Jussi Adler-Olsen - (Carl Mørck 3) „Erlösung“

Montag, 11. Juli 2011

(dtv, 591 S., Pb.)
Das Sonderdezernat Q des Polizeipräsidiums in Kopenhagen widmet sich unter der Leitung von Carl Mørck alten ungelösten Fällen. Mørck , seinem muslimischen Assistenten Assad und der eigenwilligen Rose fällt eine Flaschenpost aus dem Jahre 1996 in die Hände, die zunächst an der Küste von Schottland aufgefunden wird, aber viele Jahre unbeachtet im Küstenstädtchen Wick auf der Polizeiwache herumstand.
Nach ersten Analysen durch die schottischen Kollegen versucht die Mannschaft des Sonderdezernats das mit Blut beschriebene, kaum noch leserliche Schriftstück zu entziffern und fügt durch Hilfe von Kollegen die Textfragmente wie ein Puzzle zusammen. Während die Ermittler auf den Namen Poul Holt stoßen, der den Hilferuf unterschrieben hat, gehen Carl Mørck & Co aber auch einer Reihe von Brandstiftungen nach, bei denen offenbar schon vorher verbrannte Leichen aufgefunden werden, deren Einkerbungen am kleinen Finger darauf schließen lassen, dass die Opfer einer religiösen Sekte angehören. In diese Richtung führt auch die Suche nach Poul Holt. Und schon wird Carl Mørck klar, warum sich der Kidnapper ausgerechnet Kinder aus einer der vielen Sekten auswählt, die in der dänischen Gesellschaft integriert sind.
„‘Der Entführer sucht sich eine kinderreiche Familie aus“, fuhr Carl fort, während er nach Gesichtern Ausschau hielt, an die zu wenden es sich lohnte. ‚Eine Familie, die – als Zeugen Jehovas – in vielerlei Hinsicht isoliert in der sie umgebenden Gesellschaft lebt. Eine Familie, die relativ starr in ihren Gewohnheiten verankert ist und ein außerordentlich restriktives Leben führt. Eine Familie, die zuletzt auch noch vermögend ist, nicht wirklich steinreich, aber reich genug. Aus dieser Familie wählt der Mörder zwei Kinder aus, die innerhalb der Kinderschar irgendwie einen besonderen Status haben. Er entführt sie beide, und nachdem das Lösegeld bezahlt ist, ermordet er das eine und lässt das andere frei. Jetzt weiß die Familie, wozu er imstande ist. Der Mörder droht dann, er sei bis in alle Zukunft bereit, ohne Vorwarnung ein weiteres Geschwisterkind umzubringen, sollte er den Verdacht hegen, die Familie habe sich mit der Polizei oder der Gemeinde in Verbindung gesetzt oder versuche auf eigene Faust, ihn zu finden.“ (S. 266)
Carl Mørck und sein Team haben alle Hände voll zu tun, die Identität des gewieften Kidnappers und Killers zu ermitteln. Er bewegt sich nicht nur unter verschiedenen Namen, sondern auch mit raffinierten Verkleidungen durch seine „Fanggebiete“ und schreckt vor keinen Mitteln zurück, seine Spuren hinter sich zu verwischen.
Nachdem der vorangegangene zweite Fall „Schändung“ nicht ganz die Erwartung erfüllen konnte, die der furiose Erstling „Erbarmen“ geschürt hat, nimmt Adler Olsen mit „Erlösung“ von Beginn an so richtig Fahrt auf. Die Reihe von ausgetüftelt organisierten Kindesentführungen und –morden in den Reihen dänischer Glaubensgemeinschaften, die es vorziehen, unter sich zu bleiben, geht dem Leser schnell nahe. Der Autor beschreibt sowohl das perfide Handeln des Kidnappers/Killers als auch die Leiden seiner Mitmenschen, die nur ahnen, dass hinter seiner bürgerlichen Maske etwas Böses lauert. Den Wettlauf gegen die Zeit, die das Sonderdezernat Q beim Auffinden der vermissten Kinder zu absolvieren hat, ist actionreich und extrem spannend geschrieben. So muss ein moderner Thriller sein! Einzig die interessanten Persönlichkeiten des Sonderdezernats könnten noch besser ausgeleuchtet werden. Hier sorgt der erfrischende Humor im Umgang zwischen den Kollegen für wohltuende Ablenkung von dem harten Fall, aber Privates wird wieder nur häppchenweise abgerissen. Das macht zumindest neugierig auf die Folgebände.
Lesen Sie im Buch "Erlösung"

