David Baldacci – Camel Club: 1: „Die Wächter“

Sonntag, 27. November 2011

(Lübbe, 589 S., HC)
West-Point-Absolvent Reuben Rhodes war nach drei Dienstzeiten in Vietnam dem militärischen Geheímdienst zugeteilt worden, kehrte aber der militärischen Laufbahn bald den Rücken zu und wandte sich verschiedenen Protestbewegungen gegen den Krieg zu, bis er einen Job in einer Lagerfirma annahm. Caleb Shaw darf sich zweier Doktortitel in Politikwissenschaften und Literatur rühmen, arbeitet nun aber in der Raritätenabteilung der Kongressbibliothek. Milton Farb zeichnet sich durch eine geistige Brillanz aus, die ihm einen Job in der Forschung für die Nationale Gesundheitsbehörde eintrug, aber eine Zwangsstörung mit starken paranoiden Symptomen führte ihn in eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wo er Oliver Stone kennenlernte.
Einst diente Stone seinem Land als John Carr im Geheimdienst, wurde für tot erklärt und verbringt seine Tage nun als Friedhofswärter und campierte in einem Zelt vor dem Regierungskomplex in Washington, um dort mit Gleichgesinnten gegen die Verschleierungspolitik von Präsident Brennan und seinem Kabinett zu protestieren.
„Vor langer Zeit hatte er den Camel Club zu dem Zweck gegründet, den Mächtigen auf die Finger zu schauen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf deren Treiben zu lenken, sobald die Machtelite krumme Dinger drehte – und das kam öfters vor. Seitdem blieb Stone vor der 1600 Pennsylvania Street auf Posten, schrieb seine Beobachtungen auf, trat für Werte ein, die andere Leute anscheinend nicht mehr als wichtig erachteten – Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit zum Beispiel. Allmählich aber fragte er sich, ob der ganze Aufwand lohnte.“ (S. 69f.) 
Gemeinsam bilden die vier als selbsternannte Wächter über die kleinen und großen Skandale im Regierungsgeschäft den sogenannten „Camel Club“. Getreu dem Motto „Ich will die Wahrheit wissen“ analysieren sie das aktuelle Tagesgeschehen und nehmen sich vor, Geheimdienstzar Carter Gray zu stürzen, der als rechter Hand des Präsidenten in den Augen des Clubs zu viel Macht in seinen Händen hält. Als sie in der Nähe ihres geheimen Versammlungsortes zufällig Zeuge eines Mordes werden, kommen sie einem Komplott auf die Spur, bei dem der Präsident entführt und die Schuld den Syrern in die Schuhe geschoben wird, deren Hauptstadt Damaskus in Schutt und Asche gelegt werden soll. Stone und seinen Gefolgsleuten bleibt mit der Unterstützung von Secret-Service-Agent Alex Ford nicht viel Zeit, die Drahtzieher der Verschwörung zu identifizieren …
„Die Wächter“ bildet den interessanten Auftakt einer neuen Reihe des amerikanischen Thriller-Autors David Baldacchi („Der Präsident“), in der von der Gesellschaft und Regierung ausgesonderte Elite-Köpfe einen ambitionierten Club bilden, der sich nichts weniger auf die Fahnen geschrieben hat, als gegen Verfehlungen der Regierung und ihrer Apparate vorzugehen. Baldacci etabliert zwar sympathische Figuren, verleiht ihnen aber leider wenig Profil. Dieses Manko wird hoffentlich in den Folgebänden behoben. Die Story hat in sich, wirkt aber auch über die Maßen spektakulär und deshalb wenig glaubwürdig. Davon abgesehen, ist ihm der Plot extrem spannend gelungen, so dass man weiteren Bänden in der „Camel Club“-Reihe durchaus gespannt entgegensehen darf.

