Jim Thompson – „In die finstere Nacht“

Montag, 23. Juli 2012

(Heyne, 272 S., Tb.)
Als sich der kleinwüchsige und unscheinbare Carl Bigelow in der Pension von Jake Winroy einquartiert, ahnt niemand in dem beschaulichen Peardale bei Chicago, dass sich hinter dem kleinen Neuankömmling der berüchtigte Auftragskiller Charlie Bigger verbirgt, der nur aus einem Grund in dem unbedeutenden Kaff abgestiegen ist, nämlich Jake Winroy so umzubringen, dass es wie ein Unfall aussieht, damit dieser nicht als Kronzeuge in einem Prozess gegen illegale Wettgeschäfte aussagen kann.
Zur Tarnung schreibt sich der tödlich an Lungenkrebs erkrankte Bigelow am örtlichen Kolleg ein und nimmt einen Job in der Bäckerei an, wo er von dem fürsorglichen Mr. Kendall angelernt und betreut wird. Um noch näher an sein Opfer zu kommen, beginnt er nicht nur mit Fay Winroy eine Affäre, sondern auch mit der verkrüppelten Haushaltshilfe Ruthie.
„Aus den Augenwinkeln sah ich, dass ich, was ihre linke Hand anging, recht gehabt hatte. Die Finger waren verkrümmt gespreizt. Sie konnte die Hand nicht richtig benutzen und versuchte, es vor mir zu verbergen. Doch selbst damit und mit ihrem Bein – was immer dem fehlte – hatte sie immer noch eine Menge zu bieten. Die harte Arbeit und das tiefe Atmen hatten ihr zwei Brüste beschert, die einen armen Mann in den Beichtstuhl treiben konnten. Und das Herumgehüpfe mit der Krücke hatte ihrem Hintern kein bisschen geschadet. Wenn man ihn isoliert betrachtete, konnte man meinen, er gehöre einem Shetland-Pony. Damit meine ich aber nicht, dass er ausladend war, sondern nur die Art, wie beweglich er an íhr dranhing, hinter dem flachen Bäuchlein und unter den schmalen Hüften. Es war, als solle er sie für all die anderen Gebrechen entschädigen.“ (S. 48) 
Doch die beiden Affären und die manchmal etwas undurchsichtigen Beziehungen zu seinen Mitmenschen machen es für Bigelow nicht einfacher, seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Als Fay ihm schließlich eröffnet, dass ihr Mann doch zu seinem eigenen Schutz ins Gefängnis will, wird die Zeit knapp, und die Dinge drohen aus dem Ruder zu laufen …
Der Glücksspieler, Sprengstoffexperte, Ölarbeiter, Alkoholschmuggler und Schriftsteller Jim Thompson (1907-1977) gehört mit seinem erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Werk „In die finstere Nacht“ nicht unbedingt in die Heyne-Hardcore-Kategorie, doch der atmosphärische Noir-Klassiker fasziniert mit interessanten Figuren, starken Dialogen und unerwarteten Wendungen. Kein Wunder, dass Thompson Stephen Kings „liebster Krimiautor“ ist.
Lesen Sie im Buch: Jim Thompson – „In die finstere Nacht“

