funktionstüchtig aus, also macht sich der 28-Jährige auf den Weg, neue zu besorgen. Während sie auf Duanes Rückkehr wartet, verfolgt sie in den Nachrichten, wie der schlimmste Feuersturm über den Süden Kaliforniens hereinbricht. Schließlich beginnt sie, sich Sorgen zu machen, als Duane nicht nach vierzig Minuten, auch nicht nach einer Stunde wieder zurückgekehrt ist. Also macht sie sich auf den Weg zum Speed-D-Mart, wo sie zwar Duanes Lieferwagen auf dem Parkplatz entdeckt, aber von ihrem Freund fehlt jede Spur. Wie sie von der Verkäuferin im Laden erfährt, hat Duane jedoch vor einer Stunde eine Packung Kondome gekauft. Als sich Sherry noch immer einen Reim auf die Geschehnisse zu machen versucht, wird sie von einem ihrer Schüler, Toby Bones, angesprochen, der Sherry erzählt, ihr Freund sei nach Süden – in die verkehrte Richtung – gegangen, und auch noch in Begleitung! Ahnungslos steigt Sherry zu Toby in den Wagen und muss leider sehr bald feststellen, dass sie es mit einem echten Psychopathen zu tun hat, der sie nicht wieder so schnell laufen lassen wird …
Schade, dass Richard Laymon, der von Kollegen wie Stephen King, Dean Koontz und Jack Ketchum verehrt und von seinem Publikum geliebt wird, erst nach seinem plötzlichen Tod im Jahre 2001 für den deutschen Markt entdeckt wird – aber lieber spät als nie. Nachdem der Goldmann-Verlag in den 80ern einige seiner Werke veröffentlicht hatte, macht sich nun Heyne daran, in glücklicherweise recht kurzen Intervallen sein Oeuvre zu veröffentlichen. „Rache“ – 1999 unter dem Originaltitel „Come Out Tonight“ erstmals erschienen – enthält alles, was Richard Laymons Psycho-Schocker ausmachen und als ideale Drehbücher für Hollywoods Splatter-Kino dienen könnten: Sex und Gewalt ohne jegliche Zensurschranken, dazu atemlose Spannung im Kampf zwischen Opfer und Täter.

Richard Laymon - „Die Insel“

(Heyne, 559 S., Tb.)
Zum Glück waren (fast) alle Passagiere an Land, als die Yacht explodierte. So hat es nur Wesley Duncan Beaverton III. erwischt. Selbst seine trauernde Witwe Thelma hat keine großen Stücke auf den „Prinzen“ gehalten, der sie offensichtlich nur wegen ihres Geldes geheiratet hat. Denn eigentlich ist ihre jüngere, die 25-jährige Kimberly die weitaus bessere Partie, ist aber mit dem blendend aussehenden, charakterstarken Keith verheiratet, wie Rupert Conway neidlos anerkennen muss. Er ist derjenige, der seit dem unfreiwilligen Insel-Aufenthalt Tagebuch über die horrenden Ereignisse führt, die sich nach der Explosion der Yacht auf der Insel zugetragen haben. Mit von der Partie sind auch noch Kimberlys und Thelmas Vater Andrew Collins, seine zweite Frau Billie und deren gemeinsame Tochter Connie.
Der Bootsausflug auf die Bahamas sollte ein Geschenk der Töchter und Schwiegersöhne zum 20. Hochzeitstag von Andrew und Billie sein. Und nun sitzen die sieben Überlebenden auf einer scheinbar unbewohnten Insel, und Rupert sinnt darüber nach, welche Qualitäten die einzelnen Frauen haben und welche weniger. Er selbst ist zwar mit Connie zusammen, aber viel gelaufen ist zwischen noch nicht, weshalb sich Ruperts Fantasien eher mit Billie und Kimberly befassen. Doch seine Sexfantasien werden von der Entdeckung abgelöst, dass Keith während der ersten Nacht verschwunden ist und wenig später von Rupert aufgeknüpft in einem Baum aufgefunden. Als dann auch noch Andrew sein Leben vor den Augen der anderen lassen muss, geht letztlich die Panik um, wer der Killer sein mag. Ein Eingeborener? Der vielleicht doch nicht bei der Explosion umgekommene Wesley oder gar einer aus der Gruppe, die auf der Insel um ihr Überleben kämpft? Richard Laymon schildert die spannende Katz-und-Maus-Jagd in bester „Lost“-Manier interessanterweise als Ich-Erzählung aus der Sicht eines der Passagiere und hält ein überraschendes Ende parat!