David Baldacci – „Die Verschwörung“

Dienstag, 15. November 2011

(Bastei Lübbe, 480 S., Tb.)
Ein längst vergessener Atomschutzbunker dient einer Gruppe von hohen Geheimdiensttieren als Besprechungsraum. Unter der Leitung des höchstdekorierten CIA-Veteranen Robert Thornhill steht diesmal die Eliminierung von Faith Lockhart auf der Tagesordnung, der Assistentin des prominenten Washingtoner Lobbyisten Danny Buchanan.
Während Thornhill nämlich versucht, über die Erpressung Buchanans eine Gesetzesvorlage im Kongress durchzubringen, mit der die CIA größtmögliche Macht zurückgewinnt, will Lockhart beim FBI über die Praktiken ihres Chefs auspacken. Doch das geplante Attentat schlägt fehl, als der von Buchanan engagierte Privatdetektiv Lee Adams Lockhart retten kann, während stattdessen der ihr zum Schutz abgestellte FBI-Mann sich die Kugel einfängt. Von nun an befinden sich Lockhart und Adams sowohl vor der CIA als auch dem FBI auf der Flucht …
Schon die Ausgangssituation des bereits 1999 von David Baldacci veröffentlichten Thrillers „Die Verschwörung“ mutet verwirrend an und bleibt es über weite Strecken auch. Baldaccis Stärke liegt hier in der komplexen Inszenierung einer grandiosen Verschwörung innerhalb höchster Geheimdienstkreise, der sich ein zufällig zusammengewürfeltes Paar erwehren muss. Die Handlung ist dabei nicht immer einfach zu verstehen oder logisch nachzuvollziehen, dafür sind Baldacci seine Figuren wie immer sehr lebendig gelungen, die beiden Protagonisten dabei auch so sympathisch, dass man sie von Beginn an ins Herz schließt und hofft, dass sie irgendwie den Schlamassel, in den sie da geraten sind, überstehen. Bis dahin sind allerdings einige Längen zu überbrücken, aber diese kleine Schwäche hat der amerikanische Bestsellerautor in seinen späteren Werken souverän beheben können.

Walter Moers – „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“

Sonntag, 30. Oktober 2011

(Knaus, 432 S., HC)
Nachdem Walter Moers durch seine oft politisch unkorrekten Comics um das „Kleine Arschloch“ und „Adolf“ bereits zur Kultfigur avancierte, überraschte er 1999 mit seinem ersten Roman „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“, der nur wenig mit der aus der „Sendung mit der Maus“ bekannten Figur gemeinsam hatte, dafür dem Leser die wunderbare Welt Zamoniens vorstellte. Seither hat er mit Werken wie „Rumo & die Wunder im Dunkeln“ und „Die Stadt der Träumenden Bücher“ gefeierte Meisterwerke der Fantasy-Literatur veröffentlicht, die er selbst liebevoll und reichhaltig illustrierte. An letztgenanntes Werk schließt auch „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ an.
Hildegunst von Mythenmetz suhlt sich im Licht seines literarischen Ruhms, vernachlässigt aber seine künstlerische Mission. Zweihundert Jahre nach der Feuersbrunst, die der Schattenkönig ausgelöst und damit Buchhaim, die Stadt der Träumenden Bücher, vernichtet hat, führt ein geheimnisvoller Brief mit den vertrauten Worten „Hier fängt die Geschichte an“ zurück nach Buchhaim, wo Mythenmetz eine völlig veränderte Stadt vorfindet. Lebende historische Zeitungen bringen Mythenmetz die Ereignisse der vergangenen Jahre ins Bewusstsein, er begegnet seinem Schriftstellerkollegen Ovidios, der ihm erklärt, warum Buchhaim wieder so ein blühendes Zentrum des Buchhandels geworden ist.
„Der letzte Brand von Buchhaim verursachte keinen Exodus, sondern eine Zuwanderung, wie sie die Stadt noch nie erlebt hatte. Abenteurer, Buchverrückte, Dichter und Möchtegern-Dichter, Verleger ohne Verlag, Lektoren ohne Anstellung, Übersetzer ohne Auftrag, Drucker, Leimsieder, Maurer, Buchbinder, Dachdecker, Buchhändler, kurz: Kopfarbeiter und Handwerker aller Art wurden von der halbzerstörten, frisch erblühenden Stadt magnetisch angezogen. Nirgendwo sonst konnte man so fundamental neu anfangen wie in Buchhaim. Egal, ob mit der Schreibfeder oder mit der Mörtelkelle. Nur in dieser wahnsinnigen Stadt konnte man an einer kollektiven Wiedergeburt teilhaben. Und nirgendwo sonst konnte man, wenn einem das Glück hold war, so verdammt reich werden.“ (S. 106)
Mittlerweile wird die Stadt der Träumenden Bücher von so skurrilen Spezialisten wie den Biblionisten, Bibliodromen, Bibionären, Biblioklasten, Bibliogeten, Bibliodonten, Bibliophanten, Bibliophagen etc. bevölkert, wie Mythenmetz von Ovidios erfährt, doch die eigentliche Attraktion verbirgt sich im Puppetismus. Mythenmetz‘ alte Vertraute, die Schreckse Inazea Anazazi, führt ihn in die mannigfaltigen Spielarten einer Kunst ein, deren höchste Vervollkommnung das „Unsichtbare Theater“ zu sein scheint. Um es zu erleben, wird Mythenmetz allerdings gezwungen, in die gefürchteten Katakomben Buchhaims zurückzukehren …
Es braucht nur wenige Worte, bis der geneigte Leser ganz in die wunderbare Zamonien-Welt eingetaucht ist, die Walter Moers mit seinen bisherigen Romanen so eindrucksvoll geschaffen hat. Mit sichtlicher Fabulierfreude, unzähligen liebevollen Illustrationen und allerlei aufwändigen grafischen Spielereien, die das mit Worten Geschilderte sogleich lebendig werden lassen, ohne die Phantasie des Lesers zu bemühen, lässt Moers seinen erfolgsverwöhnten, doch längst vom Orm verlassenen Helden die Veränderungen erleben, die Buchhaim seit seinem Abschied vor zweihundert Jahren durchgemacht hat. Allerdings wird so viel beschrieben und erklärt, dass die Handlung viel zu kurz kommt und ein spannender Erzählfluss erst entsteht, als sich „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ dem Ende nähert. Dann, im Nachwort des „Übersetzers“, als der Walter Moers für die Erlebnisse seines Protagonisten fungiert, erfahren wir, dass aus dem einen geplanten Werk nun zwei werden. Wollen wir also hoffen, dass sich in der Fortsetzung die Handlung etwas straffer entwickelt als in diesem sicher lesenswerten, über lange Strecken allerdings etwas ermüdenden Roman.
Lesen Sie im Buch: Walter Moers – „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“