Matt Dunn – „Aus. Ende. Gelände.“

Montag, 27. Juni 2011

(Knaur, 431 S., Pb.)
Am 16. Januar ruft Edward seinen besten Freund Dan, den blendend aussehenden Moderator der „Antiquitäten-Roadshow“ an, um ihm mitzuteilen, dass seine langjährige Lebensgefährtin Jane nach Tibet abgehauen ist. Immerhin hat sie ihm einen Brief hinterlassen, in dem sie ihm vorwirft, sich zu sehr gehen gelassen zu haben. In genau drei Monaten will sie wieder zurückkehren und sich mit Teddy weiterunterhalten. Also hat Edward drei Monate Zeit, sich wieder in Form zu bringen und für Jane wieder attraktiv zu werden.
Er heuert eine Personal Fitness-Trainerin an, verzichtet auf Pizza und Alkohol und muss sich ständig mit Dan auseinandersetzen, der ihm die Frauenwelt näherzubringen versucht. Allerdings ist der ungemein treue Edward gar nicht daran interessiert, Tricks zu lernen, wie man möglichst viele Frauen möglichst schnell ins Bett bekommt, so wie es Dans Lebensphilosophie ist. Edward möchte einfach nur seine Jane zurückhaben. Denn bald schon wird ihm klar, wie sehr er sein Mädchen vermisst.
„Schon beim Aufwachen oder besser gesagt beim Aufstehen spüre ich sofort, dass etwas nicht so ist, wie es sein sollte. Ich komme erst langsam richtig zu mir, denn ich habe nicht besonders gut geschlafen. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht die ganze Nacht um das Federbett kämpfen musste. Was immer die Ursache für meine Unruhe war, bin ich mir der leeren Stelle, wo eigentlich Jane liegen sollte, sehr bewusst.
Während ich meine erste Zigarette des Tages rauche, wird mir mit einem Schaudern bewusst, dass sie zum ersten Mal in all den zehn Jahren nicht wie gewohnt in unmittelbarer Reichweite ist, wenn man einmal von gelegentlichen Geschäftsreisen oder Familientreffen absieht. Auch wenn wir uns mal gestritten hatten, lagen wir doch immer im selben Bett, bisweilen Rücken an Rücken in eisigem Schweigen, bis einer von uns eine Hand oder einen Fuß ausstreckte.“ (S. 37)
Bereits mit den ersten Seiten weckt Matt Dunn das Mitleid seiner Leser für den armen Tropf Edward, der offensichtlich aufgegangen ist wie ein Hefekloß und vor allem in Gegenwart von Dan-Playboy unbemerkt in dessen Schatten verblasst. Es ist schon witzig zu verfolgen, wie die Lebensphilosophien dieser so grundverschiedenen Freunde sich aneinander reiben, und doch lässt sich Edward immer wieder von seinem so Frauen-erfahrenen Freund antreiben und zu den schlechtesten, gelegentlich aber auch solchen Ideen anstiften, die zwar seinen Geldbeutel mächtig erleichtern, dafür aber sein Heim, sein Outfit und sein Äußeres auf Vordermann bringen, bis Edward tatsächlich selbstbewusster mit Frauen umzugehen versteht.
„Aus. Ende. Gelände.“ lässt sich wunderbar leicht und schnell weglesen, ohne den Intellekt, aber auch nicht wirklich das Zwerchfell großartig zu beanspruchen.