Brett McBean – „Die Mutter“

Donnerstag, 19. Juli 2012

(Heyne, 368 S., Tb.)
Es ist der Albtraum aller Eltern, dass ihre Kinder bei einem Fremden ins Auto steigen und nicht mehr nach Hause kommen. Diese „Urangst“ hat der australische Autor Brett McBean in einen kompromisslosen wie verstörenden Thriller verarbeitet. Die gerade volljährig gewordene Rebecca will endlich ihren Vater kennenlernen, von dem ihre Mutter nie mehr preisgegeben hat, als dass er nach Übersee gezogen sei. Dass Burt ihre Mutter stets volltrunken verprügelte und sie deshalb eines Tages hochschwanger nach einem Krankenhausaufenthalt das Weite suchte, hat sie Rebecca stets verschwiegen.
Entsprechend groß ist der Schock, als die Mutter eines Morgens nach einem Streit mit ihrer Tochter einen Zettel vorfindet, dass Rebecca ihren Vater, den sie in Sydney aufgespürt hat, besuchen wolle. Doch dort kommt sie nie an. Von dem Täter hat die Mutter nur eine Spur. Bei einem Anruf von unterwegs teilte Rebecca ihr mit, dass der Fremde ein Tattoo auf dem linken Arm habe: „Stirb Mutter“. Nun ist die Mutter seit fünf Monaten auf den Highways zwischen Melbourne und Sydney unterwegs, um den Mann zu finden, der ihr ihre geliebte Tochter entrissen hat.
„Ich denke oft daran, was sie wohl in ihren letzten Stunden durchlebt hat. Ich kann nichts dagegen tun. In mancher Hinsicht fühle ich mich ihr dadurch näher. Ich stelle mir vor, wie der Mann sie mitgenommen hat, was er gesagt hat, damit sie zu ihm ins Auto steigt, worüber sie unterwegs gesprochen haben. Ich frage mich, wann Rebecca zum ersten Mal bewusst wurde, zu wem sie da ins Auto gestiegen war. Woran dachte sie, als sie sich wehrte und versuchte, zu entkommen? Hat sie an mich gedacht oder hatte sie so entsetzliche Angst, dass sie an überhaupt nichts denken konnte? Ich denke an den Mann und was er mit ihr gemacht hat, nicht nur, als er sie getötet hat, auch hinterher, und dann verschwinden all meine Gedanken ans Aufgeben. Ich will ihn finden, ich muss ihn finden …“ (S. 179f.) 
Mit der für eine verzweifelte Mutter unerschütterlichen Hingabe bis zur Selbstaufgabe macht sie sich auf die oft schmerzvolle Suche nach dem Mörder ihrer Tochter. Sie steigt nur zu Männern ins Auto und wird so natürlich leicht zur Beute, doch all die Schändungen lässt sie geradezu stoisch über sich ergehen. Manchmal scheint sie sich mit den Fahrern anzufreunden, doch verschwindet sie bei erstbester Gelegenheit, sobald sie Gewissheit darüber hat, dass der Täter ein anderer sein muss.
Brett McBean versteht es, in den jeweils meist recht kurzen Episoden, in denen die Mutter jemand Neuen aufgetan hat, den sie zu überprüfen gedenkt, die Figuren so plastisch darzustellen, dass man sich stets wünscht, länger bei ihnen verweilen zu dürfen. Die Begegnungen mit den Männern fallen oft extrem drastisch aus, so dass sich „Die Mutter“ das Prädikat „Heyne Hardcore“ vollauf verdient. Die episodenhafte Erzählweise des Romans entspricht natürlich dem Lebenswandel der Hauptperson, für den Leser reduziert sie allerdings das Vergnügen um einen kohärenten Spannungsaufbau. Von dieser Schwäche abgesehen, bietet „Die Mutter“ aber kurzweiligen Thrill mit starken Figuren und einem unkonventionellen Finale.
Lesen Sie im Buch: Brett McBean – „Die Mutter“