Richard Laymon: „Der Wald“

Sonntag, 9. Oktober 2011

(Heyne, 432 S., Tb.)
Karen ist recht aufgeregt, das erste Mal mit ihrem neuen Freund Scott O‘Toole, seinen Kindern Julie und Benny sowie der mit ihm befreundeten Familie Gordon eine Woche in den Bergen zu campen. Flash hat mit Scott in Vietnam gedient und wird immer wieder an die dramatischen Ereignisse dort erinnert. Zusammen mit seiner Frau Merle und den Kindern Nick, Heather und Rose will er in den Bergen ebenso wie die O’Tooles einfach eine unbeschwerte Zeit erleben.
Vor allem Karen und Scott genießen das prickelnde Gefühl, ihren ersten gemeinsamen Urlaub in der unberührt erscheinenden Natur zu verbringen und sich für ihr „erstes Mal“ aus ihren jeweiligen Zelten zu schleichen. Doch auch die beiden Teenager Nick und Julie finden Gefallen aneinander und erfreuen sich an ihren ersten sexuellen Erfahrungen.
„Seine Hüfte lag schwer auf ihrem Geschlecht. Keuchend reib sie sich daran. Eine Brust lag unter seinem Oberkörper, während er die andere massierte und den aufgerichteten Nippel streichelte. Stöhnend wand sie sich vor Verlangen und drückte Nicks Gesicht weg. Sie führte seinen Kopf tiefer. Er küsste die Brustwarzen. Er leckte sie. Er nahm sie in den Mund. Er saugte daran, und Julie wimmerte. Er hob besorgt den Kopf, aber sie drückte ihn hinunter und hielt ihn dort. Er saugte fester. Es tat weh, doch zugleich wurde Julie von Wellen der Lust überspült.“ (S. 343) 
Doch die erotischen Freuden erhalten einen empfindlichen Dämpfer, als die Camping-Gruppe von zwei Wilden überfallen wird. Nachdem Karen vergewaltigt worden ist, erschlägt Nick den Täter mit einem Beil, doch die Leiche verschwindet auf ominöse Weise. Als die meisten Camper mit unerklärlichen Schnittwunden den Urlaub abbrechen, glaubt vor allem Nick an einen Voodoo-Fluch, der von der Mutter des toten Jungen über sie gebracht wurde, und tatsächlich stoßen ihnen daheim seltsame Unfälle zu …
Richard Laymon hat es sich während seiner höchst erfolgreichen, durch seinen plötzlichen Tod im Jahre 2001 leider viel zu früh beendeten Karriere zur Aufgabe gemacht, vertraute Themen der Horror-Literatur mit neuen Aspekten zu versehen, wofür vor allem „Der Ripper“ und „Die Insel“ großartige Beispiele darstellen.
In dem 1987 verfassten „Der Wald“ kombiniert Laymon das beliebte Wilde-fallen-im-Wald-über-ahnungslose-Camper-her-Motiv mit Elementen aus der Voodoo-Kultur und ergötzt sich – wie obiges Zitat verdeutlicht – an lustvollen Beschreibungen sexueller Vergnügungen, die schon etwas pubertäres Voyeuristisches an sich haben. Aber wie für alle Laymon-Romane gilt auch hier, dass die Geschichte von lebendigen Dialogen und authentischen Normalbürgern geprägt wird, die in lebensbedrohliche Ausnahmesituationen geraten. Das ist einfach souverän geschriebene Horror-Literatur mit viel Sex und Action!
Lesen Sie im Buch: Richard Laymon – „Der Wald“