Richard Laymon - „Vampirjäger“

Samstag, 3. April 2010

(Festa, 445 S., Pb.)
Cat Lorimer war seine große, aber unerfüllte Jugendliebe gewesen. Nun steht sie nur mit einem blauen Seidenbademantel vor Sammys Tür, nachdem sich die beiden zehn Jahre lang nicht gesehen hatten, und bittet ihn um Hilfe. Sie erzählt ihm, dass nicht nur ihr Mann vor einem Jahr ermordet wurde, sondern sie jede Nacht um Mitternacht Besuch von einem Vampir namens Elliot bekommt, der sich dann über ihr Blut hermacht. Doch damit soll jetzt Schluss sein. In dieser Nacht soll Sam dem ungeliebten Besucher einen Pflock ins Herz rammen, wenn er sich gerade an Cat gütlich tut. Der Plan gelingt. Eingewickelt in eine Plastikfolie wird die Leiche des Vampirs in Cats Wagen verfrachtet, und die beiden machen sich auf den Weg, den Toten an einer entlegenen Stelle zu entsorgen. Doch auf der Straße platzt auf einmal ein Reifen, das Auto kann gerade noch in einen Wald gelenkt werden, wo Cat und Sam Bekanntschaft mit einem weißhaarigen Biker machen, mit dem sie ihre Odyssee zunächst fortsetzen. Doch da der Typ nicht nur etwas unheimlich wirkt, sondern auch jede Gelegenheit nutzt, vor allem Cat zu schlagen, lassen die beiden ihre neue Bekanntschaft in einem Restaurant zurück. Doch „Schneewittchen“ findet effektive Mittel und Wege, sich wieder an die Fersen von Cat und Sam zu heften …
 Übernatürlichen Horror gibt es bei Richard Laymon recht selten. Und auch in „Vampirjäger“ scheint der Vampir nur dazu zu dienen, die erotische Komponente des beliebten Themas ausgiebig herauszuarbeiten. Nachdem der Vampir nämlich recht schnell getötet worden ist, entwickelt sich der Roman viel mehr zu einem spannenden Road Movie, bei dem sich Sam in den wildesten erotischen Fantasien verliert. Ganz locker bewundert Sam während der Autofahrt über drei Seiten hinweg, wie sich zunehmend eine Brust seiner schlafenden Schönheit entblößt. Wer also einen eher klassischen Vampirschocker erwartet, dürfte enttäuscht werden. „Vampirjäger“ ist dafür ein weiteres Beispiel für Laymons einmalige Kunst, vertraute Themen ganz neu zu bearbeiten und dabei wirkungsvoll höchste Spannung und knisternde Erotik mit erfrischendem Humor zu verbinden.

Richard Laymon - „Parasit“

Freitag, 2. April 2010

(Festa, 415 S., Tb.)
Nur knapp kann die junge Radfahrerin Celia Jamerson einem verrückten Lieferwagenfahrer entkommen, der sie von der Straße drängen wollte. Als Officer Jake Corey den Tatort untersucht, ist die Radfahrerin mit ein paar Schrammen davongekommen, der Lieferwagen aber über die Betonbrüstung der Brücke am Weber Creek geflogen und seinen Fahrer zu Hackfleisch verarbeitet haben muss. Allerdings können Jake und sein Kollege Chuck keine Leiche in dem brennenden Wagen entdecken, dafür aber eine Blutspur in den Wald.
Darüber hinaus gibt es in der Nähe nur das Oakwood Inn, ein stillgelegtes Restaurant, das ein Pärchen aus Santa Monica wieder in Betrieb nehmen möchte. Derweil sehnt sich die junge Studentin Alison nach einem weiteren Date mit Evan Forbes, einem Dozenten an der Bennett Hall. Als sie ihn nach Unterrichtsende im Klassenzimmer aufsucht, will er aber nur eine schnelle Nummer und reagiert eingeschnappt, dass Alison sich nicht darauf einlässt. Frustriert macht sie sich auf den Weg zur Arbeit ins Restaurant auf dem Campus, während Jake das Oakwood Inn in der Hoffnung observiert, dass der Lieferwagenfahrer dort auftaucht. Als er einen Gewehrschuss aus dem Haus hört, entdeckt er Ron Smeltzer, wie er seiner Frau mit den Zähnen im offenen Bauch herumwühlt. Doch das ist erst der Anfang einer ganzen Reihe von abscheulichen Morden und Tätern, die offensichtlich einen Heidenspaß dabei haben, ihre Opfer möglichst bei lebendigem Leibe zu fressen. Und Alison wird gegenüber Evan erschreckend leichtsinnig. Doch das sind viele ihrer jungen MitbürgerInnen ebenfalls …
Der 1987 veröffentlichte Roman „Flesh“ zählt zu den früheren Werken von Richard Laymon, beinhaltet aber schon die würzigen Zutaten, die seine späteren, nun bei Heyne veröffentlichten Romane auszeichnen: sorgfältig gezeichnete Charaktere, spannender Plot und die richtige Mixtur aus freizügigen Erotik- und schonungslosen Gewaltszenen.