Michael Connelly – (Mickey Haller: 3) „Die Spur der toten Mädchen“

Samstag, 7. Juli 2012

(Knaur, 493 S., Tb.)
Neben der Alex-Cross-Reihe von James Pattersson zählen die Harry-Bosch-Romane von Michael Connelly zu den beliebtesten Krimi-Romanserien. Nach dem Wechsel der Reihe vom Heyne-Verlag zu Knaur fiel der Auftakt mit „Neun Drachen“ noch nicht so überzeugend aus, aber mit seinem neuen Werk kehrt der amerikanische Bestseller-Autor wieder zu alter Stärke zurück.
Allerdings steht in „Spur der toten Mädchen“ nicht der Ermittler Harry Bosch im Vordergrund, sondern wieder Strafverteidiger Mickey Haller, den Connelly mit seinem Roman „Der Mandant“ einführte und der zugleich als Ich-Erzähler fungiert. Haller staunt nicht schlecht, als er mit Gabriel Williams, dem Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles, zum Mittagessen ins feine Water-Grill-Restaurant eingeladen wird und dort ein interessantes Angebot erhält: Haller soll als Sonderankläger für die Staatsanwaltschaft den Fall Jason Jessup neu aufrollen. Jessup war vor über zwanzig Jahren verurteilt worden, ein zwölfjähriges Mädchen entführt und ermordet zu haben. Doch die Spermaspuren auf dem Kleid des Opfers, die zur Verurteilung führten, stammten nicht von Jessup, wie eine DNA-Analyse später ergab, so dass der Oberste Gerichtshof des Staates Kalifornien das Urteil schließlich vor einer Woche revidierte. Nun blieben der Staatsanwaltschaft sechzig Tage, ein neues Verfahren gegen Jessup anzustrengen oder den Inhaftierten auf freien Fuß zu setzen. Zusammen mit seiner Ex-Frau Maggie McPherson als Anklagevertreterin und Harry Bosch als Ermittler macht sich Haller auf die Suche nach Zeugen von damals. Bosch hängt sich derweil an die Fersen des vorläufig auf freien Fuß gesetzten Jessup und beobachtet, dass dieser nachts immer wieder Parks am Mulholland Drive aufsucht und dort meditiert.
„Bosch spürte, wie sich eine tiefe Entschlossenheit seiner bemächtigte. Eine Entschlossenheit, die mit der wachsenden Gewissheit einherging, dass es sich bei diesem Mord nicht um einen Einzelfall handelte. Wenn Wallings Theorie richtig war – und er hatte keinen Grund, daran zu zweifeln -, war Jessup ein Wiederholungstäter. Und nachdem er vierundzwanzig Jahre auf Eis gelegt worden war, konnte er sich jetzt wieder frei in der Stadt bewegen. Es würde nicht lange dauern, bis er wieder den finsteren Zwängen nachgab, die ihn schon damals zu seinen tödlichen Taten getrieben hatten. Bosch fasste einen raschen Entschluss. Wenn Jessup unter Stress geriet und der Zwang zu töten ihn das nächste Mal überkam, wäre er zur Stelle, um dem Mann das Handwerk zu legen.“ (S. 196) 
Es erweist sich jedoch alles andere als einfach, die zwölf Geschworenen vollkommen von der Schuld des Angeklagten zu überzeugen. Die Hauptzeugin der Anklage, Sarah Geason, die Jessup unzweifelhaft als Täter identifizieren will, hat nämlich eine bewegte Drogen- und Sanatoriums-Vergangenheit hinter sich. „Spur der toten Mädchen“ erweist sich als spannungsreicher Gerichtsthriller, bei dem die Figuren zwar wieder einmal etwas blass bleiben, doch wird dieses Manko durch den spektakulären Fall in den Schatten gestellt. Connelly, der 1992 mit „Schwarzes Echo“ seinen Harry-Bosch-Siegeszug begonnen hatte, versteht es als ehemaliger Gerichtsreporter souverän, seine Leser mit einem packenden, stets authentisch wirkenden Plot zu fesseln, der keine Längen kennt und auf ein Finale zusteuert, das allerdings so manchen Leser etwas unbefriedigt zurücklassen könnte. 