Lotte & Søren Hammer – „Schweinehunde“

Samstag, 25. Juni 2011

(Droemer, 504 S., HC)
Seit die schwedischen Bestseller-Autoren Henning Mankell und Hakan Nesser die Lust an skandinavischen Krimis geweckt haben, hat sich auch hierzulande ein reges Interesse an skandinavischer Spannungsliteratur entwickelt, das seinen vorläufigen Höhepunkt durch die gefeierte „Millennium“-Trilogie von Stieg Larsson erreichte. In diesem Zuge erscheinen natürlich auch Krimis, die den hohen Standard bereits bekannter Autoren allerdings nicht halten können – wie das thematisch aufwühlende Debüt des dänischen Geschwisterpaars Liselotte Hammer Jacobsen und Søren Hammer Jacobsen.
In Bagsvaerd, einem Vorort von Kopenhagen, finden zwei Kinder in der Turnhalle ihrer Schule eines Morgens fünf nackte Männer von der Decke hängen, akkurat aufgeknüpft und bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Als Kriminalhauptkommissar Konrad Simonsen von seinem abgebrochenen Urlaub mit seiner 16-jährigen Tochter an den Tatort kommt, macht sich schnell der Hausmeister Per Clausen verdächtig, der mit seinen irreführenden Antworten die Polizei an der Nase herumführt.
Doch bevor seine Ermittler Nathalie „Comtesse“ von Rosen, der spielsüchtige Arne Pedersen, die junge Pauline Berg und der pensionierte, aber erfahrene Kaspar Planck den hochdekorierten Statistiker, der nach dem Tod seiner Tochter völlig aus der Bahn geworfen wurde, weiter befragen können, setzt Per Clausen seinem Leben ein Ende. Als die Presse die Identität einiger Opfer enthüllt und verlauten lässt, dass es sich um Pädophile handelt, beginnt in der Öffentlichkeit eine erbarmungslose Hetzjagd gegen alle, die irgendwann einmal wegen Unzucht mit Minderjährigen in Verruf geraten sind. Organisationen werden gegründet, um sich für härtere Strafen gegen die Kinderpornographie einzusetzen, Webseiten werden ins Leben gerufen, Massenmails verschickt.
Five paedophiles executed in Denmark.
Die Überschrift der Mail ging einem direkt unter die Haut, ihr Inhalt war ein manipulierendes Sammelsurium aus Fiktion und Fakten: Um den Kinderpornographie-Export des Landes nicht zu gefährden, verschweige der Staat, dass es sich bei den fünf Hingerichteten um Pädophile handele, was aber gut zur Tatsache passé, dass Dänemark pädophile Vereinigungen und Internetseiten zulasse und sich standhaft weigere, eine bindende polizeiliche Zusammenarbeit mit den übrigen EU-Staaten einzugehen. Das Strafmaß für den sexuellen Missbrauch von Kindern sei lächerlich niedrig und wirke eher wie der Nachweis der offiziellen Akzeptanz dieses Verbrechens.“ (S. 147)
Da sich in der dänischen Bevölkerung immer mehr die Überzeugung durchsetzt, dass die hingerichteten Opfer ihre Strafe verdient haben, stoßen Simonsen und sein Team vielerorts auf taube Ohren und wenig Bereitschaft zur Mithilfe bei der Auflösung des Verbrechens. Aber auch mit der Presse und den Politikern hat die Polizei ihre Probleme …
Das Setting von „Schweinehunde“ hat eigentlich alles, was einen guten Krimi auszeichnet: einen Aufsehen erregendes Verbrechen, ein interessantes Ermittlerteam, dessen einzelne Persönlichkeiten auch Raum für private Seitenwege lassen und ein auch gesellschaftlich brisantes Thema. Doch das über 500 Seiten starke Buch schwächelt gleich auf mehreren Ebenen: Nicht nur die allzu trockene Sprache, die keine Empathie weder für die Handlung noch die Figuren aufkommen lässt, verleidet den Lesegenuss, auch die frühzeitige Erkenntnis über den Täter und seinen Hintergrund nehmen die Spannung weg. Die Handlung konzentriert sich zunehmend darauf, Kinderpornographie und Pädophilie und die zu laschen Strafen in Dänemark zu thematisieren, worauf wenig glaubwürdig ein Szenario beschrieben wird, in dem die Polizei ohnmächtig gegen eine zur Selbstjustiz aufgehetzte Öffentlichkeit ankämpft. Zum Ende hin nimmt das etwas zu langatmige Krimidrama zum Glück wieder etwas Fahrt auf und kommt auch sprachlich geschliffener daher, so dass die Hoffnung genährt wird, dass die Fortsetzungen etwas spannender und interessanter zu lesen sind. Vom „besten dänischen Kriminalroman seit langem“, wie das K. Dagblad meint, ist  so noch weit entfernt.