Claudie Gallay – „Die Brandungswelle“

Donnerstag, 29. September 2011

(btb, 558 S., HC)
Eine ehemalige Biologiedozentin an der Universität von Avignon hat sich nach dem Tod ihres Mannes zwei Jahre lang beurlauben lassen und arbeitet nun seit einem halben Jahr für das Ornithologische Zentrum von Caen. In La Hague, im Nordwesten der Normandie, zählt sie Vögel, ihre Nester und Eier, sucht Gründe für den Rückgang der Zugvögel in der Gegend. Sie liebt die Monotonie der Arbeit, die karge Natur am Ende der Welt, die Leere ihres Seelenlebens.
Doch kurz bevor ein mächtiger Sturm das kleine Fischerdorf heimsucht, taucht Lambert auf, ein geheimnisvoller Mann, der vor vierzig Jahren seine Eltern und seinen jüngeren Bruder bei einem Bootsunglück verloren hat. Er ist zurückgekommen, um das Unglück von damals aufzuklären. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Théo zu, dem ehemaligen Leuchtturmwärter, der damals offensichtlich das Leuchtfeuer ausschaltete und damit den Tod von Lamberts Familie verschuldet haben könnte. Die Ornithologin ist fasziniert von dem Fremden, der kein wirklich Fremder ist, aber immer wieder gibt sie sich den Erinnerungen an ihren geliebten Mann hin, dessen Tod auch sie in gewisser Weise sterben ließ.
„Diese Gegend war dir ähnlich. Mich davon abzuwenden, hätte bedeutet, dich nochmal zu verlieren. Ich war wie besessen von deinem Körper gewesen. Ich kannte seine Umrisse, seine Unvollkommenheiten. Ich kannte seine ganze Kraft. Jeden Abend ließ ich dein Gesicht, die Bilder, die ganze Geschichte in einer Endlosschleife vor mir ablaufen. Dein Lächeln. Deine Lippen. Deine Augen. Deine Hände. Deine verfluchten Hände, viel größer als meine.“ (S. 111f.) 
Gallay gelingt es, die Verschrobenheiten ihrer Figuren in einer sehr poetischen, klaren Sprache zu schildern und sie so sehr plastisch dem Leser vor Augen zu führen. Es sind eigensinnige, zuweilen exzentrische Leute, mit denen es die Ich-Erzählerin zu tun hat, die alle ihre Bürden zu tragen haben – wie sie selbst, der Künstler, der auf einmal durch einen Fachartikel berühmt zu werden scheint; die Tochter, die ihren verhassten Vater pflegt, und dann taucht ein Foto auf, das all die sicher geglaubten Dinge in ein neues Licht rückt. Die französische Autorin lässt ihre Figuren in Worten sprechen, wie man sie sonst weniger hört. Aber die Skurrilität der Gespräche fügt sich nahtlos in das ohnehin sonderbare Ambiente der Handlung, Orte und verborgenen Geheimnisse ein, dass es eine Freude ist, die Puzzleteile am Ende wieder zusammengefügt zu wissen.
Leseprobe "Die Brandungswelle"