Peter Straub – „Okkult“

Samstag, 23. Juni 2012

(Heyne, 559. S., Tb.)
Ein Zwischenfall im Frühstückscafé löst ein Déjà-vu bei dem erfolgreichen Schriftsteller Lee Harwell aus. Das unangemessene Verhalten eines Kunden und später die Erwähnung von Nathaniel Hawthorne im Radio erinnert den Autor an einen Jungen namens Howard „Hootie“ Bly, der die Fähigkeit besaß, sich alles zu merken, was er las, und dieser Junge zitierte oft lange Absätze aus Hawthornes „Der scharlachrate Buchstabe“. Mittlerweile hat Hootie über vier Jahrzehnte in einer Nervenheilanstalt verbracht.
Er wurde wie viele andere aus Harwells Clique Opfer des umherziehenden Gurus Spencer Mallon, u.a. auch Harwells Frau Lee Truax. Bei einer Zeremonie auf der Wiese ist ein Junge regelrecht zerfleischt worden, alle anderen Beteiligten haben ihre Narben davongetragen, ohne etwas darüber verlauten zu lassen, was in dieser unglückseligen Nacht des 16. Oktober 1966 geschehen ist.
„Da waren sie also, meine Frau und meine ehemaligen Freunde, immer noch in ihrem Bannkreis, und hier war ich, draußen und nach all den Jahrzehnten, die inzwischen vergangen waren, immer noch verwirrt durch das, was ihnen zugestoßen war. Eine vertraute Stimme im Radio hatte mich auf Hawthorne gebracht und mich von Hawthorne zu Hootie Bly geführt, der immer noch in dieser verdammten Nervenklinik begraben war. Wegen Hootie war alles andere über mich hereingebrochen. Der magere Jagdhund, der durch den Schnee hetzt, der abblätternde Lack auf unseren Schlitten, das ganze Stadtbild der Westside von Madison, ein Glas Wasser, das wie der Inbegriff von allem schimmerte, was für den Verstand nicht fassbar war, von allem, was sich einer Definition entzog … Die Gesichter jener, die meine engsten Freunde gewesen waren und keine Geheimnisse vor mir gehabt hatten – bis zu dem Moment, als ich mich weigerte, ihnen zu folgen und mich der Jüngerschar anzuschließen: Ihre schönen Gesichter standen in leuchtenden Farben vor meinen Augen. Die Hälfte ihres Strahlenglanzes machte das aus, was wir einander bedeutet hatten, und die andere Hälfte entsprang genau dem, was ich nie gewusst und nie verstanden hatte.“ (S. 66 f.) 
Lee Harwell macht sich daran, die Geschehnisse von damals in einem Buch aufzuarbeiten und die Beteiligten an der Zeremonie diesbezüglich zu befragen. Dabei stößt er auch auf die Memoiren des Polizeibeamten Dave Cooper, der erfolglos versucht hat, den berüchtigten „Ladykiller“ zu fassen … Peter Straub hat mit Werken wie „Geisterstunde“ und „Schattenland“ Meisterwerke der Horror-Literatur geschaffen und mit seinem Freund Stephen King die beiden epischen Romane „Der Talisman“ und „Das schwarze Haus“ veröffentlicht. Mit seinem neuen Werk „Okkult“, das im Original viel passender und weniger reißerisch „A Dark Matter“ betitelt ist, greift er ein auch von Stephen King beliebtes Thema auf, nämlich die Suche eines Schriftstellers nach dem Stoff für einen neuen Roman. Das Setting hat Straub geschickt konstruiert: Der Autor möchte ein mysteriöses Erlebnis aufarbeiten, bei dem alle seine Freunde und sogar seine jetzige Ehefrau anwesend gewesen waren, nicht aber er selbst. Indem er die Beteiligten aufsucht und sich ihre Version der Geschichte erzählen lässt, fügen sich die Einzelteile wie bei einem Puzzle zusammen, bis die ganze Dramatik und Ungeheuerlichkeit der Ereignisse natürlich erst am Schluss zum Tragen kommt, wenn Harwells Frau ihre Version zum Besten gibt.
Die Figuren hat Straub sehr glaubwürdig und liebenswert auf der einen Seite gezeichnet, wenn es um seine Freunde geht, hassenswert auf der anderen, wenn Mallon und andere dämonenhafte Typen ins Spiel kommen. Die dadurch entstehenden Gegensätze machen die Faszination von „Okkult“ aus, und Peter Straub ist ein glänzender Schriftsteller, der die Atmosphäre der Ereignisse wunderbar einzufangen versteht. So wird eine Spannung aufgebaut, die der Leser im Gleichschritt mit Lee Harwell erlebt, und sie entlädt sich in einem furiosen, sprachlich virtuos inszenierten Finale.
Lesen Sie im Buch: Peter Straub –„ Okkult“
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Linwood Barclay – „Weil ich euch liebte“