Olen Steinhauer – „Last Exit“

Donnerstag, 9. Juni 2011

(Heyne, 543 S., HC)
Als der Journalist Henry Gray einen Brief des verstorbenen CIA-Agenten Thomas Grainger erhält, in dem dieser von seiner Abteilung und Operationen berichtet, die sich mit dem Sudan und gegen China beschäftigten, sieht er wieder Schwung in seine abgeflaute Karriere kommen. Doch bevor er sich näher mit der Story beschäftigen und sich wie von Grainger gewünscht an Milo Weaver wenden kann, wird er von Weavers Kollegen James Einner ausgeschaltet. Vier Monate später taucht Weaver in Budapest auf, um Gray im Krankenhaus zu besuchen, kann sich aber noch keinen Reim auf die Geschichte machen.
Ein paar Monate später erhält Weaver, reaktivierter Agent der CIA-Abteilung für die schmutzigsten Geschäfte, Tourismus genannt, seinen achten Auftrag, wenn möglich zwanzig Millionen Dollar zu beschaffen. Weaver beschließt, aus einem schlecht bewachten Museum in Zürich vier Gemälde zu stehlen, doch bevor er diese zu Geld machen kann, bekommt Weaver von seinem neuen Chef Alan Drummond den Auftrag, in Berlin das 15-jährige Mädchen Adriana Stanescu zu töten und die Leiche verschwinden zu lassen. Doch Weaver geht diese Operation völlig gegen sein Gewissen.
„Jeder Tourist hat eine Vergangenheit, und Alan Drummond wusste alles über die zwei Gründe, die Milo bei einem komfortableren Budget den Zugang zum Tourismus verwehrt hätten: seine Frau und seine Tochter. Drummond war natürlich klar, dass diese scheinbar so einfache Aufgabe für ihn schwerer war als das Erstürmen der iranischen Botschaft in Moskau. Offenbar hatte Milo mit seinem Verdacht richtig gelegen: Die Abteilung vertraute ihm noch immer nicht, und die bisherigen Aufträge hatten nur als Vorbereitung gedient, als dreimonatige Inkubationszeit vor seiner Wiedergeburt als Tourist. Ein langer Probelauf, der im neunten Auftrag gipfelte: ein Umschlag, der graue Himmel über Berlin und der Wunsch, lieber sich selbst auszulöschen, als diesen Job durchzuführen.“ (S. 52 f.)
Also gestaltet Weaver den Job nach seinen Vorstellungen um, lässt das Mädchen nach der Entführung durch seinen Vater Jewgeni Primakow, der innerhalb der UN eine eigene Geheimabteilung unterhält, in den Bergen verstecken. Als die Kleine aber tot aufgefunden wird, steckt Weaver mächtig in der Klemme, wird er doch für den Killer gehalten. Auf der Suche nach den Verantwortlichen verdichtet sich sein Verdacht, dass es innerhalb der Tourismus-Abteilung einen Maulwurf gibt, der die ganze Abteilung mit dem Aus bedroht. Und irgendwie wird Weaver das Gefühl nicht los, dass der amerikanische Senator Nathan Irwin etwas damit zu tun hat …
Nach „Der Tourist“ präsentiert der amerikanische, mittlerweile in Budapest lebende Schriftsteller Olen Steinhauer mit „Last Exit“ seinen zweiten Roman um den „Touristen“ Milo Weaver. Der bietet zwar weit weniger Action, als man es von James Bond oder Jason Bourne gewohnt ist, dafür vermittelt Steinhauer das Agenten-Dasein auf höchst authentisch wirkende Weise. Wie er seinen sympathischen, vielschichtigen, gewissenhaften Helden durch die Welt schickt, um Intrigen, Verrat und Verstrickungen aufzudecken, ist nicht nur packend geschrieben, sondern verleiht den Hauptfiguren sehr menschliche Züge. Allerdings bleibt noch die schwierige Beziehung zu Milo Weavers Frau und Tochter näher zu beleuchten. Aber dafür bieten ja die hoffentlich geplanten Fortsetzungen noch reichlich Gelegenheit …
Lesen Sie im Buch: „Last Exit“