John Grisham – „Das Geständnis“

Montag, 19. September 2011

(Heyne, 527 S., HC)
Reverend Keith Schroeder staunt nicht schlecht, als eines Tages ein Mann namens Travis Boyette in sein Gemeindebüro kommt und ein ungewöhnliches Geständnis ablegt: Mit einem taubengroßen Tumor im Kopf habe er nicht mehr lange zu leben und sehne sich danach, sein Gewissen zu erleichtern. Was sich der Reverend schließlich anhören muss, ist die detaillierte Schilderung der Entführung, Vergewaltigung und Ermordung der siebzehnjährigen Nicole Barber, für die Boyette zu seinem eigenen Erstaunen nie belangt worden ist.
Obwohl die Leiche des Mädchens nie gefunden wurde, muss der schwarze Donté Drumm seit acht Jahren in der Todeszelle auf die Vollstreckung eines Urteils warten, das auf einem offenbar erzwungenen Geständnis und einer ebenso offensichtlichen Falschaussage eines Zeugen beruht. Obwohl er sich schuldig macht, bei dem Verstoß von Boyettes Bewährungsauflagen zu helfen, macht sich Schroeder nach der Überprüfung einiger seiner Angaben mit Boyette auf die Reise von Kansas nach Texas, wo Drumm in vier Tagen hingerichtet werden soll. Außer Drumms Familie und seinem engagierten Anwalt Robbie Flak ist allerdings niemand interessiert daran, Boyettes Geschichte zu überprüfen, schon gar nicht die Justiz, die den Verurteilten wie geplant hingerichtet sehen will. Selbst Dontés Schwester Andrea ist bei der perfiden Aufführung der Strafverfolger zu der Überzeugung gelangt, dass Donté schuldig sei.
„Wir saßen in diesem großen Gerichtssaal und sahen die neun Richter an, alle weiß und alle so furchtbar wichtig in ihren schwarzen Roben, mit ihrer ernsten Miene und ihrem Getue. Auf der anderen Seite Nicoles Familie und ihre großspurige Mutter, die sich viel zu wichtig nahm. Und dann stand Robbie auf und brachte unseren Fall vor. Er war großartig. Er ging den Prozess noch einmal durch und machte darauf aufmerksam, dass das Beweismaterial äußerst dürftig war. Er machte sich über den Staatsanwalt und den Richter lustig. Er hatte vor nichts Angst. Und er war der Erste, der darauf hinwies, dass die Polizei nichts von dem anonymen Anrufer gesagt hatte, der behauptet hatte, Donté sei es gewesen. Das hat mich schockiert. Wie konnten die Polizei und der Staatsanwalt es wagen, Beweise zurückzuhalten? Das Gericht störte sich nicht im Geringsten daran. Ich weiß noch, wie ich Robbie dabei beobachtete, wie er so voller Leidenschaft für Donté eintrat, und irgendwann wurde mir klar, dass er, der Weiße aus dem reichen Teil der Stadt, nicht den geringsten Zweifel daran hatte, dass mein Bruder unschuldig war. Und in diesem Moment glaubte ich ihm. Ich schämte mich so dafür, dass ich an Donté gezweifelt hatte.“ (S. 223)
Was folgt, ist ein packender Wettlauf gegen die Zeit, bei dem Dontés Anwalt einen Antrag nach dem nächsten bei allen möglichen zuständigen Stellen einreicht und Dontés Freund Joey Gamble zur Rücknahme seiner fatalen Falschaussage bewegen will, während der Gouverneur nicht daran denkt, einen Aufschub des Strafvollzugs zu gewähren und die Justiz sich damit begnügt, sich einzureden, alles richtig gemacht zu haben.
Für „Das Geständnis“ hat sich Bestseller-Autor John Grisham ein extrem heikles Thema ausgesucht, das auch die Befürworter der Todesstrafe arg ins Grübeln bringen dürfte. Mit messerscharfer Präzision und in schnörkelloser Sprache schildert Grisham einen Justizskandal von tragischer Reichweite und demontiert das US-amerikanische Justizsystem, entlarvt deren Amtsinhaber als machtbesessen, uneinsichtig und selbstgerecht. Grisham-Freunde und Thriller-Fans kommen dabei voll auf ihre Kosten!
Lesen Sie im Buch: John Grisham – „Das Geständnis“