Sonntag, 27. Mai 2012

(Knaur, 527 S., Tb.)
Weil seine Baufirma nicht mehr ganz so gut läuft, besucht Glens Frau Sheila einen Buchhaltungskurs, um ihrem Mann unter die Arme greifen zu können. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters und einem offensichtlich selbst verschuldeten Brand, der eines seiner Gebäude vernichtete, steht Glen Garber mit dem Rücken zur Wand. Aber es kommt noch schlimmer: Als Sheila nach einem ihrer Kurse nicht nach Hause kommt, macht sich Glen auf die Suche und entdeckt ihren Wagen an einer Unfallstelle. So wie es aussieht, hat Sheila in volltrunkenem Zustand ein anderes Fahrzeug gerammt und damit sich selbst und zwei weitere unschuldige Menschen getötet.
Doch dies ist nur der Anfang einer ganzen Reihe von merkwürdigen Todesfällen. Nachdem Glens achtjährige Tochter Kelly völlig verstört wieder von den Slocums abgeholt wurde, wo sie bei ihrer Freundin Emily übernachten wollte, stirbt Emilys Mutter nach einer Reifenpanne an einem Pier – offensichtlich ist sie ins Wasser gefallen und ertrunken. Als Glen seine Tochter ins Verhör nimmt, warum sie so überstürzt nach Hause wollte, erzählt ihm Kelly von zwei merkwürdigen Telefonaten, die Ann im Schlafzimmer geführt hat, wo sich Kelly im Kleiderschrank versteckte. Natürlich will auch Anns Ehemann Darren Slocum, Polizist in Milford, wissen, worum es in diesen Telefonaten ging, und will von Kelly alles erfahren, was sie gehört hat.
„Dachte ich nicht genau dasselbe, was Sheila anging? Ihr Tod war ein Unfall, aber die näheren Umstände waren mir suspekt. Hatte ich nicht genau dasselbe getan wie Darren Slocum jetzt? Als ich mit den anderen Kursteilnehmern und dem Lehrer sprach, war ich da nicht auch auf der Suche nach der Wahrheit gewesen? Als ich das Haus auf den Kopf stellte, um rauszufinden, ob meine Frau irgendwo Alkohol versteckt hatte, den ich nicht finden sollte, suchte ich da nicht auch nach einer Antwort?“ (S. 155) 
Glen Garber glaubt nicht an die von der Polizei angenommene Trunkenheits-Theorie und unternimmt eigene Ermittlungen. Als er von einem Detektiv angesprochen wird, stößt er auf einen blühenden Handel mit minderwertigen Kopien von Handtaschen, Medikamenten und Baumaterialien, in den Sheila und Ann verstrickt gewesen sein sollen. Um dahingehende Spuren zu beseitigen und unterschlagenes Geld zurückzubekommen, sorgt ein skrupelloser Drahtzieher des Imitathandels für weitere Tote.
Linwood Barclay versteht es blendend, mit dem plötzlich alleinerziehenden Bauunterunternehmer einen sympathischen Helden in Szene zu setzen, der sich nicht nur mit dem fragwürdigen Pfusch einiger seiner treusten Mitarbeiter herumschlagen muss, sondern auch die näheren Umstände des Todes seiner Frau in Erfahrung bringen will und dabei auf mehr dunkle Geheimnisse, Affären und betrügerische Geschäfte erfährt, als ihm lieb sein kann, was schließlich auch das Leben seiner geliebten Tochter in Gefahr bringt. Die realistische Erzählweise und der kritisch kommentierte Handel mit billig produzierten Imitaten macht „Weil ich euch liebte“ zu einem jederzeit packenden Thriller-Highlight, in dem allein der übertrieben konstruierte Showdown mit Hollywood-typischen „überraschenden“ Wendungen das Lesevergnügen etwas trübt.
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Guillermo Del Toro/Chuck Hogan – „Die Nacht“

Samstag, 19. Mai 2012

(Heyne, 430 S., HC)
Zwei Jahre ist es her, dass Ephraim Goodweather als Teamleiter des Centers for Disease Control in New York seine Kollegin Nora, ihre Mutter und seinen Sohn Zack zur U-Bahn an der Pennsylvania Station gebracht hatte, damit diese in letzter Minute vor den Vampirhorden flüchten konnten, die die Menschheit zu vernichten drohen. Er konnte nicht verhindern, dass die Vampire den Zug kenterten, seine Ex-Frau Kelly selbst zu einer Blutsaugerin wurde, ihren gemeinsamen Sohn entführte und ihn dem Meister übergab. Dieser hat sich mittlerweile für einen Rockstar als Wirtskörper entschieden und braucht zur Sicherung seiner Herrschaft nur noch das sagenumwobene „Occido Lumen“, das den einzigen Schlüssel zum Verständnis der Vampirseuche in sich barg. Es befindet sich in den Händen des ehemaligen New Yorker Kammerjägers Vasily Fet, dem das Buch von Professor Setrakian anvertraut worden war.
Allerdings fehlen Eph, Vasily und Nora nach Setrakians Tod die Möglichkeiten, das geheimnisvolle Buch zu lesen. Um jedoch kein Risiko einzugehen, bietet der Meister Zack zum Tausch gegen das „Occido Lumen“ an, formt aber Zack ganz nach seinen Vorstellungen.
„Und so trainierte der Meister den Jungen Nacht für Nacht, Monat für Monat: Indem er die Dunkelheit, die bereits in Zacks Herz schlummerte, herauslockte und nährte. Und er empfand dabei etwas, was er seit Jahrhunderten nicht mehr empfunden hatte: Er wurde bewundert. Fühlte es sich so an, wenn man Vater war? Und war die Erziehung eines Kindes immer eine solch monströse Aufgabe? Die zarte Seele nach seinem Bilde zu formen, nach seinem Schatten … Nun, bald würde das alles zu einem Ende kommen. Der entscheidende Moment rückte näher. Der Meister spürte es überall: im Rhythmus des Universums, in den Wolken und im Wasser, im Echo der Stimme Gottes. Der Körper dieses Jungen würde sein letzter sein – dann würde er für immer über diese Welt herrschen.“ (S. 121) 
Genau das wollen Eph und seine Gefährten natürlich verhindern. Als Eph im Traum eine Vision hat, die ihm einen Weg weist, den Meister zu besiegen, beginnt für die Vampirjäger eine Odyssee zum „Dunklen Ort“, wo der Meister geboren wurde …
Nach einem fulminanten Auftakt mit den ersten beiden Bänden „Die Saat“ und „Das Blut“ können Filmemacher Guillermo Del Toro („Pans Labyrinth“, „Hellboy“) und Thriller-Autor Chuck Hogan („Mördermond“, „Kopfgeld“) mit dem Abschluss ihrer Vampir-Trilogie leider nicht mehr ganz die erzählerische Dichte und Spannung aufrechterhalten, die die Vorgänger ausgezeichnet hat. Immerhin lüften die beiden Autoren weitere Hintergründe zur ganz eigenen Geschichte der Vampire, die Del Toro und Hogan mit ihrer Trilogie schreiben, aber die schon so glänzend eingeführten Figuren bleiben in „Die Nacht“ enttäuschend blass, der Showdown fällt auch etwas unglaubwürdig aus. Von einem berauschenden Vampir-Epos ist die Trilogie letztlich weit entfernt, unterhaltsame Momente hat sie aber durchaus.
Lesen Sie im Buch: Guillermo Del Toro/Chuck Hogan –„Die Nacht“
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Richard Laymon – „Der Gast“