David Baldacci – Camel Club 4: – „Die Jäger"

Donnerstag, 26. Mai 2011

(Lübbe, 494 S., HC)
Nachdem Oliver Stone alias John Carr die Villa des früheren Geheimdienstchef Carter Gray in die Luft gesprengt hatte, sprang er von der Klippe in die Chesapeake Bay und befindet sich seitdem auf der Flucht. Er macht sich immer noch Vorwürfe, für den Tod seines Freundes Milton Farb verantwortlich gewesen zu sein. Wie Carr, die Trickbetrügerin Annabelle Conroy, Kongressbibliothekar Caleb Shaw und Hafenarbeiter Reuben Rhodes gehörte das Computer-Genie Farb dem illustren „Camel Club“ an, einer Gruppe von Verschwörungstheoretikern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, der Wahrheit zu dienen und sie ans Licht zu bringen.
CIA-Agent Joe Knox wird von seinem Chef General Macklin Hayes beauftragt, John Carr ausfindig zu machen, nachdem Carter Gray in seinem Auto und Senator Roger Simpson in dessen Haus erschossen wurden. Die Spur führt Knox direkt zur inzwischen aufgelösten Abteilung 666 der CIA, zuständig für „politische Destabilisierung“, und damit zu Oliver Stone.
Dieser muss nach einer Schlägerei im Zug nach New Orleans mit den jugendlichen Beteiligten an der nächsten Station aussteigen und landet so in dem kleinen Bergwerksstädtchen Divine, wo einige seltsame Todesfälle unter Jugendlichen Stone dazu anregen, diese etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Doch damit bringt er sich einmal selbst in tödliche Gefahr. Währenddessen findet Knox heraus, dass John Carr einst ein gefeierter Kriegsheld gewesen ist, dem ausgerechnet Knox‘ eigener Chef Hayes damals aus unerfindlichen Gründen die Medal of Honor verweigerte und auch noch seine Familie tötete. Je näher er Carr/Stone kommt, desto mehr beschleicht Knox das Gefühl, dass Hayes ein falsches Spiel mit ihm und dem Gejagten spielt.
„Weil Carr aussteigen wollte, hatte man seine Familie ausgelöscht. Knox konnte kaum glauben, dass seine Regierung einen Mann, der ihr so viele Jahre treu gedient hatte, so mies behandelte, doch in der Realität konnte es sich durchaus so abgespielt haben.
Knox schlenderte in sein mit Bücherregalen gesäumtes Arbeitszimmer. Er jagte einen Mann, den die eigene Regierung hintergangen hatte. Gewiss, es gab überzeugende Hinweise darauf, dass Carr sowohl Gray als auch Simpson getötet hatte. Knox blickte auf das Foto seiner Frau, das an einer Wand hing. Was hätte er getan, hätte er erfahren, dass sie von diesen beiden Männern ermordet worden sei? Er setzte sich in einen Sessel, starrte auf den Fußboden und gestand sich ein, dass er vermutlich genauso wie John Carr gehandelt hätte.“ (S. 220 f.)
In Divine kommt nicht nur Oliver Stone einer Serie von bislang ungeklärten Morden auf die Spur, sondern auch einem Drogenkartell, das für den Wohlstand in der kleinen Bergwerkgemeinde verantwortlich ist. Doch auch Knox, Hayes und Stones Freunde vom Camel Club sind auf dem Weg nach Divine, wo Knox und Stone längst ihr Todesurteil erwarten.
Mit dem vierten Band der „Camel Club“-Reihe schlägt David Baldacci von Beginn an ein hohes Tempo an, setzt er doch nahtlos an das furiose Finale von „Die Spieler“ an. Oliver Stone, der seit Jahren den Wechsel vom Jäger zum Gejagten vollzieht und sich überall, wo er incognito auftaucht, für Gerechtigkeit sorgen will, hat es einmal mehr mit Schwerstverbrechen auf höchster Regierungsebene zu tun, darf sich aber wieder auf seine treuen Freunde verlassen, die ihn aus der letztlich lebensbedrohlichen Situation befreien. Bis dahin bietet „Die Jäger“ Spannung und Action satt. Die Figuren sind vielleicht etwas eindimensional gezeichnet, sowohl die Guten als auch die Bösen, doch das tut dem Lesevergnügen absolut keinen Abbruch.
Lesen Sie im Buch: Baldacci, David - Die Jäger