David Baldacci - "Der Abgrund"

Dienstag, 23. August 2011

(Bastei Lübbe, 639 S., Tb.)
Der Name David Baldacci ist immer noch eng mit seinem ersten Bestseller „Der Präsident“ verknüpft, der von und mit Clint Eastwood erfolgreich als „Absolute Power“ verfilmt worden ist. Seither hat sich der amerikanische Bestseller-Autor als sicherer Garant für spannende, oft actionreiche Thriller erwiesen, die teilweise sogar Teil großartiger Reihen wurden. Mit dem 2001 (in Deutschland 2003) veröffentlichten Thriller „Der Abgrund“ nimmt David Baldacci das grandiose Scheitern einer groß angelegten FBI-Aktion zum Ausgangspunkt für eine komplexe Geschichte, in der der hochdekorierte Agent Web London mit seinem Team die mutmaßliche Finanzverwaltung eines Drogenkonzerns hochgehen lassen will.
Doch das achtköpfige Team gerät in einen Hinterhalt. Dass Web plötzlich in bewegungslose Starre verfällt, rettet ihm zwar als einzigen das Leben, doch dafür wird er von seinen Kollegen als Feigling gebrandmarkt und von den Witwen seiner getöteten Gefährten geächtet. Einzig ein schwarzer Junge, der Web am Tatort ein merkwürdiges „Donnerhall“ entgegenraunte, könnte Licht in das FBI-Desaster bringen, doch scheint er wie vom Erdboden verschluckt. Um der Medienhetze zu entgehen, muss Web untertauchen und auf eigene Faust ermitteln. Dabei stößt er auf eine Reihe von aktuellen Todesfällen, die sowohl mit der jüngsten FBI-Katastrophe in Zusammenhang stehen könnten als auch mit dem Massaker an der Schule in Richmond, bei dem Web fast selbst dran glauben musste.
„‘Zwei Leute, am gleichen Tag. Einmal Louis Leadbetter; er war der Richter in Richmond, der die ‚Freie Gesellschaft‘ verurteilt hat. Er wurde erschossen. Und Fred Watkins war bei diesem Prozess der Vertreter der Anklage. Sein Haus ist explodiert, als er gerade hineingehen wollte. Und dann das Charlie-Team. Wir waren die Einsatztruppe, die auf Anforderung des Richmond Field Office geschickt wurde. Ich habe zwei von Frees Leuten getötet, bevor mein Gesicht getoastet und ich von zwei Kugeln durchlöchert wurde. Und dann wäre da noch Ernest B. Free höchstpersönlich. Aus dem Gefängnis getürmt.‘“ (S. 251 f. in der Weltbild-Lizenzausgabe von 2011) 
Web sucht mit seinem Kollegen Paul Romano die Ranch von Bill Canfield auf, dessen Junge damals in der Schule umkam und mit dem der entflohene Free vielleicht noch eine Rechnung offen haben könnte …
David Baldacci erweist sich einmal mehr als Meister der explosiven Spannung, die viel Action und haufenweise Intrigen bereithält. Obwohl über 600 Seiten stark, hält sich „Der Abgrund“ nicht mit einer langen Einleitung auf, sondern katapultiert den Leser gleich ins dramatische Geschehen, bei dem Web London auf einen Schlag seine ganze Truppe verliert. Doch Web London hat nicht nur die Hintergründe der fürchterlich gescheiterten Mission aufzuklären, sondern mit der Psychiaterin Claire Daniels auch seine eigene dunkle Vergangenheit aufzuarbeiten. In einem furiosen Finale werden so einige knifflige Knoten gelöst und Widersacher von Webs HRT-Team ins Leichenschauhaus befördert.