Dienstag, 1. Mai 2012

(Heyne, 767 S., Tb.) 
Mit leicht mulmigem Gefühl setzt sich der 28-jährige Neil Darden kurz vor Mitternacht ins Auto, um zwei Filme zurück in die Videothek zu bringen. Der stets etwas ängstliche junge Mann wählt dafür lieber Nebenstraßen, doch dann reißt ihn der Hilfeschrei einer Frau aus seiner wachsamen Zurückhaltung. Mit einer Pistole bewaffnet kann er die bedrängte Frau retten, indem er den Täter niederschießt. Als Dank schenkt Elise ihrem Retter ein magisches Armband, mit dem man sich in andere Menschen hineinversetzen kann.
Doch als die beiden später nach dem mutmaßlich getöteten Mann schauen wollen, ist er wie vom Erdboden verschluckt und holt sich doch noch sein gewünschtes Opfer. Offensichtlich hat der geheimnisvolle Täter auch Neals Visitenkarte an sich genommen, weshalb Neal lieber die Stadt verlassen möchte. Dabei trifft er auf in einem Restaurant die viel jüngere Sue und nimmt sie mit in einen Freizeitpark. Unterwegs erfahren sie von einer Belohnung, die der Schauspieler Vince Conrad auf die Festnahme des Mörders seiner Frau ausgesetzt hat. Sie fassen den tollkühnen Plan, sich die Belohnung einzusacken, und machen ausgiebig von dem Armband Gebrauch, um sich in andere Leute zu beamen. Diese Fähigkeit bringt aber nicht nur schöne Erlebnisse und hilfreiche Erfahrungen mit sich, sondern lebensgefährliche Gefahren …
Es ist dem Heyne Verlag nicht hoch genug anzurechnen, den hierzulande kaum bekannten Horror-Autor Richard Laymon in regelmäßigen, relativ kurzen Abständen zu veröffentlichen. Allerdings haben die mit Abstand besten Titel wie „Die Insel“, „Rache“, „Das Treffen“ oder „Der Ripper“ schon das Licht der Welt erblickt – in letzter Zeit sind die veröffentlichen Romane nicht mehr von der packenden Qualität, wie man sie von dem leider 2001 verstorbenen Autor gewohnt ist. Es liegt nicht nur an dem übernatürlichen Element in der Form des magischen Armbands, dass der Leser Schwierigkeiten hat, sich mit der Story anzufreunden. Auch die Figurenkonstellation – hier der zunächst so ängstliche Held, dort zwei attraktive Frauen, die den Mann vergöttern und auch zu teilen bereit sind – wirkt wenig überzeugend und nimmt zum Finale hin geradezu hanebüchene Züge an. Um die stark abfallende Spannungskurve auszugleichen, hat Laymon eine Menge Sexszenen eingebaut, die der Geschichte aber in ihrer Geballtheit wenig dienlich sind. Das ausführliche Werkverzeichnis am Ende des Buches gibt immerhin Gelegenheit, die weitaus besseren Werke des Autors für sich zu entdecken.
Lesen Sie im Buch: Richard Laymon – „Der Gast“
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