Cormac McCarthy – „Kein Land für alte Männer“

Freitag, 20. Mai 2011

(Rowohlt, 284 S., HC)
Als sich Hobbyjäger Llewelyn Moss im vulkanischen Geröll der texanischen Wüste nach Antilopen Ausschau hält, entdeckt er durch sein Fernglas drei Pick-ups und Broncos auf dem Schwemmland, die darum verstreuten Männer schienen tot zu sein. Moss untersucht die Fahrzeuge, findet zunächst eine Wagenladung mit Drogen, dann neben all den Toten auch einen schwerverletzten Mann, der um Wasser bittet. Doch Moss geht der blutigen Spur eines weiteren Mannes nach, der es allerdings nicht weit geschafft hat. Moss nimmt aber den Koffer mit über zwei Millionen Dollar an sich und macht sich auf den Weg nach Hause, wo seine 19-jährige Frau Carla Jean auf sich wartet und er den Koffer versteckt.
Nachts kommt Moss auf die nicht so clevere Idee, dem Mann doch noch Wasser zu bringen, denn auf nun nehmen die schwer bewaffneten Männer, die um ihr Geld betrogen worden sind, Moss mit einem Kugelhagel in Empfang. Lew kann zwar entkommen, weiß aber, dass er sich von nun sein Leben lang auf der Flucht befinden wird, denn eins ist sicher: Die Gangster werden nicht eher Ruhe geben, bis sie ihr Geld zurück haben. Dabei ahnt Moss nicht einmal, dass ihm mit Chigurh ein stoischer Killer auf der Spur ist, der wahlweise mit seinem Bolzenschussgerät oder anderen schweren Waffen, die er seinen Gegnern abnimmt, alles ausmerzt, was seiner Mission im Wege stehen könnte. Allein der zuständige County-Sheriff Bell weiß, in welcher Gefahr sich Moss befindet, und will ihn finden, bevor Chigurh oder die Behörden Moss in die Zange nehmen.
Als Moss im Krankenhaus seine Wunden nach seiner ersten Begegnung mit Chigurh behandeln lässt, bekommt er Besuch von Wells, einem weiteren Killer, der Chigurh außer Gefecht setzen und das Geld wieder zurückbringen soll. Vergeblich versucht er Moss vor Augen zu führen, was Chigurh für ein Typ ist.
„Sie können keinen Deal mit ihm machen. Ich sage es Ihnen nochmal. Selbst wenn Sie ihm das Geld gäben, er würde sie trotzdem umbringen. Auf diesem Planeten lebt kein Mensch, der jemals auch nur ein unfreundliches Wort zu ihm gesagt hat. Sie sind alle tot. Das sind keine sehr sonnigen Aussichten. Er ist ein eigenartiger Mann. Man könnte sogar sagen, er hat Prinzipien. Prinzipien, die über Geld oder Drogen oder dergleichen hinausgehen.