Richard Laymon - „Jahrmarkt des Grauens“

Donnerstag, 1. April 2010

(Goldmann, 475 S., Tb.)
Tanya, Cowboy und ihr Team von „Trolljägern“ suchen am Strand und auf der Promenade von Boleta Bay Wermutbrüder und Penner auf, jagen ihnen Angst ein und hinterlassen stets eine Karte mit den Worten „Lieber Troll, viele Grüße vom Großen Groben Griesgram Billy“. Doch obwohl jeder im Ort weiß, dass es sich um eine Clique von Jugendlichen handelt, die die Obdachlosen misshandeln, schreitet niemand dagegen ein, was die Lokal-Journalistin Gloria Weston zu einem kritischen Artikel in der Evening Post veranlasst. Ihr Freund, der Cop Dave Carson, findet den Artikel weniger witzig, und seine hübsche Partnerin Joan noch weniger. Tag für Tag patrouillieren sie an der Promenade und am Vergnügungspark Funland, um für die Sicherheit zu sorgen. Doch auch sie können nicht verhindern, dass ein Penner von den Trolljägern an einer Achterbahn festgezurrt wird und nur knapp mit dem Leben davonkommt.
Darüber hinaus haben Joan und Dave mit privaten Problemen zu kämpfen, Dave mit seiner streitsüchtigen, engagierten Journalistin-Freundin und Joan mit ihrem intellektuellen, aber feigen Verehrer Harold. Und dann kommt mit der hübschen Robin auch noch eine Rucksack-Wanderin ins Funland, um dort für eine Woche auf der Promenade Banjo zu spielen. Keine gute Idee, wie Dave findet. Zum Glück wird sie von Nate, dessen Familie Funland gehört, unter ihre Fittiche genommen, doch damit setzt er seine Beziehung zu Tanya, der Anführerin der Trolljäger, aufs Spiel. Dem neu zugezogenen Jeremy ist das nur recht. Er träumt Tag und Nacht von der schönen Tanya, gefährdet aber so seine Freundschaft zu Shiner, die mehr für Jeremy empfindet. Nachdem bereits ein Troll im Meer entsorgt worden ist und die Trolle auch Jagd auf die zivilisierten Mitbürger machen, verhärten sich die Fronten zunehmend. Vor allem will Gloria als Pennerin verkleidet mehr über die gejagten Trolle erfahren. Doch dann verschwindet sie spurlos … Schließlich ist mit Jaspers Funhouse auch noch eine ehemalige Touristenattraktion im Spiel, die mittlerweile geschlossen ist, aber trotzdem weiterhin Neugierige anzieht. Und hier begegnen die Besucher bald dem ultimativen Grauen! Bereits 1989 unter dem Titel „Funland“ im Original veröffentlicht, bearbeitet Richard Laymon mit „Jahrmarkt des Grauens“ das für Horrorfilme so beliebte Thema von Geisterbahnen und Vergnügungsparks auf atmosphärisch dichte, schön gruselige Weise. Dabei versteht es Laymon prächtig, Sehnsüchte und Ängste junger Menschen auf der Schwelle zum Erwachsensein zu reflektieren und vor allem die erotische Komponente zu betonen.