Warum erzählen Sie mir überhaupt von ihm?
Sie haben nach ihm gefragt.
Und warum geben Sie mir Antwort?
Wahrscheinlich, weil ich glaube, dass es mir meinen Job erleichtern würde, wenn ich Sie dazu bringen könnte zu begreifen, in welcher Lage Sie sind. Ich weiß nichts über Sie. Aber ich weiß, dass Sie ihm nicht gewachsen sind. Sie glauben, Sie sind es. Aber Sie sind es nicht.“ (S. 141)
Tatsächlich sind weder Wells noch Lew dem gnadenlosen Killer gewachsen, der mit stoischer Beharrlichkeit seine Mission zu erfüllen gedenkt. Tatenlos muss der von seinen Vietnam-Erinnerungen noch immer mit schlechtem Gewissen geplagte Sheriff Bell verfolgen, wie Chigurgh seine Blutspur durch Texas zieht. Ihm ist ebenso klar wie jedem anderen Beteiligten, dass es für niemanden Erlösung gibt.
Der für sein apokalyptisches Road Movie in Romanform „Die Straße“ mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Autor Cormac McCarthy („All die schönen Pferde“) beschreibt in den von den Coen-Brüdern meisterhaft verfilmten Werk „Kein Land für alte Männer“, wie selbst die abgeschiedensten Wüstenregionen in Amerikas Süden von hässlicher Gewalt, Geldgier und Mordlust verdorben wird. Vor allem in den immer wieder eingeschobenen, von Selbstvorwürfen und Ratlosigkeit triefenden Gedanken-Monologen des Sheriffs wird deutlich, dass es kein Heilmittel gegen die durch den Menschen vorangetriebene Zerstörung gibt. So muss er als fassungsloser Beobachter hinnehmen, wie Unschuldige entweder per Gerichtsbeschluss oder durch die willkürliche Lust eines Killers dem Tode geweiht sind.
Cormac McCarthy kennt nur Punkt und Komma als Satzzeichen, Gänsefüßchen für wörtliche Rede sind ihm fremd. Insofern bedarf es einer gewissen Gewöhnung, sich mit seiner Sprache anzufreunden, aber die schnörkellosen, doch poetischen Beschreibungen dieser ans Groteske grenzenden Katz-und-Maus-Jagd, bei der es keine Gewinner gibt, fasziniert mit magischer Sogkraft.
Lesen Sie im Buch "Kein Land für alte Männer"

David Benioff – „Stadt der Diebe“

Dienstag, 17. Mai 2011

(Heyne, 384 S., Tb.)
Der siebzehnjährige Lew erlebt in Piter des Jahres 1942 eine Zeit großer Entbehrungen. Der vorher schon in Armut lebende Junge muss erleben, wie alles, was zu Kleinholz gemacht werden konnte, bereits in Ofen verfeuert wurde, sämtliche Haustiere und sogar Tauben waren geschlachtet. Als Teil des Feuerlöschtrupps verbringt der Junge viel Zeit auf dem Dach seines Wohnblocks, wo er eines Abends beobachtet, wie ein deutscher Soldat tot vom Himmel fällt. Doch gerade als Lew und seine Freunde den Toten seiner Habseligkeiten berauben, wird der kleine Trupp von Soldaten überrascht, die in der Regel kurzen Prozess mit Deserteuren und Plünderern machen. Weil Lew seiner angebeteten Vera bei der Flucht hilft, wird er selbst gefangen genommen und ins Kresty-Gefängnis in eine Zelle mit dem mutmaßlichen Deserteur Kolja gesperrt.
Die beiden jungen Männer erhalten vom Oberst eine Gnadenfrist: Wenn sie bis zum nächsten Donnerstag ein Dutzend Eier für die Hochzeitstorte seiner Tochter besorgen können, kommen sie mit dem Leben davon und erhalten ihre Freiheit zurück. Allerdings müssen sie bald feststellen, dass in Leningrad nirgendwo Eier aufzutreiben sind, weshalb Kolja vorschlägt, ins fünfzig Kilometer entfernte Mga zu gehen, das allerdings hinter den deutschen Linien liegt.
„Schlafen war vernünftiger, als nach Mga zu marschieren – wo die Deutschen zu Tausenden warteten – und nach Hühnern zu suchen. Alles war vernünftiger als das. Aber so vehement ich auch gegen diese absurde Idee protestierte, wusste ich doch von Anfang an, dass ich mitkommen würde. Kolja hatte recht: In Leningrad gab es keine Eier. Aber das war nicht der einzige Grund mitzukommen. Kolja war ein Aufschneider, ein Besserwisser, ein Juden schindender Kosak, aber sein Selbstbewusstsein war so absolut und ungetrübt, dass es schon nicht mehr wie Arroganz wirkte, sondern lediglich wie das Merkmal eines Mannes, der mit seinem heroischen Schicksal im Einklang war. So hatte ich mir meine Abenteuer nicht vorgestellt – ich wollte der Hauptdarsteller sein, nicht die Witzfigur am Rand -, doch die Realität scherte sich von Beginn an nicht um meine Wünsche, sondern gab mir einen Körper, der bestenfalls geeignet war, in einer Bibliothek Bücher zu sortieren, und träufelte mir so viel Angst in die Adern, dass ich mich nur im Treppenhaus zusammenkauern konnte, wenn es brenzlig wurde. Vielleicht würden meine Arme und Beine eines Tages kräftige Muskeln entwickeln und die Angst ablaufen wie schmutziges Badewasser. Ich wünschte, ich hätte daran geglaubt, doch das tat ich nicht. Ich war mit dem Pessimismus der Russen wie der Juden gestraft, zwei der schwermütigsten Völker der Welt. Aber auch wenn keine Größe in mir steckte, so hatte ich doch vielleicht das Talent, Größe in anderen zu erkennen, sogar in denen, die mich am meisten in Rage brachten.“ (S. 148 f.)
Der 1970 geborene Autor David Benioff ist ein begnadeter Autor. Bereits sein 2002 veröffentlichter Debütroman „25 Stunden“ wurde erfolgreich von Spike Lee verfilmt, und seither ist Benioffs Talent, filmreife Geschichten zu schreiben, in Hollywood gern angenommen. Er verfasste die Drehbücher zu Khaled Hosseinis Bestseller-Verfilmung „Der Drachenläufer“, zu Wolfgang Petersens „Troja“ und zu „X-Men Origins: Wolverine“, verfilmte sein Drehbuch zu „When The Nines Roll Over“ im Jahre 2006 sogar selbst. Mit „Stadt der Diebe“ hat Benioff, wie er im Vorwort schreibt, die eindrucksvolle Geschichte seines Vaters niedergeschrieben und sie auf seine eigene Art und Weise mit sehr lebendigen Charakteren ausgestattet, die in die unmöglichsten Situationen geraten. Bei allen Entbehrungen, die der Zweite Weltkrieg zum Ende hin für die Russen mit sich brachte, ist es Benioff gelungen, die Menschlichkeit, Warmherzigkeit und den Humor in seiner Geschichte hervorzuheben und so ein Meisterwerk zu schaffen, das man gar nicht mehr aus der Hand legen mag.
Lesen Sie im Buch: Benioff, David - Stadt der Diebe