Martin Gülich – „Septemberleuchten“

(Nagel & Kimche, 123 S., HC)
Nachdem er bereits am Samstagmorgen draußen am See gewesen ist, trifft ein unscheinbarer Mann namens Kron mittags Vanek, einen alten Bekannten, der offensichtlich bisweilen einen merkwürdigen Umgang zu pflegen scheint und sich auch diesmal in der Schusterstraße mit einem unbekannten, leicht sonderbaren Mann im Wintermantel unterhalten. Vanek schlägt überraschend vor, den Abend gemeinsam zu verbringen. Nach einem kurzen Abstecher in die örtliche Eisdiele trifft Kron erneut auf Vanek, diesmal in Begleitung von Gerland, und zusammen sucht man das Lokal „Krokodil“ auf.
In der Toilette begegnet Kron dem unbekannten Mann im Wintermantel, der dann Krons Platz am Tisch einnimmt, und wenig später bemerkt Kron, dass es dem namenlosen Mann nicht gutgeht. Ein Fluchtversuch auf dem Parkdeck scheitert durch einen üblen Sturz, und so begleitet der lädierte Mann die drei Bekannten hinaus zum See, wo gegrillt und Bier getrunken wird. Dort wird der Mann Opfer weiterer Demütigungen und Schläge, bis das gesellige Treffen außer Kontrolle gerät …
Martin Gülich legt mit seiner neuen Erzählung das erschreckende Protokoll einer Nacht vor, in der die Gewalt inmitten einer geselligen Männerrunde ohne erkennbare Motive ausbricht und fatale Folgen nach sich zieht. Kron versucht die Ereignisse der schrecklichen Nacht zu erinnern, doch ist auch er nicht als Erzähler zu vernehmen, sondern wird selbst durchweg in indirekter Rede wiedergegeben. Mit diesem Kunstgriff schafft der Autor eine zusätzliche Distanz zwischen dem Leser und dem Geschehen, und doch wird dieser durch die unheilvollen Ereignisse immer stärker in den Sog der Erzählung hineingezogen, wohl ahnend, wie das Treffen am See mit dem idyllischen Septemberleuchten ausgeht … Einmal in die Hand genommen, legt man das eindringlich geschriebene Buch nicht mehr aus der Hand!

Mikkel Birkegaard – „Die Bibliothek der Schatten“

(Page & Turner, 510 S., HC)
Als Luca Campelli an einem späten Oktoberabend von einer Auslandsreise in sein Antiquariat „Libri di Luca“ in Vesterbro in Kopenhagen zurückkehrt, inspiziert er mit einem Glas Cognac in der Hand die Regale und begutachtet die Neuzugänge. Als er sich eine gut erhaltene Ausgabe von Giacomos Leopardis „Operette morali“ in Lucas Muttersprache greift, liest er zunächst mit Begeisterung darin, doch dann schlägt diese in Überraschung und schließlich Angst um. Wenig später stürzt er über das Geländer im ersten Stock auf den Boden des Erdgeschosses. Der aufstrebende Strafverteidiger Jon Campelli erfährt vom Tod seines Vaters, nachdem er in seiner Kanzlei den lukrativen Remer-Fall übernehmen durfte. Seit dem Tod seiner Mutter hatte Jon keinen Kontakt mehr zu seinem Vater. Umso überraschter ist er, dass Luca Campelli das Antiquariat seinem Sohn und nicht seinen bewährtem Mitarbeiter Iversen vererbt hat. Überraschenderweise bietet ihm sein Mandant Remer an, den Buchladen zu kaufen, doch als sich Jon weigert, wird das Geschäft wie zuvor andere auch mit einem Anschlag versehen.
Iversen wird zum Glück nur leicht verletzt, doch Jon erfährt nun, dass sich hinter dem Laden mehr als eine Sammlung alter Bücher verbirgt. Es ist auch die Heimat einer Vereinigung von Lettore, Vorlesern, die die besondere Gabe besitzen, mit ihrer Lesebegabung Einfluss auf Menschen zu nehmen. Doch auf der anderen Seite gibt es auch Empfänger, die mittlerweile eine eigene Organisation gegründet haben. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, für die Vorfälle in der Vergangenheit verantwortlich zu sein, und beauftragen Jon damit, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch diese Aufgabe erweist sich als höchst gefährlich …
Ähnlich wie in Carlos Ruiz Zafóns Meisterwerk „Der Schatten des Windes“ entwirft der junge dänische Autor Mikkel Birkegaard zunächst das für Bücherliebhaber so wundervolle Szenario eines glänzend bestückten Antiquariats, das allerdings zu einem Schauplatz des Verbrechens wurde. In der Folge geht die Magie sowohl des Antiquariats als auch der Welt der Bücher leider vollkommen verloren und weicht einem Krimi um eine Geheimorganisation mit außergewöhnlich suggestiven Talenten. Nur sporadisch kommen die den Büchern innewohnenden phantastischen Welten zum Ausdruck, etwa wenn sich zum Ende hin Jon Campelli daran erinnert, wie ihm seine Eltern während seiner Kindheit immer wieder aus „Pinocchio“ vorlesen mussten. Die Mischung aus „Der Schatten des Windes“ und Dan Browns sakralen Verschwörungs-Thrillern ist aber spannend geschrieben, den Protagonisten fehlt es allerdings etwas an Tiefe in ihrer Charakterisierung.